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ABDA: Versand bleibt verboten
Sicheres nicht erst unsicher machen
Dr. Johannes Pieck mahnte die Einhaltung bestehenden Rechts an. Das Versandhandelsverbot, 1998 expressis verbis im Gesetz verankert, gelte uneingeschränkt, auch für den Versand aus dem Ausland nach Deutschland. Pieck kritisierte offen die Bundesgesundheitsministerin. Es gehe nicht an, erst einen Gefährdungstatbestand durch Internetapotheken zuzulassen und dessen Risiken hinterher zu minimieren. Ein sicherer Versorgungsweg müsse nicht erst unsicher gemacht werden. Dies bezog sich auf Äußerungen von Andrea Fischer auf dem letzten Deutschen Apothekertag in Köln, wonach die Apotheker dem Internethandel offensiv begegnen sollten, da dieser sowieso komme, der Arzneiversand müsse lediglich sicherer gemacht werden, so ihr Credo.
Andrea Fischer solle aus Gründen des Verbraucherschutzes gegen den illegalen Versandhandel tätig werden, forderte Pieck. Ansonsten müsse die SPD als der größere Partner in der Bundesregierung die grüne Ministerin in ihrer diffusen Haltung zu Internetapotheken stoppen. Scharf wurde zudem der Vorschlag von Fischer nach einer "bequemen" Arzneiversorgung als Zeitgeist abgelehnt. Der Jurist kritisierte erneut die Landesjustizministerien, die mit nicht haltbaren Begründungen den Versand von Arzneimitteln an Justizvollzugsanstalten zuließen.
Schritte gegen DocMorris
Pieck gab sich zuversichtlich, dass die Internetapotheke DocMorris gerichtlich gestoppt werden könne. Am 26. Oktober wird die einstweilige Verfügung, angestrengt unter anderem durch den Deutschen Apothekerverband, am Landgericht in Frankfurt/Main behandelt. Das jüngste Rechtsgutachten für die Internetapotheke sichert seiner Meinung nach die virtuelle Apotheke nicht ab, da es einen klassischen Umgehungstatbestand beschreibe, für den das Versandverbot ebenfalls gelte. Die gültige Rechtslage müsse beachtet werden, so Pieck an die Adresse von DocMorris, unabhängig davon, ob man diese für obsolet halte. Der Einzelimport auf Wunsch eines Patienten aufgrund ärztlicher Verordnung und mit erheblicher Dokumentation verbunden, dürfe nicht zur Regelversorgung auf Dauer werden. "Schizophren" ist für den ABDA-Repräsentanten die Aufregung wegen einiger noch nicht nachzugelassener Präparate auf dem deutschen Markt einerseits und die Einfuhr teils nichtzugelassener Arzneimittel zur Realisierung von Preisunterschieden andererseits. Pieck wies auf die grundsätzliche Bedeutung des Versands hin. Werde das Versandhandelsverbot aufgehoben, müsse auch die Bestellung per Fax oder Brief zugelassen werden.
DocMorris baut aus
In Düsseldorf erläuterte Jacques Waterval, im Vorstand von DocMorris, das Vorgehen. Seit dem 17. Oktober hat DocMorris sein Angebot von rund 350 Präparaten um 800 auf 1150 ausgeweitet. Die Bestellungen kommen über das Internet, über Fax oder Brief, wobei bei verschreibungspflichtigen Medikamenten immer das Originalrezept vorgelegt werden müsse. Nach logischer und pharmazeutischer Kontrolle werde die Lieferung zusammengestellt und erhalte nach der Ausgangskontrolle ein eigenes Label. Storniert wurde laut Waterval beispielsweise die Bestellung von Viagra mit zwei Kreislaufmitteln auf einem Rezept. Die Auslieferung erfolge per Post oder durch Boten bei Empfang gegen Quittung. Waterval gab wie sein Marketingleiter Jens Apermann das wirtschaftliche Interesse als Hauptantrieb zu.
Freiverkäufliche Präparate brächten keinen großen Ertrag und würden in den Niederlanden zu 80 Prozent in Drogeriemärkten abgegeben. Daher habe man sich zunächst auf wenige lukrative Arzneimittel beschränkt. Waterval rechnet mit einer sich ändernden Gesellschaft, die immer weniger "Tante-Emma-Apotheken" verlange. Anvisiert wird der "mündige Patient", ergänzte Apermann.
Zoff vorprogrammiert
Beim Versand nach Deutschland werden die hier anfallenden Zuzahlungen der Patienten weggelassen. Das sei wettbewerbswidrig, so die Reaktion von Dr. Johannes Pieck von der ABDA darauf. Auch Dr. Hans Jürgen Ahrens vom AOK-Bundesverband kritisierte den Wegfall der Selbstbehalte als Ungleichbehandlung. Ansonsten sprach sich der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands für einen offenen Umgang mit Internetapotheken aus, mit der einen Einschränkung, dass Rezeptpflichtiges nur gegen Vorlage eines Rezepts geliefert werde. Das Angebot von DocMorris werde zunächst geprüft, hieß es.
Angebot an Kassen
Wie berichtet, geht die niederländische Internetapotheke offensiv auf deutsche private Krankenversicherungen und gesetzliche Krankenkassen (GKV) zu (DAZ Nr. 42 vom 19. 10. 2000). Während die gesetzlichen Kassen primär Kostenreduktion vor Augen hätten, dächten die privaten Krankenversicherungen strategisch und seien in ihren Überlegungen schon weiter. GKV-Versicherten wurde in jedem Fall Rücksprache mit der Kasse empfohlen.
Unbekannte Lieferverträge
Die Abrechnungsproblematik mit der GKV habe man sich zwar einfacher vorgestellt, so Apermann, sie sei jedoch lösbar. Befragt zu Lieferverträgen, wie sie der Deutsche Apothekerverband mit der GKV schloss, gab der Marketingleiter zu, hier gebe es womöglich Hürden, die man noch nicht kenne.
Wieviel Mehrwertsteuer?
Seien die Medikamente zunächst mit dem holländischen Mehrwertsteuersatz (sechs Prozent) nach Deutschland verschickt worden, habe man nun neu kalkuliert und jetzt 16 Prozent Mehrwertsteuer sowie Versandkosten berücksichtigt. Trotzdem seien die Präparate um durchschnittlich 17 Prozent günstiger als bei uns, im Extremfall bis 60 Prozent. Apermann gab in Düsseldorf auch die Kooperation mit dem Internetbuchhändler amazon.de als Kapitalgeber bekannt. Er bestätigte, dass DocMorris zur Zeit Arbitrage-Geschäfte nutze, also die unterschiedlichen Preise in Europa, bedingt durch die unterschiedlichen Sozialsysteme und Maßnahmen wie Preisfestsetzungen. Bei einer Vereinheitlichung des Markts würde das wegfallen, so seine Prognose, und die Internetapotheke müsse sich dann durch Qualität gegen andere behaupten.
Internetapotheke wie Reimporteur behandeln
Die Apotheker sollten die via Internet versendeten Präparate so kritisch wie importierte Arzneimittel begutachten. Das vertrat Erich Dambacher vom Unternehmen Aventis Pharma Deutschland. Es komme vor, dass zugelassene Medikamente hier nicht verkehrsfähig seien, weil beispielsweise die deutsche Beschriftung fehle oder der für Deutschland vorgesehene Beipackzettel.
Präsenz aufbauen
Die Apotheken müssen in naher Zukunft im Internet eine kompetente Präsenz aufbauen und E-Commerce im Rahmen des gesetzlich möglichen integrieren. Dazu ermunterte auf der Veranstaltung Unternehmensberater Ottmar L. Mergel. Seine Vision: Es gibt ein Gesundheitsportal mit einem breiten Bekanntheitsgrad, unter dem sowohl Gesundheitsinformationen, ein Apotheken-Finder mit Links zu Apotheken-Sites als auch Produkte mit Links zu Produkt-Sites zu finden sind. Würden alle rund 21 000 Apotheken etwa durch ein Schild an der Tür auf diese "Dach-Domain" hinweisen, entstünde bei nachgewiesener Qualität ein Werbedruck, den andere so womöglich nicht erreichten. Allerdings müssten sich alle Angebote, etwa das vom Deutschen Apothekerverband für Frühjahr 2001 angekündigte Portal mit professionellen Portalen wie dem des Unternehmens Bertelsmann (www.lifeline.de) messen. Die Pharmazeuten haben laut Mergel durch ihr positives Image die Chance, die Kompetenzführerschaft in Gesundheitsfragen im Internet aufzubauen. Eine solche allumfassende Gesundheitsplattform wie oben skizziert gebe es zur Zeit nicht. Aus Sicht des surfenden Verbrauchers seien die vorhandenen Angebote im Internet nur schwer zu finden und auf ihre Tauglichkeit zu sichten.
Landgericht Hamburg: Einstweilige Verfügung gegen DocMorris
Per Einstweiliger Verfügung hat das Landgericht Hamburg der niederländischen Internet-Apotheke DocMorris ("Apotheek van Wersch B. V.") untersagt, "im Wege des Versandhandels in Deutschland das verschreibungspflichtige, jedoch dort nicht zugelassene Arzneimittel Amaryl zu importieren, insbesondere auf dem Postwege nach Deutschland zu versenden" und für das Arzneimittel zu werben bzw. werben zu lassen. Die Verfügung, die auf Antrag von Aventis Pharma Deutschland erging, erfolgte unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu DM 500 000,-, ersatzweise Ordnungshaft.
Ein Hauptsacheverfahren von Aventis gegen DocMorris vor dem Landgericht Hamburg ist in Vorbereitung.
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