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Naturschutz: Der Lachs und der Rhein

Ein geschundener Fluss erhält sein Symbol zurück. Dem Lachs und anderen Wanderfischen wie dem Stör, dem Neunauge und dem Maifisch wird der Weg zurück in den Oberrhein und seine Nebenflüsse gebahnt. Auch Basel und der Hochrhein sollen für die Fische wieder erreichbar werden.

Ach, wie ist es am Rhein so schön! Dieser Seufzer weist wohl über die bloße Schönheit des Flusses hinaus. In der Tat kann jedermann mit diesem Strom etwas verbinden – von Weinseligkeit bis Überschwemmung, von Rheinbund bis Adenauer, von Nibelungen bis Fischsterben. Der Fluss ist Quelle und Ort germanischer Mythen sowie deutscher und europäischer Geschichte. In diesem Sinne ist der Rhein auch Modell für die Zerstörung der Natur. Sein bekanntester Bewohner, der Lachs oder Salm, ist heute zum Symbol geworden für den Wunsch, die gröbsten Sünden der Vergangenheit zu tilgen.

Liebe bis zum Tod

An einem Frühlingstag Anfang April wird der Lachs zwischen Kieselsteinen im flachen Wasser eines Baches im Einzugsgebiet des Rheins geboren. Zwei Jahre bleibt er dort. Dann treibt das Fernweh den silbrigen Smolt (Junglachs) den Rhein hinab, ins Meer zur Westküste Grönlands. Dort hält er es drei Jahre aus. Dann – 10 kg schwer, 1 m lang und vom Heimweh getrieben – schwimmt er wieder nach Hause. Im Brackwasser des Rheindeltas angekommen, beginnt er zu fasten. Er schwimmt den Rhein hinauf, zweigt an einem Nebenfluss ab und erschnüffelt den kühlen Bach mit kiesigem Grund, in dem er geboren wurde.

Inzwischen ist es Herbst geworden – die Hohe Zeit der Lachse ist da. Das Lachsweibchen gräbt eine 30 cm tiefe Grube in den Kies, während das Männchen die Nebenbuhler vertreibt. Das Liebesspiel beginnt. Beide schmiegen sich eng aneinander und stoßen gleichzeitig Eier und Samen aus. Danach gräbt das Weibchen eine neue Grube, und alles beginnt von vorne. Das Laichgeschäft zieht sich tagelang hin. Danach sind die Tiere zu Tode erschöpft und sterben in der Regel (die Rückkehr ins Meer nach dem Ablaichen ist selten).

Der Rhein

Der Rhein ist 1320 km lang. In seinem Einzugsgebiet von 185000 km² Fläche leben 50 Millionen Menschen in neun Staaten. Das milde Klima lockte 5000 Tierarten an den Fluss und seine Auen. Davon sind heute weniger als die Hälfte übrig geblieben. Schwarzstorch, Rheinperlmuschel oder Otter sind verschwunden. Da der Rhein erst wissenschaftlich entdeckt wurde, als es zu spät war, sind die Folgen anthropogener Eingriffe schlecht dokumentiert. Die wichtigsten Ursachen des Elends sind dennoch klar.

Folgen der Rektifikation ...

Der wilde Geselle Rhein war eine echte Herausforderung für die Menschen. Der badische Ingenieur Johann Gottfried Tulla (1770–1828) "rektifizierte" und zähmte den Oberrhein. Der Strom erhielt nach seinen Plänen ein tiefes Flussbett, die Mäander wurden durchstochen, Deiche errichtet. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Arbeiten fortgesetzt. Von Basel bis Mainz schrumpfte der Fluss um ein Viertel seiner Länge oder 85 km. Zwar empfanden die Anwohner die Zähmung als Segen. Die jährlichen Überschwemmungen gingen zurück. Das Auenland konnte urbar gemacht werden. Feste Brücken, vor allem für die Eisenbahn, wurden möglich. Die Begradigungen erhöhten die Fließgeschwindigkeit. Mückenplage und Seuchengefahr (in warmen Sommern: Malaria) gingen zurück. Doch die Strömung zerstörte auch Inseln und Kiesbänke, die Ruhezonen und Laichplätze für die Fische. Die Tiefenerosion der Flusssohle nahm zu, der Grundwasserspiegel sank.

... und der Kanalisierung

Der am 10. Januar 1920 in Kraft getretene Versailler Vertrag traf auch den Fluss mit voller Wucht. Frankreich erhielt das alleinige Recht, den Fluss im Grenzabschnitt zur Stromgewinnung zu nutzen, und baute auf elsässischer Seite zwischen Basel und Breisach den Rheinseitenkanal, der den Fluss seines Wassers beraubt. Im Durchschnitt fließen 1100 m³/s durch den Kanal und treiben in vier Wasserkraftwerken die Turbinen der staatlichen Electricité de France (EDF) an. Dem eigentlichen Rhein bleiben spärliche 30 m³/s. Das Grundwasser sank dadurch erheblich, mit drastischen Folgen für die Landwirtschaft und die gesamte Vegetation.

Der geplante Weiterbau bis Straßburg unterblieb deshalb. Statt dessen wird das Wasser für die zwischen 1961 und 1970 gebauten vier Kraftwerke in kurzen Schlingen aus dem Fluss abgezweigt. Nach jeder Staustufe fließt es wieder in das Tullasche Bett zurück. Doch auch die Schlingen sind sehr schädlich. Unterhalb der letzten Stufe bei Straßburg riss die Strömung große Kies- und Sandmengen weg. Das Bett vertiefte sich um 2 Meter pro Jahr. Das gefährdete den Schiffsverkehr und senkte den Grundwasserspiegel. Die deshalb über den ganzen Strom gebauten Staustufen Gambsheim (1974) und Iffezheim (1977) verlagerten das Problem aber nur weiter stromabwärts. Unterhalb von Iffezheim muss die Sohlenvertiefung alljährlich mit 170000 m³ Kies ausgeglichen werden, die in den Rhein gekippt werden. Für die Wanderfische bedeuteten die Staustufen das endgültige Aus im Oberrhein. Sie können diese Hindernisse nicht überwinden.

Verschmutzung des Wassers

Um 1900 war der Rhein noch sehr reich an den Wanderfischen Rheinstör, Meerforelle, Neunauge, Maifisch und Lachs. Doch die Grubenwässer des Kohlen- und Salzbergbaus haben Fluss und Fisch schwer belastet. Hinzu kamen die ungeklärten Wässer der Industrie und der Haushalte. Nährstoffreiche Abwässer zehrten den Sauerstoffgehalt des Wassers auf. Giftige Schwermetalle taten ein Übriges. Der Rheinlachs starb in den sechziger Jahre einfach aus – unbemerkt vom Wirtschaftswunder.

Die rettende Katastrophe

In dieser Situation kam dem Rhein der Brandunfall in Schweizerhalle bei Basel am 1. November 1986 zur Hilfe. Das ausgelaufene Herbizid Atrazin ließ die Fische bis in den Niederrhein sterben. Der sogenannte Sandoz-Unfall machte plötzlich klar, dass der Rhein noch nicht verloren war. Wenn so viele Fische an der Wasseroberfläche trieben, mussten diese ja zuvor im tot geglaubten Rhein gelebt haben.

Programm "Lachs 2000"

Die Internationale Kommission zum Schutze des Rheins gegen Verunreinigungen (IKSR) wurde 1950 gegründet. Doch erst der Sandoz-Unfall machte das Aktionsprogramm "Lachs 2000" möglich. Mit Geldern aus Brüssel und den Anrainerstaaten und mit viel Privatinitiative ist das Ziel, den Lachs und andere Wanderfische wieder im ganzen Rhein anzusiedeln, auf den Weg gebracht worden.

Die Aufgabe ist gewaltig. Ruhezonen und Laichplätze müssen geschaffen, Ufer bepflanzt, Bachläufe verwildert, Wehre beseitigt werden. Inseln sollen angelegt und Altwässer wieder an den Rhein angeschlossen werden. Fischbrut muss ausgesetzt und der Erfolg aller Maßnahmen ständig überwacht werden. Gleichzeitig wird die Ökologie des Rheins systematisch erforscht. Sogar mit Echolot ist man den Wanderungen der Fische auf der Spur.

Ein steiniger Weg nach oben

Die Schleusen an den Abschlussdeichen des Rheindeltas und des Ijsselmeers sind die erste Hürde für die Lachse. Doch am Mittelrhein zeigten sich bereits erste Erfolge der Maßnahmen und stimmen hoffnungsvoll: 1999 wurden 100 Lachse in der Sieg gesichtet, acht in der Ahr und ebenfalls acht in der Lahn. Dreh- und Angelpunkt der Wanderwege am Oberrhein sind die dortigen Kraftwerke und Staustufen. Im März 2000 wird der Fischpass der Staustufe Iffezheim fertig. Er kostet 15 Millionen DM. 2003 soll bei Gambsheim der zweite Fischpass entstehen. Die Lachse können dann auf elsässischer Seite die Ill und auf badischer Seite die Kinzig "zurückerobern". Das Problem des fehlenden Wassers im Rhein zwischen Breisach und Basel ist damit noch nicht gelöst. Bis Basel und damit bis zum Hochrhein hat der Lachs noch einen gehörigen Weg vor sich.

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