Antibiotika

P. NuhnResistenz – Wie sich Mikroorganismen ge

Die Entwicklung der Resistenz gehört zu den Anpassungsmechanismen der Organismen, ohne die eine Entwicklung des Lebens nicht möglich gewesen wäre. Die Auseinandersetzung von Mikroorganismen mit den Antibiotika ist ein Beispiel dafür. Die Antibiotika üben einen Selektionsdruck auf die Mikroorganismen aus, der die Dynamik der Resistenzentwicklung bestimmt. Der Selektionsdruck ist dort besonders groß, wo viel mit Antibiotika umgegangen wird, also in Krankenhäusern und in der industriellen Tierproduktion. Dadurch kommt es zur Ausbildung eines Genpools an resistenten Bakterien, die über die Nahrungskette oder über Schmierinfektionen auf den Menschen übertragen werden (Abb. 1).

Erworbene Resistenz

Die Empfindlichkeit humanpathogener Bakterien und anderer Pathogene gegenüber antibiotisch wirksamen Substanzen (hier zusammenfassend als Antibiotika bezeichnet) ist unterschiedlich. Eine genetisch fixierte Unempfindlichkeit wird als natürliche Resistenz bezeichnet. Die Kenntnis dieser natürlichen Antibiotika-Empfindlichkeit ist für die Beurteilung des Wirkungsspektrums eines Antibiotikums entscheidend.

Daneben gibt es noch eine erworbene Widerstandsfähigkeit der Organismen gegen Antibiotika (erworbene Resistenz), die sich in einer empfindlichen Population sowohl ohne vorherigen Kontakt mit dem Antibiotikum (primäre Resistenz) als auch nach Antibiotikum-Einsatz (sekundäre Resistenz) entwickeln kann. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dieser erworbenen Resistenz und den damit verbundenen Problemen.

Ausbreitung der Antibiotika-Resistenz

Mit der Einführung der Sulfonamide 1934/35 und der ersten Antibiotika (Aminoglykoside, Penicillin G) in den 40er-Jahren entstand die Illusion, zumindest die bakteriell induzierten Infektionen unter Kontrolle zu haben. Noch in den 80er-Jahren hatte man aufgrund epidemiologischer Untersuchungen den Eindruck, dass sich die Zahl resistenter Bakterien nicht erhöht.

In den 90er-Jahren kam es jedoch zu einem beträchtlichen Anstieg schwer behandelbarer bakterieller und viraler Infektionen, die auf die Entwicklung von Resistenzen zurückzuführen war. Das betrifft nicht nur die Zunahme von Resistenzen gegenüber einzelnen Chemotherapeutika, sondern auch das verstärkte Auftreten multiresistenter Keime. Dazu gehören z. B. nicht mehr behandelbare Infektionen durch Pseudomonas aeruginosa, Burkholderia cepacia und Enterococcus faecium sowie multiresistente Tuberkuloseerreger.

Von besonderer Bedeutung sind dabei die nosokomialen Infektionen (im Krankenhaus erworbene Infektionen, Hospitalinfektionen), die in den letzten Jahren vor allem durch grampositive Kokken (Koagulase-negative Staphylokokken, St. aureus, Enterokokken) und Candida spp. hervorgerufen werden, während Infektionen durch gramnegative Bakterien abgenommen haben [1]. Bei den gramnegativen Keimen hat die Resistenzentwicklung deutlich zugenommen. Zu den Problemkeimen gehören Oxacillin-resistente Staphylokokken, Vancomycin-resistente Enterokokken, Fluconazol-resistente Candida spp. sowie multiresistente gramnegative Stäbchen (Pseudomonas, Citrobacter, Acinebacter).

Zu den prädisponierten Personen gehören multikatheterisierte und immunsupprimierte Patienten, Patienten mit langen, komplizierten Operationen sowie Patienten an der Hämofiltration. Dazu kommt, dass die Abwehrkraft unseres Immunsystems mit zunehmendem Alter abnimmt. Ein besonderes Problem besteht bei der Tuberkulose. Mycobacterium tuberculosis wächst extrem langsam (Verdopplungszeit von ca. 24 h), ist durch die Abkapselung für Arzneistoffe schwer erreichbar und verfügt über eine extrem lipophile Zellwand [2, 3]. Dadurch muss sich die Chemotherapie über Monate erstrecken. Tuberkulose gehört zu den wichtigsten opportunistischen Infektionen von AIDS-Patienten. Gegenwärtig entwickelt sich weltweit wieder eine große Tuberkulosewelle (vgl. [4]). Die Zahl multiresistenter Keime, gegen die es keine Behandlungsmöglichkeiten mehr gibt, nimmt zu.

Genetische Grundlagen

In allen Fällen sind Proteine die eigentlichen resistenzerzeugenden Faktoren, zu deren Biosynthese die entsprechenden Gene erforderlich sind. Die bei resistenten Formen veränderten Gene müssen für molekularbiologische Untersuchungen der Resistenz unter den rund 2000 Genen eines Bakteriums identifiziert werden. Fortschritte bei der Aufklärung der Resistenzmechanismen waren in den letzten Jahren insbesondere möglich durch die Polymerase-Kettenreaktion, durch das Klonieren der Gene und den Einsatz monoklonaler Antikörper gegen resistenzerzeugende Proteine.

Wo kommt nun die genetische Information für die Biosynthese dieser Resistenzfaktoren her? Dazu gibt es folgende Möglichkeiten:

  • Die Gene sind bereits vorhanden und werden nur verstärkt abgelesen (Induktion latenter Gene, Genamplifikation).
  • Die vorhandenen Gene werden durch Mutationen verändert, wobei - Basensubstitutionen als Transversion oder Transition und dadurch Veränderungen einzelner Codes, - Rasterverschiebungen durch Verlust oder Einschub eines Basenpaares mit meist drastischen Veränderungen der Kodierung oder <- Verlagerungen von "springenden/transponiblen" Genen (Transposonen) innerhalb der Chromosomen eintreten können.
  • Die resistenzerzeugenden Gene werden zwischen Zellen durch Konjugation übertragen (Austausch genetischen Materials), wobei die resistenzerzeugenden Gene von Plasmiden (R-Faktor-Plasmide, extrachromosomale DNA von Bakterien) oder aus dem Chromosom einer anderen Zelle (über Transposone) stammen können. Konjugation durch Plasmidtransfer findet vor allem in Enterobacteriaceen, Pseudomonas und Anaerobiern statt.

    Die Mutationsrate ist besonders groß bei den Viren. Es wurde berechnet [5], dass in einem typischen HIV-Infizierten jeden Tag etwa 109 neue Zellen infiziert werden und zwischen 104 und 105 Single-point-Mutationen pro Patient und Tag stattfinden.

    Allgemeine Resistenzmechanismen

    Biochemisch kommt der Verlust der Wirkung eines Antibiotikums ganz allgemein dadurch zustande, dass der Wirkstoff durch enzymatische Inaktivierung, fehlende Aktivierung oder gehemmten Transport nicht mehr an die zu hemmende Zielstruktur im Infektionserreger gelangt oder dass die Zielstruktur (Bindeproteine) des Antibiotikums im Infektionserreger verändert wurde. Im Folgenden sollen die einzelnen Möglichkeiten diskutiert werden. Ausführlichere Darstellungen zu den Resistenzmechanismen spezieller Erregergruppen sind in neueren Übersichtsartikeln zu finden (Bakterien [6], Mykobakterien [2, 3], Protozoen [7, 8], Viren [9 - 11]).

    Resistenz durch erhöhte Aktivität inaktivierender Enzyme

    Die Inaktivierung von Arzneistoffen kann auf verschiedenen Wegen erfolgen:

  • durch Hydrolyse sensibler Gruppen wie - der β-Lactamstruktur bei den β-Lactam-Antibiotika (Penicilline, Cephalosporine) durch β-Lactamasen und weitere Hydrolasen (Abb. 2) oder - der Lactonbindungen von Depsipeptiden (Streptogramine der B-Gruppe) durch Depsipeptid-Hydrolasen;
  • durch Blockierung funktioneller Gruppen der Antibiotika durch Acylierung (Angriff von Transferasen), z. B. - durch Acetylierung bei Streptograminen der A-Gruppe, bei den Aminoglykosid-Antibiotika und beim Chloramphenicol (Abb. 3) und - durch Phosphorylierung bei den Aminoglykosid-Antibiotika und den Lincosamiden.

    Resistenz durch das Fehlen aktivierender Enzyme

    In vielen Fällen muss der Arzneistoff erst in vivo in den eigentlichen Wirkstoff umgewandelt werden, d. h., der Arzneistoff ist eigentlich ein Prodrug. Eine Resistenz durch verminderte Aktivierung wurde beobachtet

  • bei Nucleosid-Antimetaboliten (azyklische Antimetaboliten vom Aciclovir-Typ), die gegen Herpesviren wirksam sind und erst durch die virale Thymidylat-Kinase aktiviert werden müssen (Resistenz durch Mutation des Thymidylat-Kinase-Gens (Abb. 4),
  • bei den Schistosomiasis-Mitteln Hycanthon und Oxamniquin,
  • bei Isoniazid (Abb. 5) und dem ähnlich wirkenden Ethionamid. Eine verringerte Aktivierung ist auch der Grund für die Resistenz gegen Metronidazol bei Trichomonas und Giardia.

    Resistenz durch Veränderung der Membranfunktion

    Veränderungen des Transportes durch Zellwand oder Zellmembran können das Eindringen des Arzneistoffes in die Zelle erschweren oder aber den eingedrungenen Arzneistoff aktiv wieder aus der Zelle transportieren. Ein besonderes Problem stellen die gramnegativen Bakterien dar, die (im Unterschied zu den grampositiven Bakterien) nur über eine relativ dünne Murein-Schicht verfügen, darüber aber eine äußere Membran mit stark lipophilen Lipopolysacchariden besitzen. Das ist der Grund, weshalb etwa 80% der Antibiotika nicht gegen gramnegative Bakterien wirksam sind.

    Hydrophile Pharmaka können die äußere Membran der gramnegativen Bakterien nur durch Kanäle passieren, die von Proteinen, den Porinen, gebildet werden. Das wichtigste Porin von E. coli ist OmpF. Bei den gramnegativen Bakterien sind diese Kanäle über ein Membranfusionsprotein mit einer Energie(ATP)-abhängigen Transmembranpumpe zu einer "multidrug efflux pump" verbunden (Abb. 6). Allein in E. coli wurden Gene für mindestens fünf solche multidrug efflux pumps und bis zu 18 einfache oder multiple Molekülpumpen gefunden (s. [12]).

    Bei der Imipenem-Resistenz von Pseudomonas aeruginosa kommt es zu einem Verlust des relativ spezifischen Porins OprD-2, durch das im Wesentlichen die Diffusion der Peneme und Carbapeneme durch die bakterielle Zellwand erfolgt. In den USA sind bereits etwa 15% der Stämme resistent gegenüber Imipenem.

    ATP-abhängige Molekülpumpen wurden in der Evolution entwickelt, um Zellen vor Xenobiotika zu schützen, und finden sich deshalb sowohl in Bakterien und Protozoen als auch in menschlichen Tumorzellen. Die Pumpen sind verantwortlich für die Multidrug-Resistenz (MDR) von Krebszellen gegen Zytostatika, sie sind aber auch an der Resistenz gegen Tetracycline, Makrolide und Chinolone sowie gegen Emetin (bei Entamoeba) oder gegen Mefloquin und Chloroquin (bei Plasmodium) beteiligt.

    Die Molekülpumpen gehören zur Gruppe der ABC-Transporter. Die wichtigsten Gruppen bei den Säugetieren sind die P-Glykoproteine (Pgp) und die MDR-assoziierten Proteine (MRP, dazu auch der multispecific anion transporter). Die Resistenz von Tumorzellen oder Protozoen ist auf eine Amplifikation und Überexpression der entsprechenden Gene zurückzuführen. Bemerkenswert ist, dass das vielverwendete Desinfektionsmittel Triclosan eine übermäßige Biosynthese der "Multidrug-Efflux-Pumpe" auslöst und damit eventuell auch Resistenzen gegen Antibiotika [13]. Der Multitransporter Pgp ist auch im Darm präsent und beeinflusst die Bioverfügbarkeit oral applizierter Arzneistoffe.

    Der Efflux von Tetracyclinen (TET) wird durch Plasmid- oder Transposon-kodierte TET-Proteine hervorgerufen. Bei den TET-Proteinen handelt es sich um eine Familie von 42-kD-Membranproteinen, die als Membran-assoziierte Efflux-Systeme wirken und damit die intrazelluläre Tetracyclin-Akkumulation verhindern. TET-Proteine der Klassen A bis E werden in Enterobakterien, solche der Klassen K und L in grampositiven Bakterien gebildet.

    Resistenz durch Veränderung der Targets

    Beispiele für eine Resistenz durch Veränderung der Angriffsstelle des Antibiotikums (target site-Modifizierung) sind

  • die Methylierung eines Adeninrestes der 23S-Ribosomen des Peptidyltransferasezentrums, der Angriffsstelle der MLS-Antibiotika (Abb. 7),
  • der Austausch des D-Ala-D-Ala-Restes, der Bindungsstelle der Glykopeptid-Antibiotika (Vancomycin), durch einen D-Ala-D-Lactat-Rest bei Vancomycin-resistenten Keimen (Abb. 8),
  • komplexe Veränderungen der Penicillin-bindenden Proteine (PBP), der Targetstrukturen der β-Lactam-Antibiotika,
  • Aminosäuresubstitutionen - der Gyrase bzw. Topoisomerase IV als Targetstrukturen der Gyrasehemmer, - der Dihydrofolat-Reduktase/Thymidylat-Synthase von Plasmodium spp., - der HIV-Protease oder der Reversen Transkriptase von HIV.

    Resistenzen gegen β-Lactam-Antibiotika

    Die antibakterielle Wirkung der β-Lactam-Antibiotika (Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme, Carbacepheme, Monobactame) beruht auf einer Hemmung der Biosynthese der bakteriellen Zellwand. Targets der β-Lactam-Antibiotika sind die chromosomal kodierten Penicillin-bindenden Proteine (PBP), die bei der Quervernetzung des Mureins, der Grundstruktur der bakteriellen Zellwand, eine entscheidende Rolle spielen. Jede Bakterienspezies besitzt einen bestimmten Satz von PBP, die durch entsprechende PBP-Gene kodiert werden.

    Die PBP besitzen mehrere Domänen, darunter eine Penicillin-Bindungsdomäne. Sie werden anhand von Homologievergleichen in drei Klassen eingeteilt:

  • höhermolekulare (hmm) PBP der Klassen A und B (z. B. PBP2x) sowie
  • niedermolekulare (lmm) PBP. Als wichtigste Wechselwirkungspartner der β-Lactam-Antibiotika werden die hmm PBP angesehen. Ähnlich wie bei den β-Lactamasen findet sich aktives Serin im aktiven Zentrum, weshalb β-Lactamasen und PBP auch als Penicilloyl-Serin-Transferasen zusammengefasst werden.

    Als Resistenzmechanismen wurden für die β-Lactam-Antibiotika die Inaktivierung durch spaltende Enzyme (β-Lactamasen und Acylasen bzw. Amidasen; bei Cephalosporinen auch durch Esterasen, s. Abb. 2) und Veränderungen in den PBP ermittelt [14]. Von klinischer Relevanz ist vor allem die Hydrolyse des β-Lactamrings durch die β-Lactamasen.

    β-Lactamasen [15] sind in Bakterien und Pilzen weit verbreitet. Bisher wurden über 190 klinisch relevante Vertreter beschrieben. Ihre Klassifizierung erfolgt nach ihrer Funktionalität (Differenzierung durch unterschiedliche Wechselwirkung mit Substraten und Inhibitoren) oder nach ihrer molekularen Struktur in zwei Hauptgruppen:

  • Serinenzyme mit Serin im aktiven Zentrum (Klassifikation nach Ambler: Gruppen A, B und die seltene D) sowie
  • Metalloenzyme mit Zink im aktiven Zentrum (Gruppe C).

    Von größter klinischer Bedeutung sind die Gruppen A und C. Zur Gruppe A gehören TEM (benannt nach dem griechischen Mädchen, von dessen E. coli-Stamm diese β-Lactamase isoliert wurde), SHV (Sulfhydryl-variabel) und PSE (isoliert aus Pseudomonas); sie sind Plasmid-vermittelt, hydrolysieren vorwiegend Penicilline und kommen vor allem in grampositiven Bakterien (z. B. Staphylokokken) vor. Im Unterschied dazu sind die β-Lactamasen der Gruppe C Chromosomen-vermittelt, hydrolysieren hauptsächlich Cephalosporine und kommen vor allem in gramnegativen Stäbchen (z. B. Enterobakterien, Pseudomonas) vor.

    Bei gramnegativen Bakterien sind die β-Lactamasen im periplasmatischen Raum zwischen innerer und äußerer Membran der Zellwand lokalisiert. Grampositive Bakterien geben β-Lactamasen nach außen ab und schützen so ganze Populationen. Die wirksame Dosis der Antibiotika hängt damit von der Anzahl der Bakterien ab. Der Selektionsdruck durch den Einsatz der β-Lactam-Antibiotika hat zu zahlreichen Mutationen bekannter Enzyme (z. B. TEM, SHV, Oxacillinasen) und zur Entwicklung von Enzymen mit breiterem Spektrum (ESBL) geführt. Carbapeneme werden von ESBL nicht zerstört. Monobactame sind stabil gegen β-Lactamasen. Eine β-Lactamase-Aktivität kann u.a. mit Hilfe chromogener Peneme wie z. B. PADAC (Abb. 9) ermittelt werden.

    In Europa sind etwa 14% der Stämme von H. influenzae und über 80% der Stämme von M. catarrhalis (gemeinsam mit Str. pneumoniae Erreger der chronischen Bronchitis) β-Lactamase-Produzenten. Die höchste Rate an Penicillin-resistenten Str. pneumoniae-Stämmen wurde in Spanien (1990: 40%) und Ungarn (1990: über 50%) gefunden. In Deutschland lag die vergleichbare Rate bei unter 10%.

    Bei 60 bis 80% der Staphylokokken ist die Resistenz auf β-Lactamasen zurückzuführen. Neuerdings sind in Staphylokokken auch β-Lactamasen gefunden worden, die "stabile" Penicilline spalten (Methicillinasen). Methicillin-resistente St. aureus-Stämme (MRSA), darunter epidemiologische Stämme (EMRSA), sind wichtigste Verursacher nosokomialer Infektionen; dazu gehören auch Methicillin-resistente, Koagulase-negative Staphylokokken (MRCNS) von immunsuppri- mierten Patienten.

    Bei Streptokokken wird die Resistenz meist durch Veränderungen in den PBP hervorgerufen (chromosomal vermittelt). Die Veränderungen sind komplexer Art und betreffen nicht nur ein PBP. Es kommt zu Mosaikgenen, wahrscheinlich als Ergebnis eines Gentransfers zwischen verwandten Spezies und anschließender Rekombination in das Chromosom (Abb. 10). Folge ist die Induktion von PBP mit geringerer Affinität zu den β-Lactam-Antibiotika (low affinity penicillin binding protein), so des PBP5, das bei Ampicillin-resistenten Enterokokken eine Rolle spielt. Die Resistenz von Pneumokokken, der heute häufigsten Erreger von Atemwegserkrankungen, ist ebenfalls auf Veränderungen der PBP zurückzuführen. Das mecA-Gen kodiert das MRSA-spezifische PBP2 mit reduzierter Bindungsaffinität gegenüber β-Lactam-Antibiotika. Bei Pseudomonas aeruginosa erfolgt der Transport von Penemen und Carbapenemen (Imipenem) durch die Zellwand über Diffusion durch das Porin OrpD-2. Resistenz tritt durch Verlust dieses relativ spezifischen Transportproteins ein.

    MLS-Antibiotika

    Als MLS-Antibiotika werden Antibiotika zusammengefasst, die an den bakteriellen Ribosomen und damit an der Proteinsynthese angreifen. Sie sind nach den Initialen der folgenden Gruppen benannt:

  • Makrolide (14-gliedrige: Erythromycin, Clarithromycin, Roxithromycin, Oleandromycin; 15-gliedrige: Azithromycin; 16-gliedrige: Tylosin, Spiramycin, Josamycin),
  • Lincosamide (Lincomycin, Clindamycin) und
  • Streptogramine (Streptogramin A + B, Pristinamycin A + B, Virginiamycin A + B sowie Quinupristin/Dalfopristin).

    Die Streptogramine sind eine eigenständige Gruppe von Makrolactonen, die von Streptomyces-Stämmen produziert werden. Es handelt sich um ein Gemisch der Komponenten A und B. Chemisch sind beide Komponenten zyklische Depsipeptide (Lacton- und Peptidbindungen). Die Streptogramine der Gruppen A und B wirken synergistisch, sodass die Gemische eingesetzt werden. Oral einsetzbares Pristinamycin befindet sich seit Jahren in Frankreich auf dem Markt. Das erste parenterale Streptogramin-Antibiotikum Quinupristin/Dalfopristin (Abb. 11) befindet sich in klinischer Prüfung. Dalfopristin ist ein in Position 26 sulfoniertes Pristinamycin-IIB, Quinupristin ein wasserlösliches Thiomethylderivat des Pristinamycin I.

    In der Veterinärmedizin kommen die MLS-Antibiotika nicht zum Einsatz, wohl aber als Zusatzstoffe der Tierernährung, wenngleich mit Einschränkungen. Das betrifft aus der Gruppe der 16-gliedrigen Makrolide das Tylosin (für Schweine bis zu einem Höchstalter von 6 Monaten) und das Spiramycin (für einige Geflügelarten, Kälber, Ferkel, Schaf- und Ziegenlämmer, Pelztiere mit Ausnahme von Kaninchen), aus der Gruppe der Streptogramine das Virginiamycin (für Ferkel und Schweine, Kälber, Mastrinder, Geflügel außer Enten, Gänsen und Tauben).

    Makrolide wirken im Wesentlichen gegen grampositive Bakterien, gegen wenige gramnegative Keime wie Haemophilus spp., Bacteroides spp. und Neisseria spp. sowie gegen Mykoplasmen, Chlamydien und Rickettsien. Im Allgemeinen ist die äußere Membran der gramnegativen Bakterien eine wirksame Barriere gegen Makrolide. Lincosamide sind vor allem wirksam gegen grampositive Bakterien und gramnegative Anaerobier. Das Wirkungsspektrum der Streptogramine entspricht dem der Makrolide und Lincosamide.

    Die Hemmung der Proteinbiosynthese durch die Makrolide kommt durch Bindung an das L15-Protein der Peptidyltransferase-Region der 50S-Untereinheit der bakteriellen Ribosomen (Bindung an die 2058-2062-Region der ribosomalen 23S-RNA) zustande. Es kommt zur vorzeitigen Ablösung der Peptidyl-tRNA bei der Translokation des Ribosoms. Auch die Lincosamide hemmen die Peptidyltransferase. A- und B-Komponenten der Streptogramine binden ebenfalls an die 50S-Untereinheit der Ribosomen, greifen aber an unterschiedlichen Stellen der Proteinbiosynthese ein.

    In Staphylokokken ist die Resistenz auf folgende Mechanismen zurückzuführen [17]:

  • Enzymatische Inaktivierung - durch Hydrolyse der Lactongruppe (Streptogramine B: kodiert durch das vgb-Gen), - durch eine Esterase bei den 14- und 16-gliedrigen Makroliden oder - durch Acetylierung (Streptogramine A: kodiert durch saa-, vat- und vatB-Gene) sowie Phosphorylierung durch eine Nucleotidyltransferase (Lincosamide: kodiert durch linA-Gen).
  • Aktive Ausschleusung der Antibiotika aus der Bakterienzelle. Dafür konnten bisher zwei verschiedene ATP-bindende Transportproteine mit unterschiedlicher Substratspezifität identifiziert werden, die durch msrA- bzw. vga-Gene kodiert werden.
  • Chemische Veränderung der Zielstruktur (target site-Modifizierung) durch Methylierung des Adeninrestes in Position 2058 der 23S-rRNA (Abb. 7). Diese wird hervorgerufen durch eine rRNA-Methylase (ERM), die in Staphylokokken von drei erm-Genen (ermA, ermB, ermC) kodiert wird. Die Expression der erm-Gene wird durch 14- und 15-gliedrige Makrolide induziert. Die ermA- und ermB-Gene werden von nicht-konjugierenden Transposonen kodiert, die ermC-Gene von Plasmiden.

    Resistenzen gegen Glykopeptid-Antibiotika

    Die Glykopeptid-Antibiotika (Vancomycin, Teicoplanin, Ristocetin, Avoparcin) greifen an der Zellwandbiosynthese an. Vancomycin, Teicoplanin und (eingeschränkt) Ristocetin sind geeignet zur Behandlung von Infektionen durch grampositive Erreger wie St. aureus und Enterokokken. Vancomycin ist das derzeit wichtigste Antibiotikum zur Behandlung Methicillin-resistenter St. aureus-Stämme (nach Studie in Japan bereits 60% der in Krankenhäusern isolierten Stämme). Enterokokken werden in den letzten Jahren zunehmend für Krankenhausinfektionen verantwortlich gemacht, inzwischen sind auch Vancomycin-resistente Enterococcus faecium-Stämme (VREF) verbreitet.

    Von den Glykopeptid-Antibiotika nahm man zunächst an, dass sie keine Resistenz entwickeln, was sich aber bald als Irrtum erweisen sollte. An der Vancomycin-Resistenz (Abb. 8) sind fünf van-Gene (S, R, H, A und X) des Transposons Tn1546 beteiligt: vanH kodiert ein Enzym, das Pyruvat zu Lactat reduziert (Reduktase), vanA ein Enzym, das das Depsipeptid D-Ala-D-Lactat bildet (anstelle von D-Ala-D-Ala). Vancomycin bindet an D-Ala-D-Ala-Reste, nicht aber an D-Ala-D-Lactat-Reste.

    Resistenzen gegen Chloramphenicol und Tetracycline

    Chloramphenicol wird in Staphylokokken durch eine Plasmid-kodierte Chloramphenicol-Acetyltransferase (CAT) inaktiviert (Abb. 3). Die Expression der entsprechenden cat-Gene, von denen drei Familien bekannt sind, erfolgt durch Chloramphenicol. Daneben beruht die Chloramphenicol-Resistenz bei Bakterien noch auf einer Reduktion der Nitrogruppe oder auf der Hydrolyse zum 4-Nitrophenylserinol.

    Die Resistenz gegen Tetracycline ist bei Bakterien sehr weit verbreitet. Sie wird im Wesentlichen durch Plasmid- oder Transposon-kodierte Efflux-Systeme (TET-Proteine in Staphylokokken und anderen grampositiven Bakterien) oder durch Biosynthese von Plasmid- oder Transposon-kodierten "ribosomal protection factors" hervorgerufen. In Staphylokokken wurden drei tet-Gene (K, L, M) gefunden.

    Resistenzen gegen Aminoglykosid-Antibiotika

    Die Aminoglykosid-Antibiotika hemmen die Protein-Synthese der Prokaryonten. Sie werden enzymatisch durch AME (aminoglycoside modifying enzymes) inaktiviert. Zu den AME gehören

  • Acetyl-CoA:Aminoglykosid-acetyltransferasen (AAC),
  • ATP:Aminoglykosid-phosphotransferasen (APH) und
  • ATP:Aminoglykosid-adenylyltransferasen (AAD) mit jeweils unterschiedlicher Regiospezifität. Die einzelnen Aminoglykoside reagieren unterschiedlich. Acetylierungen finden vor allem in Providencia- und Proteus-Arten statt, die 2'-Phosphorylierung in St. aureus.

    Ein wesentlicher Inaktivierungsmechanismus ist die Acetylierung der 3-Aminogruppe der 2-Desoxystreptamin-Komponente (Abb. 12). Diese Position ist beim Amikacin und Nachfolgepräparaten partialsynthetisch durch einen L-2-Hydroxy-4-aminobutyryl- bzw. L-2-Hydroxy-3-aminopropionyl-Rest ersetzt. Dadurch ist Amikacin stabiler gegen APH(3'), AAD(2''), AAC(3) und AAC(6').

    Der meistverbreitete Inaktivierungsmechanismus der Kanamycine und Neomycine ist die Phosphorylierung in 3'-Position, vor allem in Ps. aeruginosa. Bei den Gentamicinen und beim Tobramycin fehlt diese Hydroxygruppe. Sie sind daher auch wirksam gegen Kanamycin-resistente Bakterien, die diese Position des Kanamycin phosphorylieren. Die Resistenz gegen Kanamycin wird durch alle drei Inaktivierungsmechanismen der Aminoglykosid-Antibiotika hervorgerufen. Das am weitesten verbreitete Plasmid-kodierte Aminoglykosid-modifizierende Enzym ist eine bifunktionelle 6'-Acetyltransferase-2'-phosphotransferase (AAC6'-APH2''). Da die Gene auf Plasmiden lokalisiert sind, sind sie übertragbar.

    Beim Netilmicin wurde gegenüber dem nativen Sisomicin die Stabilität gegen inaktivierende Enzyme (AAD(2"), AAC(3)) durch eine N-Ethylierung erhöht. Streptomycin wird in M. tuberculosis nicht acetyliert. Dagegen wurden Mutationen im ribosomalen S12-Protein (kodiert durch das rpsL-Gen) sowie in der 16S-rRNA (kodiert durch rrs) beschrieben.

    Resistenzen gegen Gyrase-Inhibitoren

    Die Gyrase, die in gramnegativen Bakterien das primäre Target der Gyrase-Inhibitoren ist, gehört zu den ATP-kontrollierten Typ-II-Topoisomerasen. In grampositiven Bakterien, zumindest in St. aureus, bildet dagegen eine Topoisomerase IV den Angriffspunkt der Gyrase-Inhibitoren. Beide Topoisomerasen sind aus zwei Untereinheiten aufgebaut, die jeweils von separaten Genen kodiert werden (gyrA und gyrB sowie parC und parE).

    Zwischen 1992 und 1996 stieg der Anteil an Ciprofloxacin-resistenten E. coli-Stämmen, z. B. in einem Universitätskrankenhaus von 1,7% auf 8,0%, in einzelnen Isolaten urologischer Stationen bis auf 15,5% [18, 19]. Folgende Resistenzmechanismen wurden ermittelt:

  • Veränderungen im Targetprotein (Gyrase, Topoisomerase IV) durch Mutationen in den Genen gyrA (Ser83 -> Leu) und parC. Der als "quinolone resistance-determining region" (QRDR) bezeichnete Abschnitt in der A-Untereinheit der Typ-II-Topoisomerasen ist hochkonservativ. Bei allen Chinolon-resistenten Mutanten fanden sich Mutationen in dieser Region.
  • Erhöhte Aktivität eines Efflux-Systems. Dadurch zeichnen sich Chinolon-resistente grampositive Mutanten aus. Ein Plasmid-vermittelter Resistenzmechanismus ist bisher nicht bekannt.

    Resistenzen gegen Dihydrofolatreduktase-Hemmer und Sulfonamide

    In den letzten Jahren wurden 16 verschiedene Subtypen von Trimethoprim(TMP)-resistenter, plasmidkodierter Dihydrofolatreduktase gefunden [20]. Für die TMP-Resistenz scheint die Mutation Phe98Tyr hauptverantwortlich zu sein. Auf dieser Kenntnis aufbauend sollte es möglich sein, Inhibitoren gegen TMP-resistente Dihydrofolatreduktase zu entwickeln.

    Daneben kann die Resistenz gegen Trimethoprim durch eine übermäßige Biosynthese der Dihydrofolsäurereduktase hervorgerufen werden. Der Haupteinsatz der Sulfonamide liegt heute - sehr stark eingeschränkt - bei der Therapie der Toxoplasmose, der Pneumocystis-carinii-Pneumonie und der Chloroquin-resistenten Malaria. Meist erfolgt der Einsatz in Form von Cotrimoxazol, also als Kombination von Sulfamethoxazol mit Trimethoprim, die seit 1969 auf dem Markt ist. Die breite Anwendung der Sulfonamide führte schon früh zum Auftreten von Resistenzen, die jedoch durch die Kombination mit Trimethoprim zurückgedrängt werden konnten. Leider nimmt auch die Resistenz gegen Cotrimoxazol langsam, aber stetig zu.

    Resistenzen gegen Isoniazid und Rifampicin

    Isoniazid (INH) und das verwandte Ethionamid werden gegen Tuberkulose eingesetzt (zur Resistenzentwicklung bei Tuberkulostatika vgl. [2, 3]). Beide Substanzen müssen in M. tuberculosis erst durch eine Katalase-Peroxidase (kodiert durch katG) in die eigentlichen Wirkstoffe umgewandelt werden, die dann durch Hemmung einer Enoyl-ACP-Reduktase (kodiert durch inhA; Abb. 5) die Verlängerung von Fettsäuren über 26 C-Atome und damit vor allem die Biosynthese der Mykolsäuren hemmen. Mykolsäuren sind essenzielle Bestandteile der Zellwand der Mykobakterien.

    Auffallend war, dass Resistenz und Katalase-Peroxidase-Aktivität korrelieren. Die Mutationen der Isoniazid-resistenten Bakterien liegen vorzugsweise im katG-Gen vor, die Mutationen der Ethionamid-resistenten Bakterien im inhA-Gen.

    Rifampicin, ein partialsynthetisches Derivat des Rifamycin, ist sehr wirksam gegen Mykobakterien und wird daher zur Behandlung von Tuberkulose und Lepra eingesetzt. Molekularer Angriffspunkt ist die RNA-Polymerase der Mykobakterien, wodurch eine Hemmung der Nucleinsäuresynthese resultiert. In den meisten Fällen wird die Resistenz durch Mutationen im rpoB-Gen hervorgerufen, das die RNA-Polymerase kodiert.

  • Resistenzen gegen Virustatika

    Die gegenwärtig auf dem Markt befindlichen Virustatika gegen HIV greifen an der Reversen Transkriptase und der Protease des Virus an. Die Reverse Transkriptase wandelt die virale RNA in eine komplementäre DNA um (Retroviren!), ist also eine RNA-abhängige DNA-Polymerase. Das Enzym ist ein Heterodimer, das aus den zwei Untereinheiten p66 (66 kD) und p51 (51 kD) besteht. Die ersten 440 Aminosäuren von p66 und p51 sind identisch.

  • Die Nucleosid-Antimetaboliten (nucleosidische Inhibitoren, NI: Zidovudin, Didanosin, Stavudin, Zalcitabin, Lamivudin) konkurrieren nach ihrer Umwandlung in die Triphosphate mit den natürlichen Nucleosid-triphosphaten.
  • Die nicht-nucleosidischen Inhibitoren (NNI: Nevirapin, Delaviridin) binden dagegen an einer allosterischen Bindungsstelle und können deshalb synergistisch mit den NI wirken.
  • Bei Zidovudin-Resistenz treten z.B. Mutationen in Met41Leu, Asp67Asn, Lys70Arg, Thr215Phe und Lys219Gln auf. Mutationen NNI-resistenter Viren betreffen vor allem Tyr181, Val106, Tyr188 sowie Leu100, Tyr188 und Tyr181, also das hydrophobe Bindungsareal der NNI.

    Es ist anzunehmen, dass bei den NNI Kreuzresistenz auftritt [21]. Die Virus-kodierte Protease wird benötigt für die proteolytische Spaltung (posttranslationäres Processing) der viralen gag- und gag-pol-Genprodukte, da aus dem zunächst gebildeten großen Protein erst die viralen Strukturproteine und aktiven Enzyme gebildet werden müssen. Ohne dieses Processing sind die Viruspartikel nicht infektiös. Die HIV-Protease ist eine dimere Aspartat-Protease mit zwei identischen Untereinheiten von je 99 Aminosäuren. Bei den gegenwärtig auf dem Markt befindlichen Protease- Inhibitoren (Ritonavir, Saquinavir, Indinavir) handelt es sich um Peptidomimetika. Bei Viren, die gegen peptidomimetische HIV-Protease-Hemmer resistent sind, sind einzelne Aminosäuren (z. B. in den Positionen 46, 54, 71, 82, 84 und 90) ausgetauscht [21].

    Das Tempo, in dem HI-Viren eine Resistenz ausbilden, hängt davon ab, ob eine einfache Mutation am Zielprotein des Virustatikums genügt oder ob multiple Mutationen eintreten müssen. Eine einfache Mutation macht z. B. gegen Lamivudin (ein NI der Reversen Transkriptase) und gegen Nevirapin (ein NNI) resistent, und dementsprechend kann bei einer Monotherapie mit diesen Virustatika eine Resistenz bereits nach einem Monat auftreten. Dagegen sind für die Resistenz gegen Zidovudin und den Protease- Hemmer Indinavir multiple Mutationen erforderlich, die lange Therapiezeiten (0,5 bis 2 Jahre) benötigen. Zur Unterdrückung der Resistenzentwicklung wird heute eine Triple-Therapie (Kombination von NI, NNI und Protease-Hemmer) durchgeführt. Die auch systemisch einsetzbaren Virustatika gegen Herpesviren (Aciclovir, Ganciclovir) werden erst durch die Virus-kodierte Thymidin-Kinase aktiviert (Abb. 4). Bei Patienten mit resistenten Herpesviren liegen Mutationen oder Deletionen des Thymidylat- Kinase-Gens vor.

    Resistenzen gegen Zytostatika

    Abgesehen von einer Primärresistenz bei zahlreichen metastasierenden Tumoren, ist die Chemotherapie von Krebserkrankungen durch die im Verlaufe der Therapie erworbenen Resistenzen begrenzt. Von größter Bedeutung ist dabei die übermäßige Biosynthese des Multidrug-Resistenz-Proteins, das die Zytostatika schnell wieder aus der Krebszelle herausschleust. Diese Resistenz könnte durch Inhibitoren derartiger "Molekülpumpen" überwunden werden. Weitere Resistenzmechanismen sind die reduzierte Biosynthese der Topoisomerase II bei interkalierenden Zytostatika und die übermäßige Biosynthese inaktivierender Enzyme (Glutathion-S-transferase, Glutathionperoxidase) bei den Alkylanzien und Platinverbindungen.

    Resistenzen gegen Protozoen-Medikamente

    P-Glykoproteine und verwandte Transport-ATPasen sind in einzelligen Parasiten (z. B. Entamoeba, Leishmania, Plasmodium, Schistosoma, Trichomonas, Trypanosoma) weit verbreitet. Die Resistenz von Plasmodien gegen Chloroquin, Mefloquin und Halofantrin sowie von Entamoeba histolytica gegen Emetin ist auf die erhöhte Aktivität solcher Molekülpumpen zurückzuführen [22].

    Die Resistenz gegen Antifolate beruht auf Mutationen des Targetproteines, der Tetrahydrofolat-Reduktase. So tritt bei Pyrimethamin-Resistenz ein Austausch Ser108Asn auf. Diese Mutation führt aber nicht zur Kreuzresistenz gegen Cycloguanil. Eine Pyrimethamin-Resistenz bei Plasmodium falciparum kann auch durch eine Überproduktion der Dihydrofolat-Reduktase hervorgerufen werden. Damit Metronidazol und verwandte Nitroimidazole antibiotisch wirken, muss ihre Nitrogruppe erst durch Elektronendonoren in aggressive Radikale und Nitrosoverbindungen umgewandelt werden, die in anaerob lebenden Organismen besonders effizient sind. In Protozoen fungiert die Ferredoxin-Komponente der Pyruvat:Ferredoxin-Oxidoreduktase als Elektronendonor. Bei resistenten Protozoen (z. B. Trichomonas vaginalis) ist deren Aktivität abgeschwächt.

    Resistenzen gegen Antimykotika

    Die Resistenz gegen Polyen-Antibiotika ist nicht von klinischer Relevanz; die resistenten Pilze haben eine veränderte Membranzusammensetzung. Resistenzentwicklungen gegen Azol-Antimykotika sind beschrieben, molekularbiologische Untersuchungen dazu aber wenig durchgeführt. Über den Mechanismus der Resistenz gegen Griseofulvin ist noch wenig bekannt.

    Strategien gegen die Resistenzentwicklung

    Wesentliche Voraussetzungen für die wirksame Bekämpfung einer Resistenz sind die Überwachung der Resistenzentwicklung durch epidemiologische Untersuchungen sowie die Aufklärung der Resistenzmechanismen auf molekularbiologischer Ebene. Zur Vermeidung bzw. Überwindung von Resistenzen sind die folgenden Gesichtspunkte von wesentlicher Bedeutung.

    Weniger Antibiotika in der Tierproduktion und Veterinärmedizin

    Seit den 50er-Jahren werden im Rahmen der industriellen Tierproduktion in zunehmenden Maße Antibiotika den Mischfuttermitteln zugesetzt. Neben den rein therapeutischen Effekten ist es vor allem eine ergotrope Wirkung, die den Einsatz von Antibiotika in der Tiermast attraktiv macht. Zum Einsatz sollten nur solche Verbindungen kommen, bei denen keine Kreuzresistenz mit humanmedizinisch eingesetzten Antibiotika auftreten kann.

    Als Leistungsförderer in der Tierproduktion sowie als Veterinärtherapeutika wurden daher in Europa vor allem Antibiotika zugelassen, die in der Humanmedizin nicht eingesetzt werden. Dazu gehören z.B. phosphathaltige Glykolipide wie Flavomycin (Moenomycin, Bambericin), Macarbomycin oder Diumycin, die durch Hemmung der Undecaprenylalkohol-Kinase an der Zellwandbiosynthese angreifen. Glykopeptid-Antibiotika sind insofern besonders problematisch, weil sie schon lange in der Tierernährung, aber erst relativ spät in der Humanmedizin verwendet wurden. So wurden z.B. 1994 in Dänemark 24 kg Vancomycin in der Humanmedizin, aber 24000 kg Avoparcin als Leistungsförderer in der Tierproduktion eingesetzt [23]. In Deutschland wurde 1996 der Einsatz von Avoparcin als Futterzusatz zur Beschleunigung der Gewichtszunahme von Tieren verboten.

    Bei den MLS-Antibiotika sind ebenfalls die Verbindungen problematisch, die zunächst nicht in der Humanmedizin eingesetzt wurden wie die 16-gliedrigen Makrolide (Tylosin, Spiramycin), die Lincosamine (Lincomycin) und die Streptogramine (Virginiamycin). Für Virginiamycin, das schon länger als Wachstumsförderer in der Tiermast eingesetzt wird, wurde eine Resistenz bei Krankheitserregern des Menschen gefunden, bevor das Antibiotikum überhaupt in der Humanmedizin verwendet wurde. Auch Bacitracin, das aufgrund seiner Toxizität zunächst nicht in der Humanmedizin eingesetzt wurde, jetzt aber zur topischen Anwendung zugelassen ist, wird noch im Veterinärwesen eingesetzt.

    Ein besonderes Problem stellt bei der massenhaften Haltung von Geflügel die u.a. durch Eimeria tenella verursachte Kokzidiose dar. Als Kokzidiostatika werden u.a. Polyether-Antibiotika (Monensin, Nigericin, Lasalocid, Maduramicin) eingesetzt, die aufgrund ihres Wirkungsmechanismus als Ionophore keine Resistenzen verursachen; zudem sind die Verbindungen für einen therapeutischen Einsatz am Menschen zu toxisch. Grundsätzlich sollte darauf verzichtet werden, Resistenzgene als Markergene in gentechnisch veränderte Pflanzen einzubringen.

    Vermeidung von Anwendungsfehlern

    Fehlerhaft ist die Anwendung von Antibiotika bei falscher Indikation oder in zu geringer Dosierung. Zur richtigen Anwendung gehört die Entwicklung rationaler Therapieschemata, die konsequentere Isolierung von Patienten mit multiresistenten Stämmen und die striktere Einhaltung Krankenhaus-hygienischer Prinzipien, um die Ausbreitung resistenter Keime zu vermeiden, eventuell durch Einführung des Rotationsprinzips in der Verordnungsgewohnheit (Wechsel der angewandten Antibiotika alle ein, zwei oder drei Monate).

    In etwa 80% der Fälle wird das "akute respiratorische Syndrom" mit Antibiotika behandelt, obwohl es sich bei der akuten Pharyngitis, Rhinitis oder Bronchitis in den meisten Fällen um Viruserkrankungen handelt [24]. Schätzungen gehen davon aus, dass in den USA etwa 20% der Antibiotika gegen Erkältungskrankheiten verschrieben werden. Die Behandlung der Patienten mit einem schwach wirksamen Antibiotikum in zu niedriger Dosierung übt auf die Mikroorganismen einen hohen Selektionsdruck aus. Bemerkenswert ist, dass selbst gegen das Desinfektionsmittel Triclosan, das in Krankenhäusern und Haushalten viel verwendet wird, inzwischen Resistenzen aufgetreten sind, die auf eine gesteigerte Bildung einer "Multidrug-Efflux-Pumpe" zurückzuführen sind.

    Eine Kombination von Wirkstoffen unterschiedlicher Wirkmechanismen ist eine effektive Methode zur Verzögerung der Ausbildung einer Resistenz. Beispiele sind die Kombination Sulfonamid/Dihydrofolatreduktase-Hemmer (Cotrimoxazol), die Tripeltherapie zur Tuberkulosebehandlung oder die Kombination eines Hemmers der Reversen Transkriptase mit einem HIV-Protease-Hemmer zur AIDS-Behandlung.

    Design von neuen Wirkstoffen

    Die Auseinandersetzung mit der Resistenzentwicklung zwingt dazu, ständig nach Antibiotika mit neuartigen Angriffspunkten zu suchen [4, 25, 26]. Über einen neuen Wirkmechanismus verfügen z.B. die Oxazolidinone, von denen das Linezolid (Abb. 13) in den USA bereits zugelassen wurde. Die Oxazolidinone binden an die 30S- und 50S-Untereinheit der Ribosomen und hemmen die Proteinsynthese der Bakterien auf anderem Weg als die bisher bekannten Antibiotika. Linezolid soll zur Behandlung nosokomialer und ambulant erworbener Pneumonien durch resistente Keime eingesetzt werden. Ein neues Antibiotikum aus der Gruppe der Ketolide ist das Telithromycin (Abb. 13), das ebenfalls zur Behandlung von Atemwegserkrankungen durch resistente Keime entwickelt wurde. Eine Überwindung der Resistenz kann auch durch chemische Modifizierung bereits bekannter Antibiotika gelingen, in der Weise, dass inaktivierende Enzyme nicht mehr oder zumindest nur erschwert angreifen können. Diese Strategie war besonders erfolgreich bei der Entwicklung Penicillinase-resistenter Penicilline.

    Größere Probleme traten bei den Cephalosporinen auf. Cefepim (Abb. 14) aus der Gruppe der Aminothiazolyl- Cephalosporine penetriert sehr rasch durch die von Porinen gebildeten Kanäle gramnegativer Bakterien und besitzt im Unterschied zu anderen Cephalosporinen nur eine geringe Affinität zu β-Lactamasen. Gegenüber den "klassischen" Cephalosporinen besitzen die Carbacepheme (Loracarbef, Abb. 14) eine höhere Stabilität gegenüber den β-Lactamasen. Als stabil gegenüber β-Lactamasen haben sich 7α-Methoxy-cephalosporine erwiesen. Cefoxitin (Abb. 14), eine Weiterentwicklung des Cephamycin C, ist das erste Breitband-Cephalosporin. Die Stabilität gegen β-Lactamasen wird durch die 7α-Methoxy-Gruppe hervorgerufen. Im Mittelpunkt des Interesses steht jetzt die Entwicklung von β-Lactam-Antibiotika mit höherer Affinität zu den bei den resistenten Bakterien gebildeten PBP (z. B. PBP2). Auch bei den Aminoglykosid-Antibiotika wurden partialsynthetische Derivate entwickelt, die durch modifizierende Enzyme schwerer inaktiviert werden (Amikacin, Isepamicin, Arbekacin, (Abb. 12). Arbekacin wird seit einiger Zeit in Japan gegen MRSA-Infektionen eingesetzt. Auch neue Tetracyclin- Derivate, die gegen Tetracyclin-resistente Stämme wirksam sind, sind in klinischer Entwicklung [25, 26].

    Ein interessanter Beitrag zur Verzögerung von Resistenzentwicklungen ist die Entwicklung von Antibiotika, deren Verweilzeit in der Umwelt gezielt reduziert wurde. Abbildung 15 zeigt ein durch Licht inaktivierbares Cephalosporin-Derivat. Eine weitere Möglichkeit der Überwindung der Resistenz besteht in der Kombination der Arzneistoffe mit Inhibitoren inaktivierender Enzyme. Dazu gehören die Kombination Imipenem/Cilastin sowie die β-Lactamase-Inhibitoren.

    Die β-Lactamase-Inhibitoren Clavulansäure, Sulbactam und Tazobactam (Abb. 16) binden irreversibel an β-Lactamasen, sind aber kaum antibakteriell wirksam. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Hemmaktivität gegenüber den einzelnen β-Lactamasen, sind aber alle unwirksam gegen β-Lactamasen der C-Gruppe. β-Lactamase-Inhibitoren hemmen auch Enzyme mit breitem Spektrum (ESBL). Tazobactam ist in vitro am wirksamsten. Das Carbapenem Imipenem ist zwar stabil gegenüber β-Lactamasen, wird aber durch die renale Dipeptidase inaktiviert, die andere β-Lactame nicht spaltet. Die Dipeptidase kann durch Cilastatin gehemmt werden (Kombination Imipenem + Cilastatin: Zienam®).

    Auch Erm-Inhibitoren – Inhibitoren der AdoMetabhängigen Adeninmethylierung von DNA bei den MLS-Antibiotika – sind in Entwicklung (vgl. [26]). Um die auf einer erhöhten Aktivität von "Multidrug- Efflux-Pumpen" (ABC-Proteine als Molekülpumpen) beruhende Resistenz von Tumorzellen, Protozoen (insbesondere Plasmodien) und auch einiger Bakterien zu überwinden, versucht man Chemomodulatoren (Inhibitoren der "Multidrug"-Resistenz) zu entwickeln [28]. Zu diesen Inhibitoren gehören Ca-Kanal-Antagonisten wie Verapamil. Die klinischen Erfolge sind allerdings noch bescheiden.

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  • Die Entwicklung von Resistenzen gehört zu den Anpassungsmechanismen der Organismen, ohne die eine Entwicklung des Lebens nicht möglich gewesen wäre. Sie ist also ganz natürlich und wird auch heute noch praktiziert, z. B. von Mikroorganismen, deren Existenz durch Antibiotika bedroht ist. Der Beitrag zeigt, mit welchen Mechanismen Bakterien, Viren, Hefen und Protozoen die gegen sie eingesetzten Antibiotika entschärfen. Damit der Mensch sich weiterhin gegen die Krankheitserreger schützen kann, muss er die vorhandenen Antibiotika sinnvoll anwenden und gezielt neue Wirkstoffe kreieren.

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