Kommentar

Würfeln bei Arzneimitteln

Die Bundesgesundheitsministerin ist nervös geworden. Hektisch ist sie in einen Aktionismus verfallen, der an Planlosigkeit kaum zu überbieten ist. Sie fürchtet - die nächste Bundestagswahl bereits im Blick - Beitragssatzerhöhungen der Krankenkassen und meint, mit ihrem Hinlangen im Arzneimittelbereich die gröbsten Löcher stopfen zu können.

In dieser Woche beraten die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen das heftig umstrittene Sparvorhaben. Machen wir uns nichts vor. Zwar hat der Bundeswirtschaftsminister öffentlich Bauchschmerzen über den geplanten Eingriff bei den Arzneimittelpreisen bekundet, aber es ist nicht vorstellbar, dass jetzt der Entwurf der Ministerin gekippt wird, auch nicht in den Regierungs-Fraktionen. Vielleicht wird noch das eine oder andere in Nuancen abgemildert, aber vom Grundsatz her wird Ulla Schmidt ihr Vorhaben durchdrücken.

An den Ursachen der klammen Kassen - politische Verschiebebahnhöfe, also Belastungen der Kassen in Milliardenhöhe, Geschenke nach der 98er Wahl, insgesamt sinkende Einnahmen eben - rührt die Ministerin nicht, stattdessen muss der Arzneisektor trotz relativer Preisstabilität herhalten, und warum? Mit schnellen Eingriffen ist hier offenkundig leichter als anderswo Geld einzusammeln. Die Apotheken trifft die Erhöhung des Kassenzwangsrabatts auf sechs Prozent besonders hart. Aber auch die anderen Einschnitte wie den Preisabschlag werden sie spüren.

Planlos ist das Ganze, es passt kaum etwas zusammen. Warum der höhere Kassenzwangsrabatt? Das belastet völlig einseitig und über Gebühr die Apotheken. Dann aut idem in einer Form, die die Pharmazeuten so nicht wollen können, von der Auswahl nach Qualitätsgesichtspunkten ist gar nicht die Rede, es dominiert nur der Preis. Wie hoch soll die Generikaquote noch geschraubt werden? In einigen Regionen liegt sie bereits bei 75 Prozent, Deutschland ist hier einsame Spitze. Passt der neue Sparplan von Schmidt mit der Festbetrags-Neuregelung zusammen? Dort wurde vor wenigen Monaten erst ein Kompromiss gefunden, bei dem ernsthaft über Versorgungsmöglichkeiten diskutiert wurde. Nach zähem Ringen übrigens, weil die Höhe des Einsparpotenzials damals offenbar ausgewürfelt wurde, bis man bei 650 Millionen Mark Einsparung landete, aus denen dann 750 Millionen wurden.

Apropos Würfeln, die Vermutung liegt auch bei den jetzigen drastischen Maßnahmen nah. Die Summen, was wo genau gespart werden soll, sind unklar, nicht alles konnte das Ministerium bisher abschätzen. Erst waren drei Milliarden Mark im Gespräch, jetzt "nur" noch zwei. Das ist nicht sehr vertrauenerweckend. Warum dieser Schnellschuss? Wollte Ulla Schmidt Handlungsfähigkeit demonstrieren, weil ihr ein "Schmusekurs" gegenüber Ärzten, Apothekern und Industrie vorgeworfen wurde? Dafür spricht einiges. Selbst wenn noch kleine Minikorrekturen kommen, bleibt der Eindruck: Das ganze Vorhaben ist schlecht, schlechte Politik.

Es droht der Verlust von Arbeitsplätzen in den Offizinen. Negativ werden die Folge zudem für Forschung und Entwicklung in Deutschland sein. Die ersten Pharma-Unternehmen haben bereits Stopps bei den Investitionen und den Mitarbeiter-Einstellungen verfügt. Auch hier droht Stellenabbau. Dabei handelt es sich bei F & E um qualifizierte Arbeitsplätze, unter anderem für PTA oder ApothekerInnen.

Ulla Schmidts Schnellschuss ist schädlich für den Pharma-Standort, gerade zu einer Zeit, wo wir diejenigen Firmen, die aus Übersee einen Stützpunkt in Europa suchen, nach Deutschland locken sollten, mit attraktiven Rahmenbedingungen.

Hier zeigt sich wieder einmal, dass Gesundheitspolitik nicht gleichzeitig als Wirtschaftspolitik verstanden wird. Beides gehört aber zusammen.

Susanne Imhoff-Hasse

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.