Kommentar

Einspruch, Euer Ehren

Wut, Entsetzen, Verbitterung - kaum jemand von uns, der am letzten Mittwoch die Rheinische Post gelesen hat, wird frei von solchen Gefühlen gewesen sein. Da wird der scheidende ABDA-Sprecher Dr. Johannes Pieck als ordnungspolitischer Gralshüter des bewährten deutschen Apothekensystems und weitblickende Persönlichkeit gefeiert - und zugleich mit Äußerungen zitiert, die ebenso haarsträubend wie verletzend sind. Noch schlimmer: sie sind schlicht falsch, sie verzeichnen defätistisch, wie die Öffentlichkeit die Apotheker wahrnimmt. Kurz: eine groteske Verzerrung der Wirklichkeit, eine pauschale Verunglimpfung eines Berufsstandes, der in seiner übergroßen Mehrheit nicht dem Bild entspricht, das die wörtlich zitierten Äußerungen Piecks von ihm zeichnen.

Schwarze Schafe gibt es überall - bei Juristen und Kaufleuten, bei Journalisten und Politikern, und natürlich auch bei Ärzten und Apothekern. Müssen wir uns deshalb vor unseren Patienten, vor der breiten Öffentlichkeit durch unseren eigenen Sprecher in die Pfanne hauen lassen, dass es nur so kracht? Ich kann die Kollegen aus dem Verbreitungsgebiet der Rheinischen Post verstehen, die wutschnaubend schon am Mittwoch Morgen bei uns anriefen. Die sorgsam von Gänsefüßchen eingerahmten Zitate erstickten jeden Zweifel, dass Pieck das alles auch wirklich so gesagt hat. Dass Gänsefüßchen so treten können - wer hätte das gedacht?

Wenn die erste, zweite und dritte Wut verraucht ist, beginnen die Fragen. Kann Pieck, der wortgewandte Jurist, das so, wie zitiert, gesagt haben? Ja, es war wohl so. Und wenn es so war: in welchem Kontext, mit welchem Bezug? Sind die Bezüge bei der Zusammenfassung einer tour d'horizon, die über drei Stunden ging, vielleicht verloren gegangen? Vieles spricht dafür. Unser Nachfassen legt nah: weder der Interviewte noch der Interviewer haben gewollt, was sie angerichtet haben. Pieck, eitel verliebt in seine Formulierungsideen, hat wohl unachtsam über Stunden munter drauf los fabuliert. Er ließ seiner persönlichen Neigung zum Defätismus und Pessimismus freien Lauf - nicht zum ersten Mal, nun aber mit verhängnisvoller Außenwirkung. Er hätte wissen müssen: in dem Steinbruch, den er da zurücklies, wird Klaus Heinemann mit seinen berufeigenen Jagdtrieb die Brocken mit den meisten Ecken, Kanten und Konturen auflesen. Pieck kann keinen Anfängerbonus beanspruchen. Hätte er etwa fest erwarten dürfen, dass Heinemann so nicht formulieren würde? In jedem Fall gilt für Pieck: Si tacuisses ... - weniger wäre mehr gewesen. Er hatte auf eine Eloge gehofft. Alles spricht dafür: Klaus Heinemann, Träger der Ehrennadel der deutschen Apotheker, wollte ihm dies eigentlich bieten. Ein Desaster ist daraus geworden - für den Berufsstand, für die große Mehrheit der rechtschaffenen und engagierten Apotheker zuallererst; sicher aber auch für Pieck. Das ist nicht ohne Tragik. Ganz am Ende einer Karriere, in der er für die Apothekerschaft sehr viel geleistet hat: rhetorische Kompetenz als Verhängnis; statt dessen ein Anfall verbaler Inkontinenz, der alles zerstören soll? Klaus G. Brauer

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