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EU will Nahrungsergänzungsmittel aus Grauzone holen
In jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union sind Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt, allerdings ist eine völlig uneinheitliche Situation hinsichtlich des Rechtsstatus dieser Produkte innerhalb Europas festzustellen, die zu Handelshemmnissen im Binnenmarkt geführt hat. Eine europaweit einheitliche Regelung für Nahrungsergänzungsmittel solle Abhilfe schaffen und sei daher prinzipiell zu begrüßen, so Frau Müller. Auch vor dem Hintergrund eines zunehmenden Internet-Handels mit solchen Produkten sei eine Regelung dringend erforderlich.
Die Europäische Kommission legte im Mai 2000 einen Vorschlag für eine Richtlinie für Nahrungsergänzungsmittel vor, die erste Lesung dazu fand im Februar 2001 statt, der geänderte Richtlinienvorschlag der Kommission stammt vom März 2001; mit einem gemeinsamen Standpunkt ist in Kürze zu rechnen.
Der vorliegende Richtlinienentwurf bezieht sich dabei zunächst auf Vitamine und Mineralstoffe, zu einem späteren Zeitpunkt sollen andere Stoffe, die für Nahrungsergänzungsmittel von Interesse sind, einbezogen werden.
Definition "Nahrungsergänzungsmittel" zu liberal gefasst
Erstmals soll die Produktgruppe der Nahrungsergänzungsmittel mit dieser EU-Richtlinie begrifflich definiert werden. Während die erste Fassung des Kommissionsvorschlags Nahrungsergänzungsmittel als Lebensmittel bezeichnet, die Nährstoffe in konzentrierter Form, allein oder in Kombination, enthalten, hat das Europäische Parlament die Definition nun ausgeweitet auf "Nährstoffe und andere Stoffe mit nutritiver oder physiologischer Funktion".
Wie Vertreter des BAH auf der Pressekonferenz hierzu anmerkten, begrüße man generell das Vorhaben der EU, den Bereich der Nahrungsergänzungsmittel europaweit zu regulieren. Allerdings werde die Zielsetzung der Richtlinie insgesamt durch die aktuelle liberale Definition des Begriffes, in dem der Bereich der Produkte aus Stoffen, die ausschließlich eine physiologische Funktion haben, gefährdet. Denn dadurch würden grundsätzlich auch solche Stoffe erfasst, die bisher dem Arzneimittelbereich, insbesondere dem pflanzlichen Segment vorbehalten waren.
Zudem fänden sich bei fast jeder Substanz auch physiologische Wirkungen, weshalb durch eine solche vage Definition die politische Intention aufgegeben würde, solche Produkte zu regeln. Hinzu komme, dass mit einer solchen Definition letztendlich auch derzeit zu Recht als zweifelhaft eingestufte Produkte eine rechtliche Basis bekämen. Der von allen Beteiligten bemängelte "Graubereich" würde dadurch nicht beseitigt, sondern vergrößert.
Start mit Vitaminen und Mineralstoffen
Die Richtlinie soll, so erläuterte es Frau Müller, sich zunächst auf Vitamin- und Mineralstoffsupplemente beziehen, wobei man mittlerweile vom ersten Kommissionsvorschlag abgerückt ist, nur die Vitamine und die essenziellen Mineralstoffe aufzunehmen. Man habe sich aber dafür ausgesprochen, weitere Mineralien in die Liste der zugelassenen Stoffe aufzunehmen, die in Nahrungsergänzungsmitteln in definierten Mengen zulässig seien, insbesondere gehe es dabei um verschiedene Siliciumverbindungen.
Da die Nahrungsergänzungsmittel neben Vitaminen und Mineralstoffen auch andere Stoffe enthalten, so zum Beispiel Aminosäuren, Fettsäuren oder bestimmte pflanzliche Inhaltsstoffe, hat sich das Europäische Parlament dafür ausgesprochen, bereits jetzt weitere Stoffe aufzunehmen, wenn sie wissenschaftlich bewertet sind und als sicher eingestuft werden.
Umfassende Informationen für Verbraucher
Mit der neuen EU-Richtlinie für Nahrungsergänzungsmittel soll dann auch gewährleistet sein, dass der Verbraucher über die jeweiligen Produkte eine umfassende Information erhält. So sollen Nahrungsergänzungsmittel in Zukunft deutlich als solche gekennzeichnet werden, um eine Verwechslung mit Arzneimitteln auszuschließen. Bei solchen Produkten muss auch klar hervorgehen, dass sie nicht zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer Erkrankung dienen, auch die empfohlene tägliche Verzehrsmenge muss angegeben werden.
Darüber hinaus dürfen die Nahrungsergänzungsmittel keine Hinweise oder Angaben enthalten, die beim Verbraucher den Eindruck erwecken könnten, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung nicht ausreichend Nährstoffe liefern könnte, es sei denn, eine solche Aussage ist wissenschaftlich begründet.
Keine Regelungen zur Produktqualität
Das Thema Herstellung und Produktqualität von Nahrungsergänzungsmitteln klammert der Richtlinienentwurf aus. So hält die Europäische Kommission über die allgemeinen Lebensmittelvorschriften hinausgehende Vorgaben für diese Produkte nicht für erforderlich.
Wie Frau Müller anmerkte, wird dabei allerdings außer acht gelassen, dass Nahrungsergänzungsmittel Besonderheiten gegenüber den Lebensmitteln des täglichen Verzehrs aufweisen, wobei die Basisvorschriften für Lebensmittel den Anforderungen an Nahrungsergänzungsmittel möglicherweise nicht ausreichend Rechnung tragen.
Im Gegensatz zu Lebensmitteln könne sich der Verbraucher bei Nahrungsergänzungsmitteln über die Qualität des Produktes kein eigenes Urteil bilden, außerdem würden Stoffe, die in Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt werden, zum Teil im Milligrammbereich verarbeitet, was eine besondere Sorgfalt im Produktionsprozess erfordert.
Man wolle daher diesen Punkt, so Frau Müller, nochmals mit der Kommission und den Mitgliedstaaten diskutieren. Das Europäische Parlament hat bereits dafür plädiert, dass der Aspekt "Herstellung und Produktqualität bei Supplementen" in der Richtlinie verankert wird. Außerdem gebe es auch bereits in den USA Bestrebungen, die Produktqualität von Nahrungsergänzungsmitteln durch Einführung von speziellen Herstellungsstandards (GMP - Good Manufacturing Practice) sicher zu stellen.
Das Europäische Parlament plädiert auch dafür, dass Supplemente vor ihrer Markteinführung angemeldet werden müssen. Durch ein solches Verfahren könnte ein Minimum an behördlicher Kontrolle erfolgen, der Markt der Nahrungsergänzungsmittel würde transparenter.
Handelshemmnisse werden beseitigt
Insgesamt, so stellte Frau Müller fest, sei die europäische Regelung für Nahrungsergänzungsmittel zu begrüßen. Diese Regelung könne Handelshemmnisse im Binnenmarkt beseitigen, das Image der Nahrungsergänzungsmittel könnte sich verbessern, der europäische Markt auf diesem Gebiet würde transparenter.
Größerer Diskussionsbedarf sei allerdings noch beim Thema der Werbeaussagen und der so genannten "claims" zu erwarten. Denn erst durch Aussagen über ihre gesundheitsfördernden Eigenschaften bekämen Nahrungsergänzungsmittel ihr Profil. Insbesondere würden die "risk reduction claims" kontrovers diskutiert, also Aussagen, bei denen es darum geht, ob man mit Einnahme eines Produkts bestimmten Gesundheitsrisiken vorbeugen kann. Es könnte möglicherweise zu einer Kollision zwischen der Krankheitsvorbeugung im Sinne der Arzneimitteldefinition und diesen risk reductions claims kommen.
In diesem Punkt sieht auch der BAH einen Schwerpunkt seiner Arbeit, nämlich dafür Sorge zu tragen, dass der Bereich der Krankheitsprophylaxe auch zukünftig den Arzneimitteln vorbehalten bleibt. Grenzen zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln dürften sich nicht durch eine liberale Regelung bei den Lebensmittel-Claims vermischen und den Verbraucher mehr verwirren, als dass sie seiner Orientierung dienten.
Rechtssicherheit für Verbraucher, aber auch für Hersteller soll die europäische Regelung für Nahrungsergänzungsmittel bringen, die die Europäische Kommission im Mai des vergangenen Jahres vorlegte, und die seit März diesen Jahres als geänderter Richtlinienvorschlag der Kommission diskutiert wird. Es soll eine einheitliche Definition für Nahrungsergänzungsmittel geschaffen werden, es sollen Produktsicherheit und Verbraucherinformation geregelt werden, außerdem soll ein Meldeverfahren für Nahrungsergänzungsmittel eingeführt werden.
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