Berichte

50 Jahre Institut für Pharmazie in Berlin-Weißensee

Das Pharmazeutische Institut in Berlin-Weißensee begeht in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag und gibt damit Anlass zu Rückblick und Resümee. Auch wenn das Gespenst der bereits terminisierten Schließung (Ende 2002) im Nacken sitzt, sollten 50 Jahre Leistung in Lehre und Forschung nicht sang- und klanglos übergangen werden. So entschloss sich die Institutsleitung zu einer Festveranstaltung, die am 2. Juni 2000 in der Aula der nahegelegenen Kunsthochschule stattfand. Zuvor hatten die "Ehemaligen" und Gäste Gelegenheit, die alten Stätten ihres Wirkens sowie den 1994 eingeweihten Laborneubau und die Verwaltung zu besichtigen.

Ursprung Unter den Linden und in Dahlem

Die Ausbildung von Apothekern an der Berliner Universität Unter den Linden hat Tradition. Bereits unter den ersten Studenten der 1810 gegründeten Friedrich-Wilhelm-Universität befand sich ein Pharmazeut. Studienform, -umfang und -inhalt wechselten in den folgenden Jahrzehnten. Jedoch erst nach Inkrafttreten der Prüfungsordnung von 1875, die eine dreisemestrige Hochschulausbildung obligatorisch vorschrieb, mit dem Extraordinariat für Pharmazie, das Hermann Thoms 1892 erhielt, und mit der Eröffnung des Pharmazeutischen Instituts in Berlin-Dahlem im Jahre 1902 waren stufenweise die Voraussetzungen für eine moderne Ausbildung von Pharmazeuten an der Berliner Universität geschaffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte das schwerbeschädigte Dahlemer Institut dank zahlreicher Initiativen und studentischen Engagements schon bald seinen Lehrbetrieb wieder aufnehmen; es wurde, ebenso wie andere in den Westsektoren gelegene Institute, nach Gründung der Freien Universität (1948/49) in diese integriert und stand darauf den Studierenden aus dem Ostsektor Berlins nicht mehr zur Verfügung.

Neuanfang in Weißensee

Nach zahlreichen Bemühungen und einer Interimslösung mit provisorischen Laboratorien in Berlin-Mitte gelang es schließlich, für die Studierenden der Humboldt-Universität in Berlin-Weißensee, auf dem Gelände einer ehemaligen Lackfabrik, ein Gebäude zur Verfügung zu stellen und Fritz Weiß mit der kommissarischen Leitung dieses Instituts zu beauftragen. Obwohl Laboratorien, Hörsaal und Verwaltungsräume buchstäblich aus Schutt und Trümmern errichtet werden mussten, konnte bereits zum Sommersemester 1950 mit der Immatrikulation von 30 vorexaminierten Apothekern der Studienbetrieb aufgenommen werden.

Festveranstaltung

Nach dem feierlichen musikalischen Auftakt mit Telemanns c-Moll-Sonate für zwei Oboen und Basso continuo erfolgte die Begrüßung durch den geschäftsführenden Direktor Prof. Dr. Borchert. Besonders begrüßt wurden als Vertreter der Behörde und Gremien: Dr. Mattern, Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen, der Präsident der Apothekerkammer Berlin, Herr Bartetzko, sowie Herr Wagner als Geschäftsführer des Berliner Apotheker-Vereins. Grußworte sprachen der Vizepräsident für Medizin der Humboldt-Universität, Prof. Dr. Presber, und der Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät I, Prof. Dr. Ronacher. Die Geschichte des Instituts wurde in zwei Teilen dargestellt: Em. Prof. Dr. Pfeifer referierte über die Zeit bis 1994; Prof. Dr. Borchert trug die Geschehnisse der letzten sechs Jahre vor und fasste die wissenschaftlichen Leistungen des Hauses zusammen. 1148 Pharmazeuten haben bisher das Institut verlassen, z.T. schon in der dritten Generation. Viele Gemeinsamkeiten, Erlebnisse und Erinnerungen konnten im Laufe der Vorträge Revue passieren. Vertiefend wird sich so mancher der Zuhörer im Nachhinein mit der Broschüre befasst haben, die von den beiden Referenten verfasst wurde und auf 58 Seiten die Weißenseer Pharmaziegeschichte widerspiegelt (die Broschüre kann auf Anfrage zugesandt werden).

Stolze Bilanz

Viele Aktivitäten, an denen die Mitarbeiter und Studenten partizipierten, hat dieses Institut in seiner relativ kurzen Existenz aufzuweisen. So gingen von hier wesentliche Impulse für die Entwicklung und Etablierung der Lehr- und Forschungsgebiete Pharmazeutische Technologie, Biopharmazie, Arzneimittelkontrolle/-analytik sowie Sozialpharmazie/Pharmakoepidemiologie aus. Auf dem Gebiet der Fort- und Weiterbildung waren Institutsangehörige sehr aktiv. Die insgesamt 371 Diplomanden, 185 Doktoranden und 17 Habilitanden lieferten wissenschaftliche Beiträge zu insgesamt ca. 1000 Original- und Übersichtsarbeiten, die in 76 verschiedenen Fachzeitschriften publiziert wurden. Mitarbeiter dieses Hauses waren als Mitautoren und Mitherausgeber von Büchern, Handbüchern, Monographien und Lexika tätig. Auf vier elementare Lehrbücher, die über die deutschen Grenzen hinaus bekannt sind, kann verwiesen werden. Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Mutschler, der 1998 die Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität erhalten hatte, hielt den Festvortrag über "Pharmakotherapie am Beginn des neuen Jahrtausends - Rückblick und Ausblick". Neben diesen hochinteressanten fachlichen Ausführungen fand Mutschler wohl akzentuierte Worte zur Situation des Instituts und appellierte allgemein an die Forschungsfreude der Pharmazeuten. Trotz des vollen Vortragsprogramms blieb ausreichend Zeit für Begegnungen, Wiedersehensfreude und Gespräche, besonders beim Absolvententreffen, das mit Imbiss und Getränken bei Kaiserwetter im Mensagarten der Kunsthochschule stattfand. Im Resümee war es eine gelungene Veranstaltung, die den Veranstaltern und Teilnehmern bei aller Traurigkeit wegen der bevorstehenden Institutsschließung auch ein wenig Stolz auf gemeinsam Erreichtes und Zugehörigkeit zu einer leistungs- und funktionstüchtigen Hochschuleinheit vermittelt hat. Vielleicht ist hiermit auch der Anstoß gegeben, dass sich die "Weißenseer" zu gegebener Zeit wiederum treffen und ihrer Historie gedenken. Für die verbleibende Zeit wünschen wir uns alle möglichst unbeeinträchtigte Arbeitsbedingungen, um den Doktoranden die Motivation zu erhalten und den nahezu noch 200 Studenten einen erfolgreichen Abschluss ihrer Studien garantieren zu können.

Kastentext

Geschichte des Instituts Eine von em. Prof. Dr. Pfeifer und Prof. Dr. Borchert verfasste Broschüre zur Geschichte des Pharmazeutischen Instituts in Berlin-Weißensee kann beim Institut angefordert werden: Goethestr 54, 13086 Berlin, Fax (030) 9248280

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