Kommentar

Schwieriges Gelände

Die Gesundheitspolitik gilt gemeinhin als ein äußerst schwierig zu beackerndes Gelände - sei es im Hinblick auf die tatsächlichen und objektiven Schwierigkeiten in der Sache oder auch vor dem Hintergrund der diversen Lobbys, die als besonders machtvoll gelten. Letzteres ist wohl der Grund dafür, dass das Sommertheater kein lustiges Spektakel ist, sondern eher einem kleinen Drama ähnelt. Denn anstelle die Sommerpause zu nutzen und sachlich - d.h. auch mit Kompromissbereitschaft ausgestattet - miteinander eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten, werden taktische Geschütze ausgefahren. Dieses Verhalten ist beklagenswert, gleichwohl ist das Muster bekannt. Das Interessante daran sind die Allianzen über die Parteigrenzen hinweg. So versuchen Grüne, FDP, CDU und Arbeitgeberverband die Ministerin mit dem Hinweis auf eine Kostenexplosion zum sofortigen Handeln zu bewegen. Kostenexplosion ist ein schönes Wort und eine passable Drohkulisse zugleich. Dabei dürfte aber gerade eine undurchdachte Schnellschuss-Reform langfristig den größeren Schaden anrichten, als ein in Ruhe erarbeitetes Konzept. Ein gutes Beispiel für überhastetes Handeln gleichsam "im Kleinen", ist der gerade in diesen Tagen gekippte Mindestbeitragssatz von 12,5 % bei den Krankenkassen. Dass gut Ding Weile haben muss, wissen auch die Gegner von Ulla Schmidt, die sie aus taktischen Gründen bedrängeln und darauf hoffen, dass sie wahlentscheidende Fehler macht. Aus genau denselben Gründen versucht die SPD unter umgekehrten Vorzeichen auf Zeit zu spielen, auch wenn Ulla Schmidt neuerdings beteuert, sie werde die Karten vor den Wahlen offen legen. Sehr interessant ist auch die Formulierung, mit der Kanzler Schröder den Vorstoß seines Wirtschaftsministers zu mehr Eigenvorsorge kommentiert: Zwar sei dies nicht die Position der SPD, er werde aber seinem intelligenten Herrn Müller nicht "das unorthodoxe Denken verbieten." Ob da mal jemand nicht seinen unorthodoxen Meinungsschwenk vorbereitet? Schlagen bei Gerhard Schröder womöglich zwei Herzen in der Brust, nämlich das des ökonomisch ausgeschlafenen Automannes einerseits und dasjenige des in treuer Volkssolidarität fest verankerten Sozialdemokraten alter Prägung andererseits? Claus Ritzi

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