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Reaktionen auf Verordnungsreport: Wiederholung von Klischees

BONN (im). Die Kritik an den pharmazeutischen Herstellern durch die Herausgeber des Arzneiverordnungsreports (AVR) wurde durch zwei Industrieverbände zurückgewiesen. Im Gegensatz dazu wiesen die Spitzenverbände der Krankenkassen auf "erhebliche ungenutzte Wirtschaftlichkeitsreserven" hin, die der Report bundesweit auf 8,2 Milliarden Mark geschätzt habe (siehe AZ Nr. 46 vom 13.11.)

Die Kritik an der Industrie als Kostentreiber in der gesetzlichen Krankenversicherung und die behaupteten Einsparvolumina in Milliardenhöhe seien die Wiederholung alter Klischees, so der Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) am 7. November in Bonn. Dabei seien gerade die Arzneimittelausgaben gemessen an anderen Bereichen nur unterdurchschnittlich gestiegen, was die Zahlen im diesjährigen AVR belegten. Der BAH verweist darüber hinaus auf den offenkundigen Widerspruch bei der Bewertung der Daten durch die Herausgeber des Reports einerseits und den Ärzterepräsentanten andererseits. Denn Dr. Jürgen Bausch von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sah keine großen Wirtschaftlichkeitsreserven im Arzneibereich unter Verweis auf die den bereits sehr hohen Generikaanteil sowie den seit Jahren sinkenden Anteil "umstrittener" Medikamente mehr. Der BAH zitiert zudem Äußerungen von Dr. Hermann Schulte Sasse vom Bundesgesundheitsministerium. Zur Rechtssicherheit der Festbeträge und der Arzneimittelrichtlinien habe Schulte-Sasse ausgeführt, dass deren Rechtswegzuweisung an die Sozialgerichte politisch motiviert sei, um den Weg zum Kartellrecht zu verhindern. Der BAH kündigte eine Kartellbeschwerde dagegen bei der Europäischen Kommission an.

Nur theoretisches Einsparpotenzial

Als aus der Luft gegriffen hat Cornelia Yzer das von den Autoren des AVR geschätzte Einsparpotenzial von 8,2 Milliarden Mark zurückgewiesen. Die Einsparpotenziale bei der Verordnung so genannter umstrittener Arzneimittel, von Generika und von Me-too-Präparaten seien weitgehend ausgeschöpft oder aber nur theoretischer Natur, so die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) am 7. November in Berlin.

Über 70 Prozent Generika

Seien zwischen 1996 und 1997 die Zahl der Verordnungen und der Umsatz der "Arzneimittelgruppen mit umstrittener Wirksamkeit" um über 20 Prozent zurückgegangen, habe es zwischen 1997 und 1998 weitere Rückgänge (minus 6,7 Prozent bei der Zahl und minus fünf Prozent beim Umsatz) gegeben. Dieser Trend halte an. Bei der Verordnung von Generika stehe Deutschland weltweit an der Spitze. Im generikafähigen Markt liege der Verordnungsanteil mittlerweile bei über 70 Prozent.

Schrittinnovationen wichtig

Obwohl der Arzneiverordnungs-Report neue Therapien und Innovationen würdige, verkenne er die Bedeutung der Schrittinnovationen. Deren Bedeutung ist laut Yzer weltweit unstrittig, so bestehe etwa die Hälfte der Essential-Drug-List der Weltgesundheitsorganisation aus diesen Produkten. Darüber hinaus trügen die so genannten Me-toos zum Preiswettbewerb im Gesundheitswesen bei. Dies bedeute erhebliche Einsparungen. Als Beispiel wurde auf eine Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen (WidO) verwiesen, der zu Folge 1998 Arzneimittel mit einem neuartigen Wirkstoff oder einem neuartigen Wirkprinzip 162,09 Mark je Verordnung kosteten, während Wirkstoffe mit einer Verbesserung bereits bekannter Wirkprinzipien im Durchschnitt um rund 17 Prozent (134,33 DM) darunter gelegen hätten. Noch preisgünstiger seien Weiterentwicklungen mit geringen Unterscheiden zu eingeführten Wirkstoffen (115,96 DM). Allerdings werde die Situation für die Ärzte unter dem Druck der Arzneimittelbudgets schwieriger. Verzögerte, eingeschränkte oder unterbleibende Verordnungen von Arzneimittelinnovationen seien die Folge, sagte Yzer. So kompensiere der im Report aufgeführte Verordnungsanstieg bei innovativen Arzneimittelgruppen - etwa gegen Bluthochdruck und Herzinfarkt - nicht die Unterversorgung bei diesen und weiteren Indikationen.

Sparsame Regionen?

Die VFA-Hauptgeschäftsführerin ging darüber hinaus auf die unterschiedliche Ausschöpfung der Arzneibudgets in den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen ein. Hier sei es bezeichnend, dass - von Stadtstaaten abgesehen - Budgetüberschreitungen in Regionen mit niedrigen Krankenhaus-Fallkosten vorkamen (zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen oder Thüringen). Anderseits seien die Krankenhaus-Fallkosten in Ländern mit niedrigen Arzneimittelausgaben hoch (Baden-Württemberg oder Hessen). Das laufe dem Grundsatz ,so viel ambulant wie möglich, so viel stationär wie nötig' zuwider. Die Budgetierung bedeutet laut Yzer die einseitige Diskriminierung der Arzneimitteltherapie und fördert das "Verschieben teurer Patienten" in die Kliniken.

Kassen: rational Verordnen

Nach Ansicht der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen zeigt der Report noch ein Milliarden-Sparpotenzial bei den Verschreibungen. Es gebe einen erheblichen Bedarf für Verordnungsumstellungen zugunsten einer rationalen und ökonomischen Arzneimitteltherapie. 1999 sei der Gesamtumsatz mit Arzneimitteln in der GKV um 2,9 Prozent auf den Rekordwert von 36,8 Milliarden Mark gestiegen, ein Ausgabenzuwachs von rund 1,1 Milliarden Mark. Während die Ärzte seltener zum Rezeptblock griffen (minus 3,0 Prozent), hätten sie jedoch deutlich teurer verordnet (plus 6,1 Prozent). Aber auch die Kassen konstatieren, dass die Ärzte mehr preiswerte Generika und weniger "umstrittene" Arzneimittel verordneten. Nach ihren Auswertungen gebe es jedoch starke regionale Unterschiede bei den Verordnungskosten. Die Spitzenverbände der Krankenkassen hätten den Ärzten angeboten, notwendige Umstellungen gemeinsam durch eine differenzierte Verordnungsempfehlung zu den regionalen Budgetverhandlungen zu unterstützen.

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