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Vom Saulus zum Paulus – Erfahrungen mit QMS in Niedersachsen

(tmb). Die erste Zertifizierung einer Offizinapotheke in Niedersachsen liegt mittlerweile über zwei Jahre zurück. Inzwischen sind die Erfahrungen des ursprünglichen Modellprojektes in die Mustersatzung der ABDA zum Qualitätsmanagementsystem (QMS) eingegangen. Auch die Apothekerkammer Niedersachsen hat nun eine reguläre Zertifizierungssatzung, in der sogar schon die Rezertifizierung beschrieben wird, die drei Jahre nach der Erstzertifizierung erfolgt. Das QMS für Apotheken in Niedersachsen ist damit dem Versuchsstadium längst entwachsen und zum regulären Angebot geworden. Dies ist eine Gelegenheit, Bilanz zu ziehen, das Erreichte zu bewerten und den weiteren Kurs abzustecken. Die DAZ befragte Götz Schütte, Geschäftsführer der Apothekerkammer Niedersachsen, nach seinen Erfahrungen und Zukunftsplänen mit dem QMS.

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Herr Schütte, das QMS-Projekt der Apothekerkammer Niedersachsen hat sich auf ein Mindestmaß von Vorgaben an die Apotheken beschränkt. Bisher konnten sich die Zertifizierungen nicht auf Qualitätsstandards oder Leitlinien der ABDA stützen, da diese erst kürzlich verabschiedet wurden. Wie sind die Apotheken mit diesem Freiraum umgegangen?

Schütte:

Die Individualität der QMS-Handbücher war von Anfang an beeindruckend. Die Handbücher werden in den Apotheken von allen Mitarbeitern gemeinsam für die jeweilige Apotheke maßgeschneidert. So sieht kein Handbuch aus wie das andere. Nur so ist gesichert, dass die Handbücher tatsächlich gelebt werden. Dies spricht eindeutig gegen Musterhandbücher, die einer Apotheke aufgedrückt werden. So etwas akzeptieren die Beschäftigten in den Apotheken nicht.

Dies ist aber auch eine eindrucksvolle Bestätigung für das Fremd- und Mehrbesitzverbot. Denn jede Apotheke ist anders und wird individuell geführt. Die QMS-Handbücher dokumentieren dies überzeugend. Einheitsapotheken, die sich leicht in eine Kette einbinden lassen, haben wir nicht gefunden. Durch das QMS werden die individuellen Unterschiede herausgearbeitet und weiterentwickelt. Dabei wird das Leistungsangebot durch den Standort der Apotheke geprägt. Dies ist genau das Gegenteil der Vereinheitlichung, die viele Kritiker dem QMS nachsagen.

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Die Vorteile von QMS haben mittlerweile auch viele Kritiker überzeugt, aber über das "Wie", über den richtigen Weg zum QMS, wird umso mehr diskutiert. Welche Vorteile bietet der apothekenspezifische Ansatz gegenüber einer Zertifizierung durch berufsfremde Zertifizierungsgesellschaften?

Schütte:

Unsere Überraschung war groß, dass das erste Seminar sofort überbucht war. Wir sind sozusagen aus dem Modellversuch herausgetrieben worden. Offensichtlich bestand bei der Basis schon damals eine Erwartungshaltung, die uns so nicht bekannt war.

Durch die intensive Beschäftigung mit dem QMS sind viele Kritiker des QMS vom Saulus zum Paulus geworden. Doch hatten wir anfangs auch Widerstände zu überwinden, weil QMS für die Apotheker Neuland war. Auch heute gibt es noch viele Vorurteile wegen der angeblichen Vereinheitlichung oder der Bürokratie, aber die Kritiker sollten sich mehr mit den Details von QMS und den Erfahrungen in der Praxis beschäftigen. Denn alle, die sich zum QMS entschlossen haben, loben die Vorteile und empfehlen es weiter. Manche Kritiker von einst leisten heute aktiv Überzeugungsarbeit bei den Kollegen.

Von Anfang an haben wir den apothekenspezifischen Ansatz mit der Zertifizierung durch die Kammer verfolgt. Die ABDA hat dies inzwischen in ihre Mustersatzung übernommen. Dementsprechend sind die Kammern eindeutig für die Zertifizierung zuständig. Dies ist auch gut so, denn die Handbücher gehen Berufsfremde nichts an. Das ist für uns eine sehr wichtige Erkenntnis und unumstößliche Handlungsmaxime geworden. In den Handbüchern werden wirklich Details der alltäglichen Arbeit beschrieben, die nicht in falsche Hände kommen sollten. Dieses Know-how sollte nicht an berufsfremde Zertifizierer gegeben werden.

Darum sehe ich keine Alternative zur Zertifizierung durch die Kammern. Als Körperschaften öffentlichen Rechtes sollten sie außerdem überzeugender wirken als irgendeine Zertifizierungsgesellschaft, die ja gar keinen Bezug zur Apotheke haben muss. Auch der Verbraucher wird solche Institutionen nicht mit Apotheken in Verbindung bringen. Ich füge an dieser Stelle mit allem Nachdruck hinzu: Wer fix und fertige Handbücher kauft und den Mitarbeitern per Dienstanweisung zur Umsetzung vorlegt, nimmt dem apothekenspezifischen QMS die Seele. Der Weg zur Einheitsapotheke und somit zur Kettenbildung von Apotheken wird auf diese Weise eröffnet.

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Die Außenwirkung einer Zertifizierung ist wichtig, aber der größte Nutzen von QMS liegt zumeist innerhalb des Unternehmens. Welche konkreten Vorteile heben die bisherigen QMS-Apotheken besonders hervor?

Schütte:

Die Einführung eines QMS hat zunächst mit einer Qualitätssteigerung nichts zu tun, aber die Apotheken schaffen eine wichtige Voraussetzung, die qualitätsgesicherte pharmazeutische Leistung zu optimieren. Dazu dienen die von der Bundesapothekerkammer erarbeiteten und verabschiedeten Leitlinien zur Qualitätssicherung. Die Berufsvertretung ist verpflichtet, dieses Angebot für Apotheken zu entwickeln, damit diese der im Sozialgesetzbuch ausgewiesenen Forderung nach Qualitätssicherung der am Gesundheitswesen beteiligten Leistungserbringer nachkommen können.

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Gab es auch Erfahrungsberichte über eher unerwartete Vorteile, die Sie persönlich besonders überrascht haben?

Schütte:

Es gibt durchaus Berichte darüber, dass durch die Einführung eines QMS mehr Zeit für die pharmazeutische Beratungstätigkeit gewonnen werden konnte. Da die Selbstmedikation deutlich zunimmt und damit die personalaufwendige Beratungstätigkeit steigt, passt die Einführung des QMS zu dieser Entwicklung. Es haben auch Apotheken berichtet, dass sie nach Einführung eines QMS eine Umsatzsteigerung feststellen konnten.

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Welches sind die größten Probleme bei der Umsetzung und wo liegen typische Schwierigkeiten, die im Zertifizierungsverfahren zu Beanstandungen führen?

Schütte:

Die Erarbeitung eines Handbuches stellt hohe Anforderungen an die Mitarbeiter der Apotheke. Dies drückt sich in Energie- und Zeitaufwand aus, der erbracht werden muss.

Typische Schwierigkeiten bei Nachbesserungen von Handbüchern sind nicht zu bemerken. Die Beanstandungen sind eher individuell unterschiedlicher Art und lassen sich in aller Regel vor der Begehung der Apotheke durch entsprechende Hinweise beseitigen.

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In jüngster Zeit gab es einige Irritationen wegen des Internet-Auftrittes der Apothekerkammer Niedersachsen. Dies wurde so interpretiert, dass Apotheken mit QMS-Zertifikat als fachlich besser dargestellt wurden. Wie steht die Kammer zur Werbung mit dem QMS-Zertifikat?

Schütte:

Die Beantwortung ist nicht einfach. Ich möchte ihr aber nicht ausweichen und versuche es. Ich bin davon überzeugt, dass der Standort der Apotheken zu unterschiedlichen Leistungsangeboten führt. Daraus können sich auch qualitative Beurteilungskriterien entwickeln. Wir beobachten auch, dass sich bei den Apotheken ein Werbeverhalten entwickelt, das toleriert werden muss. Es bedurfte also nicht erst der Einführung eines QMS, um auf Unterschiede zwischen Apotheken aufmerksam zu machen. Die Bundesapothekerkammer hat ein für alle Apotheken einheitliches Logo entwickeln lassen und seine bundeseinheitliche Anwendung beschlossen. Mit einem solchen Logo kann eine Apotheke werben.

Die Forderung nach Qualitätssicherung besteht durch den Gesetzgeber, und die Gesellschaft reagiert nun einmal auf Werbung. Wenn die Werbung zur qualitätsgesicherten Leistung die Akzeptanz der Apotheken festigt und ihre Unverzichtbarkeit im Gesundheitswesen sichert, so kann man auch behaupten, dass die zertifizierten Apotheken dem gesamten Apothekenwesen einen guten Dienst erweisen. Wir Apotheker wissen, dass wir schon immer qualitätsgesichert gearbeitet haben, aber wissen das auch alle anderen? Könnte es sein, dass erst die zertifizierte Qualität der pharmazeutischen Leitung und die damit verbundene Möglichkeit der Werbung zu höherer Anerkennung führt? Die Ärzte-Zeitung hat kürzlich gemeldet, dass Ärzte mit Qualitätsaussagen werben dürfen, die von der Kammer bestätigt wurden. Dies kann auch Apothekern langfristig nicht verweigert werden.

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Ein wesentlicher Aspekt für die Zukunft des QMS für Apotheken sollen die Leitlinien der Bundesapothekerkammer werden, die ursprünglich als "Qualitätsstandards" bezeichnet wurden. Welchen Stellenwert messen Sie diesen Leitlinien bei und welche Bedeutung werden sie konkret für das QMS in Niedersachsen haben, insbesondere bei der Rezertifizierung?

Schütte:

Die Weiterentwicklung des Handbuches ist die grundsätzliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Rezertifizierung. Die Übernahme der Leitlinien zur Qualitätssicherung ist ein Kriterium der Rezertifizierung, aber sie ist nicht Bedingung. Wir werden als Rezertifizierungsstelle die Akzeptanz der individuellen Gestaltung der Handbücher nicht verlassen.

Die weitere Entwicklung des QMS und der qualitätsgesicherten zertifizierten Dienstleistung aus Apotheken muss abgewartet werden. Erst dann kann erneut bewertet werden. Der Berufsstand hat es in seiner Hand, die Richtung zu bestimmen. Zur Erinnerung: Wir erfüllen den Beschluss der Hauptversammlung des Deutschen Apothekertages.

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Die Apothekerkammer Niedersachsen hat in der Vergangenheit auch Apotheken in anderen Bundesländern zertifiziert, die nicht auf entsprechende Angebote in ihren Ländern warten wollten. Inzwischen arbeiten aber die meisten Kammern zumindest an Pilotprojekten oder formulieren eigene Zertifizierungssatzungen. Wie werden künftig interessierte Apotheken aus anderen Bundesländern behandelt?

Schütte:

Die Genehmigung des Niedersächsischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales war verbunden mit der Auflage, als Zertifizierungsstelle die DIN EN 45012 zu beachten. Danach müssen wir jeden Antragsteller akzeptieren. Es ist für uns dennoch selbstverständlich, auf die Zuständigkeit einer anderen Apothekerkammer hinzuweisen und den Antragsteller dorthin zu verweisen. Verweigern können wir uns aufgrund der Rechtslage jedoch nicht. Auch ein Apotheker aus Niedersachsen kann sich an anderer Stelle zertifizieren lassen.

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Der erste Beschluss der ABDA zum Thema QMS liegt fast vier Jahre zurück. Wie wird das QMS für Apotheken in vier Jahren nach Ihrer Meinung aussehen und welche Bedeutung wird es für die Entwicklung der Apothekenlandschaft haben?

Schütte:

Ende 2000 werden in Niedersachsen voraussichtlich 100 Apotheken das QMS-Zertifikat erworben haben. Da die Seminare unverändert angeboten werden, gehe ich davon aus, dass in vier Jahren - also Ende 2004 - in unserem Kammerbereich etwa 500 Apotheken ein Zertifikat haben werden. Ich glaube auch, dass sich die Leitlinien zur Qualitätssicherung im gleichen Maße etablieren werden. Um die Entwicklung zum Vorteil der Apotheken zu nutzen, werden QMS und die Leitlinien zur Qualitätssicherung fester Bestandteil der begleitenden Unterrichtsveranstaltungen für Pharmaziepraktikanten.

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Vielen Dank für dieses Interview, Herr Schütte!

Die erste Zertifizierung einer Offizinapotheke in Niedersachsen liegt mittlerweile über zwei Jahre zurück. Inzwischen sind die Erfahrungen des ursprünglichen Modellprojektes in die Mustersatzung der ABDA zum Qualitätsmanagementsystem (QMS) eingegangen. Auch die Apothekerkammer Niedersachsen hat nun eine reguläre Zertifizierungssatzung, in der sogar schon die Rezertifizierung beschrieben wird, die drei Jahre nach der Erstzertifizierung erfolgt. Die DAZ befragte Götz Schütte, Geschäftsführer der Apothekerkammer Niedersachsen, nach seinen Erfahrungen und Zukunftsplänen mit dem QMS.

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