Fortbildung

S. WasielewskiAtemwege – Zielscheibe unterschi

Erkrankungen der Atemwege standen im Mittelpunkt der großen Frühjahrsfortbildungstagung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe in Münster. Das Spektrum reichte von viralen und bakteriellen Atemwegserkrankungen über Bronchialasthma bis zu Allergien. Der Vormittag hatte es in sich: Etwa 500 Apotheker und Apothekerinnen bekamen unter anderem Einblick in das Liebesleben der Hausstaubmilbe und hatten an diesem 1. April viel zu lachen.

Atemwegsinfektionen sind sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen die häufigste Ursache für Arztbesuche. Die erfolgreiche antibiotische Behandlung bakterieller Atemwegsinfekte setzt voraus, dass man

  • die (üblichen) Erreger,
  • Ihre Antibiotikaempfindlichkeit
  • und die Pharmakokinetik der Antibiotika

kennt. Damit ein Antibiotikum wirken kann, muss im Serum mindestens die minimale Hemmkonzentration (MHK) vorhanden sein. Bei einem Beta-Lactam-Antibiotikum sollte die Serumkonzentration für mindestens 40% des Dosierungsintervalls über der MHK liegen.

Nüchtern oder zur Mahlzeit?

Die orale Bioverfügbarkeit einiger Antibiotika hängt sehr stark von der Nahrungsaufnahme ab. Bei Ceftibuten (Keimax®), Azithromycin (Zithromax®) und Roxithromycin (Rulid®) sinkt die orale Bioverfügbarkeit bei Einnahme mit Nahrung deutlich. Daher sollten diese Antibiotika nüchtern eingenommen werden. Der Zeitraum eine Stunde vor bis zwei Stunden nach dem Essen ist für sie tabu.

Dagegen steigt die orale Bioverfügbarkeit anderer Antibiotika bei Einnahme mit der Mahlzeit; Cefpodoximproxetil (Orelox®, Podomexef®), Cefuroximaxetil (Elobact®) und Cefetametpivoxil (Globocef®) sollten unbedingt mit Nahrung aufgenommen werden. Erbrechen und Durchfall verringern die Antibiotikaresorption. Sie sind bei Kindern eine häufige Begleiterscheinung von Atemwegsinfektionen.

Jede Antibiotikatherapie muss gut überlegt sein. Die wichtigste Nebenwirkung aus der Sicht der Infektiologen ist ihr Selektionsdruck. So tötet beispielsweise Amoxicillin Escherichia coli im Darm ab und kann so eine starke Vermehrung von Klebsiellen fördern. Diese führen unter ungünstigen Bedingungen zu neuen Erkrankungen und sogar zur Sepsis.

Keine Frage der Kosten!

Da die Gabe von Antibiotika eine kausale Behandlung ist, sollte an ihnen nicht gespart werden. Eine teure, aber richtige Antibiotikatherapie hilft in der Regel die Gesamtkosten sparen. An zwei akuten Erkrankungen der oberen Atemwege, der Mandel- und der Mittelohrentzündung, soll nachfolgend die richtige antibiotische Therapie vorgestellt werden.

Akute Mandelentzündung

In den meisten Fällen wird die Tonsillitis durch Viren ausgelöst und kann nicht kausal behandelt werden. Eine bakterielle Tonsillitis wird in der Regel durch Streptokokken der Gruppe A verursacht. Mittel der Wahl ist – aus ökonomischen Gründen – Phenoxymethylpenicillin. Es muss hoch dosiert zweimal täglich eingenommen werden.

Bei Versagen einer Penicillin-Therapie, bei schwerer Grundkrankheit oder Notwendigkeit einer schnellen Wirkung sollte man Oralcephalosporine vorziehen. Ihre klinische und bakteriologische Versagerquote ist noch kleiner als die des Penicillins (5% und 8% gegenüber 11% und 16%). Makrolide sollte man bei Mandelentzündung nur dann einsetzen, wenn kein Makrolid-resistenter Stamm vorliegt. In manchen Regionen Deutschlands hat die Makrolid-Resistenz der A-Streptokokken über 20% erreicht.

Weltweit wird bei bakterieller Mandelentzündung eine zehntägige Penicillin-Therapie empfohlen. Allerdings brechen viele Patienten die Behandlung vorzeitig ab. Eine Studie an knapp 5000 Kindern zeigte, dass eine Fünf-Tage-Therapie mit ausgewählten Antibiotika (hier: Amoxicillin plus Clavulansäure, Cefuroximaxetil oder Loracarbef) ausreicht.

Akute Mittelohrentzündung

Die akute Mittelohrentzündung tritt fast nur im Kindesalter auf. Die wichtigste Behandlung ist die Gabe Schleimhaut-abschwellender Nasentropfen. Früher wurde eine Mittelohrentzündung prinzipiell antibiotisch behandelt. Aufgrund der hohen Selbstheilungsrate von etwa 70% ist man von dieser generellen Behandlungsempfehlung abgekommen. Nach wie vor gilt jedoch:

  • Die akute Mittelohrentzündung ist eine ernst zu nehmende Erkrankung.
  • Sie geht immer mit einem Erguss einher, der lange bestehen bleiben kann.
  • In seltenen Fällen – meist ausgelöst durch Staphylococcus aureus – kann eine unbehandelte oder falsch behandelte Mittelohrentzündung zu Komplikationen, wie Mastoiditis, Meningitis und Gelenkentzündungen, führen.

Unbedingt antibiotisch behandelt werden sollte eine Mittelohrentzündung bei Kindern unter zwei Jahren, bei Kindern mit schwerer Grundkrankheit oder Influenza und wenn ausgeprägte Symptome auftreten.

Alle bakteriellen Erreger der Mittelohrentzündung sind empfindlich gegenüber

  • Beta-Lactamase-Hemmer-Kombinationen (z. B. Augmentan®) und
  • den Oralcephalosporinen Cefuroximaxetil, Cefpodoximproxetil und Loracarbef (Lorafem®).

Ceftibuten und Cefixim erfassen Staphylococcus aureus nicht und haben aufgrund ihres ansonsten sehr breiten Spektrums einen zu hohen Selektionsdruck.

Influenza

Die Influenza wird durch Influenza-A- oder -B-Viren verursacht. Im Unterschied zu grippalen Infekten verläuft sie häufig schwer. Sie tritt plötzlich auf, geht mit Fieber, Husten, Kopf- und Gliederschmerzen einher und hat oft eine lange Rekonvaleszenz-Zeit.

Die Influenza-Sterblichkeit bei Säuglingen und älteren Menschen (ab 60 Jahre) ist hoch. Mit nur 10 bis 15% ist die Durchimpfungsrate gegen Influenza noch sehr gering. Der Influenza-Schnelltest im Nasenabstrich oder Nasenspülwasser hat eine Sensitivität von immerhin 75 bis 85%. Eine Möglichkeit zur kausalen Behandlung besteht nur in den ersten 24 (eventuell 48) Stunden einer Influenza-Erkrankung. Mit Zanamivir (Relenza®) und demnächst mit Oseltamivir (Tamiflu®) kann versucht werden, die Freisetzung neuer Virionen zu verhindern. Zanamivir wird inhaliert, Oseltamivir oral eingenommen. Zanamivir kann in der halben Dosis auch prophylaktisch eingenommen werden. Bei Kindern steht zur frühen Influenza-Behandlung außerdem Amantadin (InfectoFlu®) zur Verfügung. Amantadin führt bei Erwachsenen häufig zu Nebenwirkungen.

Bronchialasthma

5% der Erwachsenen und 10% der Kinder in Deutschland leiden an Asthma. Die Häufigkeit scheint weltweit zu steigen. Während die Prävalenz vor 20 Jahren noch etwa 2% betrug, liegt sie inzwischen in manchen Ländern weit über 10% (z. B. Neuseeland).

Die Asthmasterblichkeit ist in Deutschland konstant geblieben. Sie beträgt bei jüngeren Personen etwa 0,6/100 000 Einwohner (etwa 500 Todesfälle im Jahr). Diese Zahlen beschränken sich auf 5- bis 34-Jährige, weil bei älteren Patienten schwerer zwischen Asthma und obstruktiver Bronchitis unterschieden werden kann.

Chronische Entzündung

Asthma ist eine chronische Entzündung der Atemwege, die durch bronchiale Überempfindlichkeit und eine variable Atemwegsobstruktion charakterisiert wird. Zu den Symptomen gehören anfallsartig auftretende Atemnot, Husten (besonders nachts), Giemen und glasig-zähes Sputum. Asthma wird in vier Schweregrade eingeteilt: 1 = intermittierend, 2 = persistierend und leicht, 3 = persistierend und mittelgradig, 4 = persistierend und schwer. 95% aller Asthmapatienten weisen einen Schweregrad von 1 bis 3 auf. Sie sind gut behandelbar. Nur 5% der Asthmapatienten haben ein schweres Asthma. Unter diesen Patienten gibt es einige, die man bislang nicht adäquat behandeln kann.

Auch Formoterol als Bedarfsmedikation

Die aktuellen Therapieempfehlungen für (Stufenplan) kann man unter der Internet-Adresse www.atemwegsliga.de einsehen. Eine Neuerung in der Asthmatherapie: Als Bedarfsmedikation sind nicht mehr nur kurz wirksame beta2-Sympathomimetika, sondern auch das lang wirksame Formoterol (Oxis®) zugelassen.

Inhalative Glucocorticoide hemmen alle Schritte der Entzündungsreaktion und greifen auch in das Remodelling (die Fibrose, das allmähliche Erstarren) der Bronchuswand ein. Sie bewirken eine allmähliche Abnahme der bronchialen Überempfindlichkeit. Von den auf dem deutschen Markt befindlichen Glucocorticoiden hat Fluticason (z. B. Flutide®) eine minimale orale Bioverfügbarkeit und daher sehr geringe unerwünschte systemische Wirkungen.

Fixe Kombinationen

Feste Arzneimittel-Kombinationen sollen die Compliance fördern. Die einzige sinnvolle Kombination für die Asthmatherapie besteht aus der Inhalation eines lang wirksamen beta2-Sympathomimetikums und eines Glucocorticoids, wie Formoterol und Budesonid. Die Dosierungsintervalle (eine Dosis morgens und abends) passen zusammen.

Montelukast als Zusatz zu Glucocorticoiden

Leukotrien-Antagonisten sind die einzige Neuerung der letzten zehn Jahre in der Asthmatherapie. Montelukast (Singulair®) wurde in Deutschland nur als Add-on-Therapie und nicht als Ersatz zu inhalativen Glucocorticoiden zugelassen (mit dem Ziel der Glucocorticoid-Dosisreduktion). Bei uns werden Leukotrien-Antagonisten erst an 3% der Asthmatiker verordnet. In den USA haben sie bereits einen Marktanteil von über 50% erreicht.

Allergien

In Deutschland leidet etwa jeder Fünfte an einer allergischen Erkrankung, Tendenz steigend. Worauf die steigende Allergie-Häufigkeit beruht, ist noch nicht endgültig geklärt. Die allgemeine Luftverschmutzung, das Zigarettenrauchen, Dieselabgase und eine schlechte Innenraumluft scheinen keine Rolle zu spielen. Die Allergie-Häufigkeit korreliert umgekehrt mit der Familiengröße. Kinder mit mehreren Geschwistern, die ja in den ersten Lebensjahren viele Infekte durchmachen, erkranken seltener an Allergien. Möglicherweise schützt das Endotoxin gramnegativer Bakterien vor Allergien.

Die häufigsten Allergien in Deutschland sind Pollenallergien. In den letzten Jahren haben insbesondere Allergien gegen Baumpollen, wie Haselnuss, Erle und Birke, zugenommen. Diese gehen mit Allergien gegen Kern- und Steinobst – darunter Apfel, Pfirsich, Kirsche – und Kiwi einher. Der Allergiker spürt beim Verzehr dieser Früchte ein unangenehmes Gefühl im Mundraum.

Wenn schon Äpfel, dann rot und frisch

Ein praktischer Tipp: Rote Äpfel enthalten im Allgemeinen weniger Allergene als grüne; frische weniger als lang gelagerte. Apfelmus vertragen auch Allergiker, da ein zweiminütiges Erhitzen auf mindestens 56 Grad Celsius die Allergene zerstört.

Allergien gegen Hausstaubmilben stehen an zweiter Stelle der Allergie-Häufigkeitsliste. Zur Behandlung gehören Karenzmaßnahmen:

  • dichte Bezüge für Matratze, Oberbett und Kopfkissen ("Encasing"),
  • wenig Teppich,
  • wenig andere textile Materialien im Schlafzimmer,
  • Staubsauger mit Mikrofilter (HEPA-Filter),
  • viel lüften.

Keine Milbenallergene in der Luft

Im Zusammenhang mit Hausstaubmilbenallergien muss man einige falsche Vorstellungen ausräumen:

  • Milbenallergene befinden sich praktisch nicht in der Luft. Daher sind Luftreiniger bei Milbenallergien unsinnig.
  • Daunenbetten enthalten nicht mehr Milbenallergene als Synthetikdecken.
  • Kurzflorige Teppiche sind nicht sinnvoller als langflorige. Glatte, abwaschbare Böden sollte man unbedingt vorziehen.

Allergieauslösend wirken übrigens weder die Milben selbst noch die Milbeneier, sondern nur der Milbenkot, der von den Milben sorgfältig in "Beutel" verpackt wird. Diese Verpackung wird durch Heizungswärme zerstört. Milben kann man nicht gänzlich meiden. Auch wenn man sich zu Hause weitgehend davor schützt, ist man dem Milbenallergen in Kinos, öffentlichen Verkehrsmitteln und öffentlichen Gebäuden ausgesetzt.

Wie auch bei anderen Allergien kann bei Hausstaubmilbenallergie eine Immuntherapie hilfreich sein. Sie ist neuerdings auch sublingual möglich, wobei die Tropfen etwa zwei Minuten im Mund behalten werden sollen. Die Allergene können gut durch die Mundschleimhaut aufgenommen werden. Eine Immuntherapie hat umso größere Erfolge, je früher sie einsetzt. Idealerweise besteht die Krankheit noch nicht länger als fünf Jahre und der Patient ist zwischen und 5 und 50 Jahren alt.

So verduften Milben

Durch elektronenmikroskopische Untersuchungen weiß man jetzt, dass Milben ein Riechorgan besitzen (am ersten Vorderbeinpaar). Milben können zwei Arten von Duftstoffen produzieren:

  • Wohlfühlduftstoffe, die Weibchen insbesondere den Geschlechtsduftstoff, und
  • Alarm-Duftstoffe.

Die Milben-Abwehr der Zukunft könnte demnach aus Alarm-Pheromonen bestehen, mit denen man die Matratze des Allergikers tränkt. Eine zweite Möglichkeit: Indem man den Geschlechtsduftstoff der Weibchen mit einem Gift versetzt, könnte man die gesamte männliche Milbenbevölkerung auslöschen.

Katzenallergie auch ohne Katze

Bei den Tierhaarallergien sind die Katzenallergien führend. Man braucht noch nicht einmal eine Katze zu haben, um eine Katzenallergie zu entwickeln. Katzenhaare bleiben an der Kleidung haften und werden so weitergegeben. Jeder zweite Katzenallergiker in Deutschland hat nie eine eigene Katze gehabt. Die beste Karenzmaßnahme – das Abschaffen seiner Katze – akzeptiert nicht jeder Allergiker.

Was sonst noch helfen kann:

  • direkten und indirekten Katzenkontakt meiden (Katzenbesitzer meiden),
  • wenig Teppich,
  • Staubsauger mit Mikrofilter,
  • viel lüften,
  • Katze nicht ins Schlafzimmer lassen,
  • eventuell Katze regelmäßig waschen (wenig praktikabel).

Hunde- und Vogelallergien sind relativ selten.

Buchtipps für Allergiker

Kleine-Tebbe, Jörg. Pollen, Milben und Co. - was tun bei Allergien? Edition medpharm: Patientenberatung. Medpharm Scientific Publ., Stuttgart 1997. DM 12,80. ISBN 3-88763-055-6

Niedner, Roland/Berger, Reinhild. Heuschnupfen und Arzneimittel. Edition medpharm: Patientenberatung. Medpharm Scientific Publ., Stuttgart 1994. DM 6,80.

Quelle: Priv.-Doz. Dr. Horst Scholz, Berlin, Prof. Dr. Ralf Wettengel, Bad Lippspringe, Prof. Dr. Karl-Christian Bergmann, Bad Lippspringe. Wissenschaftliche Vortrags- und Fortbildungsveranstaltung "Erkrankungen der Atemwege" der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, 1. April 2001 in Münster. ISBN 3-88763-031-9

Zu bestellen bei: Deutscher Apotheker Verlag, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart, Telefon (07 11) 25 82-3 42 (-3 41), Telefax (07 11) 25 82-2 90, Bestell-Service: freecall 08 00/2 99 00 00

Internet

Zwei Internetadressen zum Thema Allergien: www.adiz.de Allergie-Dokumentations- und Informations-Zentrum in Bad Lippspringe www.milbenforschung de.

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