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Rezeptbetrug: Aus dem Bereich der organisierten Kriminalität
Aufhänger des Berichts ist der aktuelle Fall der Hirsch-Apotheke im ostfriesischen Städtchen Norden. Erst vor wenigen Tagen sei der "spezielle Service" dieser Apotheke aufgeflogen. Patienten konnten dort ihre Rezepte gutschreiben lassen und statt dessen "Bettwärmer, Antifaltencreme - oder Viagra" erhalten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits, es geht hier um einen geschätzten Schaden für die Krankenkassen von über 500 000 DM. Nach Ansicht des AOK-Bezirksdirektors von Ostfriesland sei dies wahrscheinlich doch nur die "Spitze des Eisbergs".
Dass das Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zum Betrug einlädt, bestätigt der Fahnder einer speziellen "Ermittlungsgruppe Abrechnungsbetrug" der AOK Niedersachsen. Die niedersächsische Untersuchungsgruppe, die zur Zeit etwa 650 Fälle bearbeitet, weiß, dass Abrechnungsbetrug auf Rezept nicht selten vorkommt: "Fast überall, wo wir genauer hingucken, finden wir auch was". Und Gabriele Heller, Hessens Kammerpräsidentin, räumt ein, dass man "schon einen guten Charakter haben muss, um dieser Versuchung zu widerstehen". Sie hat sich "als eine der wenigen Amtsträgerinnen" den Kampf gegen die schwarzen Schafe auf ihre Fahnen geschrieben.
Vom Mogeln bis zur Kriminalität
Bei den Rezeptbetrügereien handelt es sich laut Spiegel-Beitrag oft um enorme Beträge. Es gehe hier um "Summen wie in der Drogenkriminalität", so der AOK-Fahnder. Die Art des Betrugs reiche dabei vom Mogeln bis hin zur organisierten Kriminalität. Der "Spiegel" zeigt, "was so gut wie jeder macht", wie eine Kölner Apothekerin verrät: Bei ungenauer Lesart, ob hinter einer Arzneimittelpackung ein "L" (für 50) oder ein "C" (für 100) steht, entscheide man sich immer für das "C". Zum Teil werden Packungsgrößen auch aktiv verändert oder sogar weitere Medikamente hinzugeschrieben. Zu den "üblichen Tricks" gehöre auch, aus N 1 per Kugelschreiber eine N 2 oder N 3 zu machen.
Lukrativ sei auf diesem Gebiet auch die Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker, so beispielsweise die Ausstellung von "Luftrezepten", also die Ausstellung eines Rezepts, ohne dass der Patient etwas davon weiß.
Betrügereien gemeinsam mit Patienten
Zum Teil machen aber auch Apotheker und Patienten gemeinsam Betrügereien. Zitiert wird der Fall von HIV-infizierten Drogenabhängigen, die ihre Rezepte für hochpreisige Aids-Medikamente an Apotheker für DM 300,- das Stück verkauften. Es gebe sogar Apotheker, die skrupellos Schlepper vor Arztpraxen postierten, die gezielt Aids-Patienten auf diese deals ansprächen.
Die AOK-Ermittler fanden auch heraus, dass der gesamte Markt für hochpreisige Mittel in den Händen einiger weniger Apotheken liege, was auf Absprachen zwischen den verordnenden Ärzten und den liefernden Apothekern hindeute. Absprachen, bei denen auch Schmiergelder flössen.
Hinzu kämen Betrugsvarianten, bei denen als Vermittler zwischen Ärzten und Apothekern zwielichtige Servicefirmen auftreten, die zusätzlich von den falsch abgerechneten Rezepten profitierten. In diesem Zusammenhang sei bereits in Lüneburg ein Pharmavertreter mit seiner Firma aufgefallen, der allerdings mittlerweile untergetaucht sei. Allein in diesem Fall belaufe sich der geschätzte Schaden auf 4 Mio. DM.
Sogar zu Gewalttaten sei es in Einzelfällen gekommen. So berichtet Frau Heller, dass einem Kollegen, der ausgepackt habe, das Wochenendhäuschen angezündet worden sei.
Kontrollen haben sich gelohnt
Die Kontrollen der niedersächsischen AOK haben sich bereits gelohnt, berichtet der "Spiegel". Jedes Mitglied der Ermittlungsgruppe habe im vergangenen Jahr Schäden in Höhe von 1,2 Mio. DM aufgedeckt, andere Krankenkassen würden derzeit nur stichprobenartig Plausibilitätskontrollen durchführen, wobei viele Betrügereien nicht ans Tageslicht kämen.
Hessens Kammerpräsidentin hat sich mittlerweile mit Vertretern der Ermittlungsgruppe der AOK Niedersachsen getroffen, um gemeinsame Strategien auszuarbeiten.
"Durch Betrug mit Rezepten werden die Krankenkassen jedes Jahr um Millionen geprellt. Ein Fahnder der AOK Niedersachsen: Viele dieser Machenschaften gehören in den Bereich der organisierten Kriminalität." Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet in seiner Ausgabe 33 über den "Schwindel auf Rezept".
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