Arzneimittel und Therapie

Koronare Herzkrankheit: Sauerstoffbedarf senken und Thrombusbildung verhindern

Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist eine Erkrankung mit einem vielschichtigen Erscheinungsbild. Ihre Ursache sind durch Lipideinlagerungen artherosklerotisch veränderte Koronargefäße. Kommt es zu einer Ruptur einer atherosklerotischen Plaque in einem Koronargefäß, setzen die geschädigten Endothelzellen chemotaktisch wirksame Stoffe frei, die die schnelle Einwanderung von Thrombozyten bewirken. Damit wird die Blutgerinnungskaskade in Gang gesetzt, an deren Ende die Thrombozyten-Aggregation und die Thrombusbildung steht. Diese pathologischen Mechanismen lassen sich pharmakologisch an vielen Stellen beeinflussen.

Stabile und instabile Angina pectoris

Die koronare Herzkrankheit kann sich in verschiedenen Erscheinungsformen äußern. Die Ziele der Pharmakotherapie der KHK sind die Vermeidung von Angina-pectoris-Anfällen, die Steigerung der körperlichen Leistungfähigkeit und eine Verlängerung der Lebenserwartung. Die Pharmakotherapie der KHK besteht aus zwei Säulen: Hemmung der koronar-arteriellen Thrombose und Anpassung des myokardialen Sauerstoffbedarfs durch Senkung von Vor- und Nachlast.

Zur Zeit gibt es drei verschiedene Substanzklassen, die auf Grund unterschiedlicher Wirkprinzipien die Thrombozyten-Aggregation und damit die Thrombusbildung hemmen: Cyclooxygenase-Hemmstoffe, Thienopyridine und Antiintegrine (Glykoprotein-IIb/IIIa-Inhibitoren). Organische Nitrate, Calciumantagonisten und Betarezeptorenblocker sind Wirkstoffklassen, die einen günstigen Einfluss auf den Sauerstoffbedarf des Herzens und auf die Koronardurchblutung haben. Ein wichtiges Therapieprinzip bei der Behandlung der KHK ist die Anpassung der Sauerstoffversorgung des Herzens durch eine Senkung der Vor- und Nachlast.

Cyclooxygenase-Hemmstoffe

Acetylsalicylsäure (ASS) hemmt durch eine irreversible Acetylierung des aktiven Zentrums der Cyclooxygenase 1 (COX-1) in den Thrombozyten die Bildung von Thromboxan A2 aus Arachidonsäure, welches Blutplättchen aktivieren und somit zur Thrombusbildung führen kann. Thromboxan ist jedoch nur einer von mehreren Aktivatoren der Blutgerinnung, so dass durch die Therapie mit ASS die Thrombozyten-Aggregation nie vollständig gehemmt wird. Dennoch wird ASS auf Grund der niedrigen Therapiekosten und relativ guten Verträglichkeit in Dosierungen von 100 mg pro Tag eingesetzt. In dieser Dosierung treten Magenschleimhautreizungen nur sehr selten auf.

Thienopyridine

Neben Thromboxan gibt es noch weitere Substanzen, die die Thrombozyten aktivieren können. Dazu gehören Collagen, Adrenalin, Thrombin und Adenosindiphosphat (ADP). Ticlopidin und der neuere Wirkstoff Clopidogrel inhibieren die Thrombozyten-Aggregation über eine Hemmung des Thrombozyten-ADP-Rezeptors. Ebenso wie durch die Gabe von ASS lässt sich dadurch keine vollständige Hemmung der Thrombozyten-Aggregation erreichen.

Die Thienopyridine weisen keine magenreizenden Nebenwirkungen wie die Cyclooxygenase-Hemmstoffe auf, können aber bei einigen wenigen Patienten zu Durchfällen führen. Bei jedem Patienten sollte daher die Therapie individuell abgestimmt werden. Beim Einsatz von Ticlopidin können sehr selten Neutropenien auftreten. Im Zweifelsfall sollte der neuere Wirkstoff Clopidogrel vorgezogen werden.

Antiintegrine

Während der Blutgerinnung vermitteln membranständige Glykoproteine auf der Oberfläche der Thrombozyten die Adhäsion der Zellen an die verletzte Gefäßwand, die Aggregation und Interaktion mit anderen Blutzellen. Als Folge einer Gefäßruptur lagern sich Thrombozyten an Adhäsionsmoleküle der Endothelzellen. Für die nun stattfindende Thrombozyten-Aggregation spielt der Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptorkomplex eine wichtige Rolle. Über diesen aktivierten Komplex wird lösliches Fibrinogen gebunden, die Thrombozyten aggregieren durch das Ausbilden von Fibrinogenverbindungen, es kommt zur Thrombusbildung. Glykoprotein-IIb/IIIa-Inhibitoren binden an diesen Rezeptorkomplex und verhindern so die Thrombozyten-Aggregation.

Bei dieser Substanzgruppe handelt sich einerseits um die Klasse der Fibane Sibrafiban, Tirofiban, Xemilofiban) und anderseits um den monoklonalen Antikörper Abciximab ReoPro®). Die Fibane lagern sich an eine Rezeptoruntereinheit an, während das Antikörperfragment an beide Untereinheiten bindet. Die Glykoprotein-IIb/IIIa-Inhibitoren sind stärker wirksam als die Cyclooxygenasehemmer und die Thienopyridine, da sie die Thrombozyten-Aggregation vollständig hemmen. Daher werden sie bevorzugt in der Akuttherapie der instabilen Angina pectoris eingesetzt. Die perorale Anwendung von Sibrafiban stellte sich in klinischen Studien auf Grund der sehr niedrigen Bioverfügbarkeit von etwa 30% gegenüber der intravenösen Applikation als wenig erfolgversprechend heraus.

Organische Nitrate

Physiologischerweise wird Stickstoffmonoxid (NO) als Botenstoff von Endothelzellen abgegeben und bewirkt über eine Aktivierung der Guanylatcyclase die vermehrte Bildung von cGMP. Dieses führt zu einer Erschlaffung der glatten Muskelzellen und damit zu einer Dilatation der Gefäße. Durch die Zufuhr von organischen Nitraten wird die Konzentration an NO künstlich erhöht, und die Sauerstoffbilanz in Folge einer Vor- und Nachlastsenkung verbessert. Es empfiehlt sich, Glyceroltrinitrat intermittierend anzuwenden, um die Nitrattoleranz, die Gewöhnung an organische Nitrate, zu umgehen. Die Wahrscheinlichkeit für Angina-pectoris-Anfälle ist morgens und mittags am höchsten, so dass die Applikation von organischen Nitraten zu diesen Tageszeiten stattfinden sollte.

Calciumantagonisten

Calciumantagonisten hemmen den Einstrom von Calciumionen in die glatten Muskelzellen und bewirken dadurch eine Vasodilatation im arteriellen Strombett. Durch eine verminderte Nachlast wird der Sauerstoffbedarf des Herzens gesenkt. Calciumantagonisten verhindern zusätzlich das Auftreten von Koronarspasmen. Man unterscheidet in der Klasse der Calciumantagonisten die Dihydropyridine (z. B. Nifedipin), die Benzothiazepine (Diltiazem) und die Phenylalkylamine (Verapamil).

Dihydropyridine werden zur Prophylaxe und zur Behandlung von Angina-pectoris-Anfällen eingesetzt. Die antianginöse Wirkung von Nifedipin ist zur Zeit umstritten. Die 1995 veröffentlichte so genannte Furberg-Studie beschreibt für nicht retardierte Nifedipinzubereitungen eine leichte Erhöhung der Mortalität, wodurch es zu einer Zulassungsbeschränkung dieser Zubereitungen durch das Institut für Arzneimittel und Medizinalprodukte kam. Benzothiazepine und Phenylalkylamine zeichnen sich durch ein ähnliches Wirkprofil aus und werden zur Prophylaxe von Anginapectoris-Anfällen und als Antiarrhythmika eingesetzt.

Beta-Rezeptorenblocker

Beta-Rezeptorenblocker schirmen das Herz vor den Einflüssen des Sympathikus ab, senken so die Herzfrequenz und erhöhen die diastolische Durchblutung. In Folge dessen wird der Sauerstoffbedarf gesenkt. Aus der Vielzahl der Betarezeptorenblocker sollte für jeden Patienten individuell der Wirkstoff ausgewählt werden, der sich günstig auf eventuelle Begleiterkrankungen auswirkt. Beta-rezeptorenblocker werden zur Anfallsprophylaxe bei Angina pectoris eingesetzt.

Bei der Gabe ist an die Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Herzens zu denken, die sich aus der Hemmung des Sympathikus ergibt. Die Gefahr von Vasospasmen ist bei der Gabe von nicht-kardioselektiven Betarezeptorenblockern wegen einer möglichen Hemmung von vasodilatierenden Beta-2-Rezeptoren erhöht. Daher wird eine Monotherapie mit Beta-Rezeptorenblockern nicht bei koronarspastischer Angina pectoris empfohlen.

Präventionsmaßnahmen

Bestimmte klinische Merkmale erhöhen das Risiko für das Auftreten einer KHK. Dazu gehören das männliche Geschlecht, eine genetische Disposition, Rauchen, Hypertonie und Hypercholesterinämie. Zahlreiche Studien belegen einen deutlichen Zusammenhang zwischen kardiovaskulären Ereignissen und einer Hypercholesterinämie. Der prophylaktische Einsatz von Statinen (z. B. Fluvastatin, Atorvastatin) senkt das Risiko für Angina-pectoris-Anfälle oder einen Herzinfarkt. Die Prävention der KHK mit Hilfe von Phytopharmaka ist nicht endgültig zu beurteilen, da z. B. für die Prophylaxe mit Gingko, Haferkleie oder Zwiebelextrakten keine seriösen Studien vorliegen. Lediglich für die regelmäßige Einnahme von Knoblauch gibt es positive Ergebnisse, die eine signifikante Senkung des Cholesterinspiegels und eine Hemmung der Thrombozytenfunktion beschreiben.

Quelle: Prof. Dr. Thomas Hohlfeld, Düsseldorf; Fortbildungsveranstaltung der Apothekerkammer Nordrhein, Düsseldorf, 19. Oktober 1999.

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