Fortbildung

Petra JungmayrPharmazeutische Beratung – das G

Beratung und Orientierung von tumorkranken Patienten wollen gelernt sein. Der ratgebende Apotheker muss nicht nur über Fachwissen, Urteilsvermögen und Fähigkeit zur Kooperation verfügen, sondern muss auch den ratsuchenden Patienten in seiner Lebens- und Erlebniswelt verstehen. Zum Thema "Pharmazeutische Beratung - Onkologie" fand am 27. und 28. Mai 2000 in Zusammenarbeit mit der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg an der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg eine Fortbildungsveranstaltung statt.

Plädoyer für eine offene Medizin

"Krebs: Krankheit im Menschen - Mensch in seiner Krankheit" - unter dieses Leitmotiv stellte Prof. Dr. Gerd Nagel, wissenschaftlicher Leiter der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg, sein Dialog-Referat über Denkstile und Beratungsbedarf onkologischer Patienten. Änderungen innerhalb der Gesellschaft wie eine ansteigende Informationsflut haben sich auch auf das Verhalten des Patienten ausgewirkt. Heute steht uns häufig der kompetente Patient gegenüber, der seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse artikuliert, Fragen stellt, konventionelle Therapiemethoden hinterfragt und sich nach alternativen Behandlungsformen erkundigt. Ebenso oft steht uns aber auch der von der Schulmedizin vernachlässigte Patient gegenüber, der nunmehr sein Heil in Außenseitermethoden und in der Paramedizin sucht. Beide Beispiele zeigen, dass das medizinisch-therapeutische Angebot nicht die gesamte Nachfrage, also die unterschiedlichen Bedürfnisse der Patienten, deckt.

Laut Professor Nagel kommt dies unter anderem daher, dass sich die akademische Medizin zu stark auf den naturwissenschaftlich begründeten Bereich der Medizin beschränkt und andere medizinische Denkstile und therapeutische Ansätze ausgegrenzt hat. Vor allem bei der Versorgung onkologischer Patienten, die mit einer potenziell lebensbedrohlichen Krankheit konfrontiert sind, müssen Erlebniswelt und Denkstil des Patienten stärker berücksichtigt werden. Dazu gehört auch, dass sich der Arzt mit den unkonventionellen Mitteln und Verfahren in der Krebsmedizin auseinandersetzt und akzeptiert, dass deren Nutzen nicht nur vom schulmedizinischen, sondern auch vom subjektiven Standpunkt des Patienten aus betrachtet werden muss.

Wandelnde Vorstellungsformen der Patienten

Um einen krebskranken Patienten verstehen zu können, ist ein Einblick in seine subjektive Ätiologie- und Krankheitsvorstellung erforderlich. Das Bild von seiner Krankheit ist geprägt von naturwissenschaftlichen, naturheilkundlichen und naturreligiösen Elementen.

  • Der naturwissenschaftlichen Vorstellung zufolge liegt die Ursache der Krebserkrankung in Genschäden, die zu unkontrollierten Zellwucherungen führen. Die Krankheit wird isoliert betrachtet; der Tumor ist eine eigenständige Krankheit, in die der gesunde Körper erst nach und nach mit einbezogen wird. Ziel der Therapie ist die operative Entfernung des Tumors, eventuell unterstützt durch Chemo- und Strahlentherapie. Nach dem therapeutischen Eingriff und der Akuttherapie ist die Behandlung abgeschlossen.
  • Gemäß den naturkundlichen Vorstellungen entsteht der Krebs auf der Basis einer allgemeinen Schädigung des gesamten Organismus. Diese allgemeine Schädigung wird als Abwehrschwäche bezeichnet und wird in der Vorstellungswelt des Patienten beispielsweise durch chronische Stresssituationen, falsche Ernährung, ungesunde Lebensweise und Umweltverschmutzung ausgelöst. Der Tumor ist diesem Denkmodell zufolge ein Symptom. Die Therapie muss neben der operativen Entfernung des Tumors auch eine Stärkung der körpereigenen Abwehr beinhalten.
  • Nach naturreligiösem und magischem Denkmuster wird Krankheit als Strafe oder als schicksalhaftes Verhängnis angesehen. Die Therapie besteht demzufolge aus Sühne und Katharsis und enthält Komponenten einer magischen Abwehr.

Aus diesen drei Vorstellungsformen, die in der Regel gemischt vorkommen, bildet sich der Patient seine eigene, individuelle Krankheitsvorstellung, die sich wiederum im Laufe der Krankheit verändern kann.

Abwehr als anthropologische Konstante

Unabhängig vom kulturellen, religiösen oder sozialen Hintergrund tritt beim Krebspatienten der Wunsch nach Abwehr auf. Dieser Wunsch ist eine anthropologische Konstante, zeigen doch schon mythologische Darstellungen den Kampf des Menschen gegen die dunklen Mächte des Schicksals. Abwehr bedeutet für den Patienten nicht nur eine biologische Abwehr im medizinischen Sinn (wie etwa eine Immuntherapie) oder eine Abwehr im magischen Sinn (Abwehr unheilvoller, krankmachender Kräfte), sondern impliziert auch eine geistige, psychosoziale und psychische Auseinandersetzung mit der Krankheit. Solche Abwehrreaktionen helfen dem Menschen, seine seelische Stabilität zu wahren. Indem der Mensch eine Position einnimmt, in der er sich aktiv mit seinem Schicksal auseinandersetzt und sich selbst in den Genesungsprozess einbringt, verlässt er die Rolle des passiven Opfers. Aus dem Betroffenen wird so ein Handelnder; der Patient greift aktiv in die Salutogenese ein.

Das Konzept der Salutogenese

Der pathogenetische, schulmedizinische Therapieansatz zielt auf die direkte Beseitigung der Krebszellen durch Operation, Chemo- und Strahlentherapie. Viele Patienten haben indes das Bedürfnis, zusätzlich ihre eigenen Heilungs- und Kraftquellen, zum Beispiel Glaube, Wille, Psyche und Ernährung zu nutzen. Dieses Vorgehen wird als salutogenetischer Ansatz bezeichnet. Er ist nach der orthodoxen schulmedizinischen Auffasssung wissenschaftlich nicht fundiert. Führt man sich aber die individuellen Krankheitsvorstellungen und den Wunsch nach einer Krankheitsabwehr vor Augen, erscheint eine salutogenetische Krankheitsbewältigung, an der sich der Patient aktiv beteiligen kann, folgerichtig.

Der Patient hat also den Wunsch, selbst etwas zu tun. Dazu greift er - auch das ist eine anthropologische Konstante - nach Mitteln und Waffen. Diese sollen die Immunabwehr stärken, den Körper entgiften und die psychische Belastung lindern. Die dazu angewandten Strategien sind folgende:

  • Immunabwehr; hauptsächlich durch Mittel der unkonventionellen Medizin, wie Mistel, Thymus, Polyerga
  • Diät; im Sinne einer Ernährungsumstellung, einer "gesunden" Ernährung
  • "Entgiftung" durch Vitamine, Antioxidanzien, Spurenelemente
  • Krankheitsbewältigung, Krankheitsverarbeitung (Coping)

Krebstherapie konventionell und komplementär

In seinem Dialog-Referat stellte Dr. Marc Azemar die in der Tumorklinik Freiburg angewandten schulmedizinischen und alternativen Heilmethoden vor und zog eine Trennlinie zu Außenseitermethoden und der Scharlatanerie.

Die heute wichtigste und zugleich erfolgreichste onkologische Therapie ist der "klassische Standard" mit operativer Entfernung des Tumors sowie die Chemo- und Strahlentherapie. Noch immer besteht bei vielen Tumorarten in einem späten Stadium eine relativ geringe Heilungsschance, sodass die onkologische Forschung vor großen Herausforderungen steht. In dem Institut für molekulare Onkologie an der Klinik für Tumorbiologie wird die molekularbiologische Grundlagenforschung intensiviert. Mehrere Forschungsgruppen arbeiten an Projekten zur Grundlagenforschung oder in der präklinischen Forschung. Teilweise befindet sich diese experimentelle Therapie bereits in der klinischen Prüfung in Phase-I-Studien. Azemar stellte einige neue Therapieansätze vor.

Hemmung der Angiogenese

Ab einer gewissen Größe benötigt der Tumor eigene Blutgefäße und einen Anschluss an das Gefäßsystem des Körpers. Um dieses Ziel zu erreichen, produziert er gefäßbildende Faktoren wie VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor), der an Rezeptoren der Endothelzellen von Blutgefäßen bindet und diese veranlasst, auszusprossen und in den Tumor hineinzuwachsen. Durch den vermehrten Zufuhr von Nährstoffen kann der Tumor dann weiterwachsen. Um diesen Prozess zu unterbinden, werden VEGF-Rezeptorantagonisten eingesetzt, von denen bereits einige in Phase-I-Studien untersucht werden. Monoklonale Antikörper gegen VEGF sind ebenfalls bereits in fortgeschrittenen Phasen der klinischen Prüfung. Zur Hemmung der Angiogenese werden ferner die körpereigenen Stoffe Endostatin und Angiostatin, Interferone, niedrig dosierte Zytostatika und Metalloprotease-Hemmer eingesetzt.

Metalloproteasen erleichtern Tumor- und Endothelzellen den Weg durch die extrazelluläre Matrix und begünstigen somit die Verbreitung maligner Zellen. Verschiedene Firmen prüfen bereits Metalloprotease-Hemmer in klinischen Studien.

Antikörper-vermittelte Immuntherapie

Oftmals werden die minimal verbliebenen Tumorzellen nach einer Remission für ein aufflammendes Rezidiv verantwortlich gemacht. Daher versucht man, diese, für die diagnostische Darstellung nicht auffindbare Resterkrankungen, selektiv zu zerstören. Man verwendet dazu monoklonale Antikörper, die relativ selektiv an bestimmten Antigenen auf der Oberfläche maligner Zellen binden. Die Identifizierung des Antigens CD-20 an B-Lymphozyten führte zur Entwicklung des monoklonalen Antikörpers Rituximab (Mabthera®). CD-20 ist in hoher Zahl an den meisten Zellen des B-Zell Non-Hodgkin-Lymphoms vorhanden. Rituximab ist damit der erste Antikörper für die Therapie von niedrigmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen.

Ein weiterer monoklonaler Antikörper ist Edrecolomab (Panorex®), der bei Kolorektaltumoren eingesetzt wird. Dieser Antikörper richtet sich gegen das tumorassoziierte Zelloberflächenantigen 17-1A und wird zur Rezidivprophylaxe nach dem operativen Eingriff eingesetzt.

Einen gewissen Bekanntheitsgrad besitzt bereits Trastuzumab (Herceptin®), das bei bestimmten Arten des metastasierenden Mammakarzinoms eingesetzt wird. Trastuzumab erkennt die extrazelluläre Domäne des HER2-Proteins, das zu den dominanten Onkogenen gehört und in vielen gynäkologischen Tumoren überexprimiert ist. In Deutschland ist Trastuzumab bislang noch nicht zugelassen.

Anti-Tumortoxine

Bei dieser Therapieform wird ein starkes Toxin (z. B. ein Zellgift aus Pseudomonas aeruginosa) mit Hilfe gentechnischer Methoden an einen Antikörper gekoppelt. Dieser Antikörper hat die Fähigkeit, spezielle Rezeptoren wie erbB2 an der Oberfläche bestimmter Tumorzellen zu erkennen. Das Anti-Tumortoxin bindet an den Rezeptor und gelangt in die Tumorzelle. Dort wird das Toxin aktiviert, hemmt die Proteinsynthese und führt zu einem Absterben der Tumorzelle. In einzelnen Versuchen wurde dieses Therapieform bereits bei metastasierenden Melanomen eingesetzt.

Weitere neue Therapieansätze in der Onkologie sind

  • antitumorale Vakzinations-Strategien,
  • Gentherapie und
  • Apoptoseinduktion. Diese kann durch die Identifizierung von p53 regulierenden Proteinen, durch Apoptose-Wirkstoffe oder durch Wiederherstellung eines Zellteilungs-Kontrollpunktes erfolgen.

Naturheilverfahren

Neben der Standardtherapie werden an der Tumorklinik in Freiburg auch die klassischen Naturheilverfahren wie die physikalische Therapie, die Physiotherapie, die Ernährungstherapie, die Ordnungstherapie sowie die Phytotherapie angewandt. Besondere Beachtung verdient hier die Misteltherapie, da ihre Wirksamkeit zwischenzeitlich auch in klinischen Studien nachgewiesen werden konnte. Am Beispiel der Misteltherapie zeigte Azemar die Schwierigkeiten bei der Beurteilung der onkologischen Phytotherapie: Die Mistel enthält sehr viele Inhaltsstoffe, die je nach Wirtsspezies und Extraktionsverfahren variieren. Theoretisch kann dieses Gemisch zu allergischen Reaktionen und Endotoxin-Kontaminationen führen; denkbar ist auch eine Stimulation des Tumorwachstums. Hinzu kommt, dass viele biologische Substanzen im Gegensatz zu den klassischen Zytostatika häufig keine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung aufweisen, und das Überschreiten einer bestimmten Dosis zu komplexen Gegenregulationen führt.

Zwischenzeitlich ist es aber gelungen, ein auf Mistellektin-1 standardisiertes Mistelpräparat (z. B. Lektinol) zu gewinnen und dessen Wirksamkeit in wissenschaftlich überprüfbaren, methodisch korrekten Studien zu zeigen. In diesen Studien konnte gezeigt werden, dass die Patienten der Verumgruppe eine Verbesserung der Lebensqualität erfuhren; die Misteltherapie hatte aber keinen Einfluss auf die Überlebens- oder Remissionsrate.

Unkonventionelle Mittel und Verfahren in der Krebstherapie

Die wissenschaftliche Überprüfung von unkonventionellen Mitteln und Verfahren in der Krebstherapie gehört satzungsgemäß zum Auftrag der Klinik für Tumorbiologie. Dementsprechend werden sowohl in der Klinik als auch in der Forschung solche Mittel überprüft, die im allgemeinen der Alternativmedizin zugeordnet werden. Die Mittel der unkonventionellen Krebstherapie werden häufig von der "klassischen Schulmedizin" abgelehnt, sind aber im allgemeinen weit verbreitet. Sie besitzen einen kulturellen Hintergrund und stammen mitunter aus anderen Medizinschulen. Unter Berücksichtigung ihres kulturellen Hintergrundes erscheint ihre Anwendung plausibel.

Unkonventionelle Mittel und Verfahren können wissenschaftlich überprüft werden. Dazu zählen unter anderem Homöopathie, Anthroposophie, Radikalfänger, Hyperthermie, Selen, Zink, Misteltherapie, Neytumorin und Polyerga.

Außenseitermethoden und Scharlatanerie

Außenseitermethoden und die Scharlatanerie sind streng von den Mitteln und Verfahren der unkonventionellen Krebstherapie abzugrenzen. Außenseitermethoden lassen sich nicht überprüfen, und ihre angebliche Wirkung beruht häufig auf autistischen Quellen. Sie werden meist von Einzelgängern mit missionarischem Eifer entwickelt und propagiert. Ihre Anwendung erscheint nicht plausibel, und Außenseitermethoden werden mit unbeweisbaren Behauptungen angepriesen. Bei der Scharlatanerie liegt eine bewusste Irreführung vor. Die Überprüfbarkeit der Methode ist nicht gewollt, und das einzige Ziel ist in der Regel die Ausbeutung des Patienten.

Gesundung im ganzheitlichen Konzept

Nach Möglichkeit sollte sich der Patient aktiv am Genesungsprozess beteiligen. Diese aktive Mitarbeit richtet sich nach den Bedürfnissen, Fähigkeiten, der Weltanschauung und dem kulturellen und sozialen Hintergrund des Patienten. Neben der Schul- und Alternativmedizin stehen im dazu unter anderem die Ernährung, physiotherapeutische Maßnahmen, Mal-, Musik-, Tanztherapie, die Anleitung zur Selbsthilfe sowie die psychoonkologische Betreuung und Seelsorge zur Verfügung.

Medikamentöse Selbsthilfe?

Viele Patienten haben das Bedürfnis, zusätzlich eine medikamentöse Maßnahme zu ergreifen und suchen daher Rat bei ihrem Apotheker oder Hausarzt. Während der Chemo- und Strahlentherapie sollte der Patient nur nach Rücksprache mit seinem Onkologen zusätzlich Medikamente einnehmen. Nach Abschluss der Akuttherapie kommen für die Selbstmedikation bestimmte Arzneimittel in Frage. An der Tumorklinik Freiburg wurden für die Indikation "Selbsthilfe" einige Mittel und Verfahren der unkonventionellen Krebstherapie zusammengestellt, aus denen das therapeutische Team zusammen mit dem Patienten die im individuellen Fall geeignet erscheinenden Mittel auswählen kann. Von diesen Mitteln sollten so wenig wie möglich gleichzeitig eingesetzt werden, um keine Polypragmasie zu betreiben und Probleme der Arzneimittelinteraktion zu vermeiden. Zu den derzeit empfohlenen Substanzen gehören Echinacin, Mistel, Vitamin C und Vitamin E, Carotinoide sowie der Radikalfänger Selen in niedriger Dosierung.

Die Misteltherapie sollte nur unter ärztlicher Begleitung durchgeführt werden, da das Fremdeiweiß möglicherweise zu allergischen Reaktionen führen kann. Bei der Auswahl des Medikamentes soll ein lektinstandardisiertes Mittel bevorzugt werden. Der Patient sollte über den Nutzen einer Misteltherapie - Verbesserung des Befindens, höhere Lebensqualität, aber bislang noch kein Hinweis auf Verlängerung der Überlebenszeit - aufgeklärt werden. Besteht der Wunsch nach einer Misteltherapie, so hält Azemar es für moralisch und ethisch nicht vertretbar, dem Patienten diese Therapie vorzuenthalten.

Sinnvolle diätetische Maßnahmen

Wie Dipl. Ökotrophologe Steffen Theobald, Klinik für Tumorbiologie, erläuterte, haben viele Tumorpatienten den Wunsch nach einer speziellen Krebsdiät. Dieser Wunsch entspringt dem Bedürfnis, aktiv gegen die Krankheit anzugehen und sollte deshalb auch vom Therapeuten ernst genommen werden. Allerdings besteht gerade im Hinblick auf diätetische Maßnahmen ein enormer Aufklärungsbedarf, und der Patient sollte über den Unterschied zwischen einer gesunden Ernährung und sinnlosen, teilweise sogar schädigenden Außenseiterdiäten informiert werden.

Tumorprotektive und tumorfördernde Stoffe

In zahlreichen epidemiologischen Studien zeigt sich ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit einer bestimmten Tumorart und der Ernährung. Durch eine entsprechende Ernährung kann die Inzidenz einiger Krebsarten gesenkt werden. So geht man beispielsweise davon aus, dass in Deutschland mit einer optimalen Ernährung 35 000 bis 40 000 Erkrankungen an einem Dickdarmkarzinom vermieden werden könnten. Obwohl eindeutige Korrelationen zwischen der Ernährung und Krebs bestehen, und zwischenzeitlich auch tumorprotektive und tumorfördernde Stoffe bekannt sind, kennt man das genaue Zusammenspiel der einzelnen Lebensmittelbestandteile noch nicht.

Wahrscheinlich sind es auch nicht die isolierten Stoffe, denen eine protektive Wirkung zukommt, sondern ihr Eingebundensein in und ihr Wechselspiel mit weiteren Nahrungsmittelbestandteilen. Hier sei auf die isolierte Substitution von Betacaroten bei Rauchern verwiesen, die nicht den gewünschten protektiven Effekt aufwies und vorzeitig abgebrochen wurde, da unter der Betacarotengabe häufiger Lungentumoren auftraten als in der Kontrollgruppe. Dem heutigen Kenntnisstand zufolge eignen sich zur Tumorprävention vor allem Obst und Gemüse, bei letzterem insbesondere phytochemikalienreiches Gemüse wie Knollen-, Blatt- und Zwiebelgemüse.

Desweiteren sollte der Alkoholkonsum und der Verzehr von rotem oder gebratenem Fleisch eingeschränkt werden. Der Fettanteil sollte auf 15 bis 30 % der gesamten Energiezufuhr gesenkt werden, wobei bevorzugt pflanzliche Fette eingesetzt werden sollten. Die Zufuhr stärkereicher Lebensmittel sollte erhöht und der Kochsalzverbrauch gesenkt werden.

Es gibt keine "Krebsdiät", aber eine präventiv wirksame Ernährung

Für keine der so genannten Krebsdiäten konnte gezeigt werden, dass sie zu Heilungen oder Remissionen oder einer Verlängerung der rezidivfreien oder Gesamtüberlebenszeit führen. Insbesondere sind die radikalen "Krebsdiäten" abzulehnen, da sie extrem einseitig und zudem teilweise mit abstrusen Vorstellungen wie etwa dem "Aushungern" eines Tumors verbunden sind. Zu diesen radikalen "Tumordiäten" zählen unter anderem

  • die Saftkur nach Breuss (während 42 Tagen sind nur Gemüsesäfte erlaubt)
  • die Rote-Bete-Saft-Kur nach Seeger
  • die Instinkttherapie nach Burger/Besuchet
  • die Heilkost nach Windstosse
  • Makrobiotik nach Ohsawa
  • strenge Trennkost nach Hay

Gegen sogenannte "Krebsdiäten, die auf eine vollwertige Ernährung abzielen und den Ernährungszustand des Patienten berücksichtigen, ist nichts einzuwenden. Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, dass eine Krebsheilung durch keine Ernährungsform möglich ist. Durch diätetische Maßnahmen kann man nur im Vorfeld, also bei der Tumorprävention etwas erreichen.

Ernährung des Tumorpatienten

Bei der Ernährung eines Tumorpatienten sind therapiebedingte (z. B. Verletzungen der Mundschleimhaut), tumorbedingte (z. B. Stenosen, Schmerzen und metabolische Kachexie) und psychische Störungen wie Depressionen und Probleme wie Vereinsamung zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Nahrungszufuhr gilt:

  • oral so lange wie möglich,
  • oenterale Ernährung bei Defekten im oberen Gastrointestinaltrakt,
  • parenterale Ernährung bei Defekten im unteren Gastrointestinaltrakt.

Therapie der Mangelernährung

Ein häufiges Begleitbild von Tumorerkrankungen ist die Tumorkachexie, die durch starke Abmagerung, allgemeinen Kräfteverfall, Appetitlosigkeit und Apathie gekennzeichnet ist. Diese Kachexie kann ihre Ursachen im psychosozialen Bereich (verändertes Körperbild) haben oder durch subjektive (Übelkeit, Diarrhö, Schmerzen) sowie objektive Beschwerden (Stenosen, Proteinabbau) bedingt sein. Die Therapie der Mangelernährung richtet sich nach dem Zustand und den Bedürfnissen des Patienten und umfasst

  • die Beratung zur Kostwahl,
  • eine Energieanreicherung der Kost,
  • Trink-Supplemente,
  • eine metabolische Modulation,
  • künstliche Ernährung,
  • Hemmung der systemischen Inflammationsreaktion, die häufig als Tumor-induzierter Abwehrprozess an der Tumokachexie beteiligt ist.

Die Gesprächsverweigerung ist ein ärztlicher Kunstfehler

Anhand von Mustergesprächen mit Patienten und einer anschließenden Gesprächsanalyse hoben Professor Dr. Gerd Nagel und der Psychoonkologe Markus Birmele die Bedeutung des Redens und des Zuhörens hervor. Eine Gesprächsverweigerung - so Nagel - kommt einem ärztlichen Kunstfehler gleich.

Die Bedeutung des Redens werde häufig unterschätzt. Das Gespräch dient nicht nur dem Informationsaustausch und der Verständigung, sondern hilft auch beim Aufbau einer vertrauensvollen Basis. Im Laufe eines Gesprächs werden die Gedanken klarer, man vergewissert sich bestimmter Tatbestände und gewinnt an Sicherheit. Das Reden hat auch eine entlastende Funktion, da Ängste formuliert und ausgesprochen werden können. Reden kann aber auch Beschwörung und Ablenkung bedeuten.

Die Kunst des aktiven Zuhörens

Jedes Gespräch bewegt sich auf verschiedenen Ebenen, und die Kommunikation zwischen Sender und Empfänger findet auf verbalen und nonverbalen Ebenen statt. Diese umfassen:

  • den Sachverhalt,
  • die Selbstoffenbarung,
  • die Beziehungsebene (Mimik, Gestik, Tonfall und Körperhaltung teilen die Emotionen zwischen den Gesprächspartnern mit) und
  • den Appell.

Im Gespräch zwischen Therapeut und Patient ist das aktive Zuhören sehr wichtig. Damit bekundet der Therapeut zum einen sein Interesse an den Problemen des Patienten und kann zum andern heraushören, über was der Patient eigentlich sprechen will (Will er sachlich über seine Behandlung sprechen oder quälen ihn seine Ängste? Kann er seine Ängste definieren oder verbirgt er sie hinter Metaphern?). Wichtig ist ferner, dass dem Patienten eine positive Wertschätzung, emotionale Wärme und einfühlsames Verständnis signalisiert wird. Der Therapeut muss allerdings auch seine eigenen Grenzen kennen und eventuell auf andere Hilfestellungen verweisen.

Das Ziel eines Gesprächs sollte möglichst früh definiert sein, der Weg dorthin muss spontan aus der jeweiligen Situation heraus gesucht werden. Da das Gespräch auch eine gewisse Eigendynamik entwickelt, können für die Gesprächsführung nur einige globale Regeln aufgestellt werden:

  • direktes Ansprechen
  • möglichst kurze Antworten geben
  • versuchen, den "inneren" Zustand des Patienten anzusprechen
  • das Gespräch geht von der Position des Patienten aus; seine Weltanschauung ist entscheidend, diejenige des Therapeuten hat nur eine untergeordnete Bedeutung
  • Fremdwörter und medizinische Fachausdrücke vermeiden; häufig können auch Bilder einen Sachverhalt klären.

Apotheker im Dialog

In einem Gesprächstraining zeigten der Psychoonkologe Markus Birmele, Dr. Marc Azemar, Dr. Joachim Drevs und Dr. Johannes Schmid die möglichen Schwierigkeiten bei einem Gespräch mit einem tumorkranken Patienten auf und gaben Hinweise zur Gesprächsführung. Der ratsuchende Patient oder dessen Angehörige haben eine Vielzahl von Fragen. Diese können eher sachlicher Natur sein und neue Therapieformen, Ernährungsweise, Alternativmedizin, Rehabilitationsmaßnahmen, Abwehrstärkung, Orientierungshilfe bei Überinformation, Selbsthilfe und Einholen einer Zweitmeinung betreffen oder die psychische Bewältigung der Krankheit tangieren.

Die geringere Herausforderung an den Apotheker ist das Beantworten der sachlichen Fragen, wenn auch im Hinblick auf Mittel der unkonventionellen Therapie oftmals Unsicherheiten bestehen, da bislang noch zu wenig abrufbare, sachliche Information verfügbar sind. Mit dem Aufbau eines Netzwerkes an der Klinik für Tumorbiologie und Abruf via Internet kann hier zukünftig Abhilfe geschaffen werden (der Aufbau eines entsprechenden Netzwerkes ist geplant).

Eine größere Aufgabe ist das Zugehen auf den Patienten, um zu erkennen, ob und in welchem Ausmaß dieser Hilfe oder Zuwendung wünscht. Der Apotheker sollte keine Psychotherapie oder Seelsorge betreiben, aber er muss die Bedürfnisse des Patienten erkennen und wahrnehmen. Wichtig ist hier das aktive Zuhören und der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses. Die Privatsphäre des Patienten muss dabei stets respektiert werden; zeigt der Patient eine Abwehrhaltung gegenüber einem bestimmten Thema, sollte der Apotheker diesen Mechanismus nicht durchbrechen.

Ergibt sich kein direktes Gespräch, kann der Apotheker dem Patienten oder dessen Angehörigen seine Hilfsbereitschaft signalisieren. Man sollte sich stets vergegenwärtigen, dass die Verarbeitung der Krankheit auf verschiedenen Ebenen abläuft, das heißt der Patient kann auch mit Abwehrmechanismen reagieren. Der Apotheker sollte sich kein psychotherapeutisches Handeln anmaßen und seine Hilfe in einem professionellen Rahmen halten, wobei Hilfe durchaus mit menschlicher Zuneigung und Mitgefühl gepaart sein sollte. Der Hinweis auf Selbsthilfegruppen ist nicht in jedem Stadium der Krankheitsbewältigung hilfreich. Hier muss bedacht werden, dass im Anfangsstadium der Krankheitsbewältigung eine Konfrontation mit bestimmten, in der Selbsthilfegruppe diskutierten Themen, für den Patienten belastend sein kann.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

In einem weiteren Gespräch mit dem niedergelassenen Onkologen Dr. Norbert Marschner wurde die Kooperation von Arzt und Apotheker bei der Beratung onkologischer Patienten beleuchtet. Um die Kompetenz des Patienten zu stärken und ihm eine bestmögliche Versorgung anzubieten, ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen erforderlich. Marschner wies darauf hin, dass nicht nur die Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker, sondern auch die Kooperation zwischen Onkologen und Hausarzt verbessert werden könnte. Des weiteren sollte die Kompetenz des Patienten gestärkt werden, da der aufgeklärte, kompetente Patient seine Krankheit aktiv bewältigt. Um ihm dabei zu helfen und ein Abwandern zur Paramedizin zu verhindern, benötigt der Patient Orientierungshilfe wie Aufklärung über Alternativmedizin, Ernährung, Selbsthilfe und unkonventionelle Therapie, die ihm nur durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen erteilt werden kann.

Beratung und Orientierung von tumorkranken Patienten wollen gelernt sein. Der ratgebende Apotheker muss nicht nur über Fachwissen, Urteilsvermögen und Fähigkeit zur Kooperation verfügen, sondern muss auch den ratsuchenden Patienten in seiner Lebens- und Erlebniswelt verstehen. Zum Thema "Pharmazeutische Beratung – Onkologie" fand am 27. und 28. Mai 2000 in Zusammenarbeit mit der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg an der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg eine Fortbildungsveranstaltung statt, über die wir Sie in diesem Heft informieren.

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