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Arzneimittel und Therapie
Rasburicase: Rekombinante Uratoxidase gegen das Tumorlysesyndrom
Bei dem Wirkstoff Rasburicase (Fasturtec®) handelt es sich um eine gentechnisch hergestellte Uratoxidase. Das rekombinante Enzym wandelt effektiv und schnell die bei einem Tumorlysesyndrom anfallende, sehr schlecht lösliche Harnsäure in Allantoin um. Allantoin ist 10-fach löslicher als Harnsäure und kann problemlos von den Nieren eliminiert werden. Der Wirkmechanismus basiert auf einem natürlich existierenden Stoffwechselweg, der bei den meisten Säugern vorkommt.
Tumorlyse bewirkt metabolische Störungen
Das Tumorlysesyndrom ist eine Komplikation der Tumorbehandlung, von der sowohl Kinder als auch Erwachsene mit schnell proliferierenden Tumoren wie hochmalignen Lymphomen oder Leukämien vor oder nach Einleitung der Chemotherapie betroffen sind. Diese onkologischen Erkrankungen werden in der Regel mit aggressiven Chemotherapie-Konzepten therapiert. Dabei kommt es zu einer schnellen Regression des Tumors und der Anflutung von verschiedenen intrazellulären Substanzen bzw. Metaboliten, die über die Nieren ausgeschieden werden. Deren Ausscheidungskapazitäten reichen jedoch häufig nicht aus, und es folgen metabolische Störungen wie Hyperurikämie, Hyperphosphatämie und andere Elektrolyt-Entgleisungen, die unter dem Begriff Tumorlysesyndrom zusammengefasst werden. Die Folge kann ein akutes Nierenversagen sein.
Die erhöhten Harnsäurespiegel im Serum stellen die größte Komplikation für die Patienten dar. Harnsäure ist eine leichte Säure und im alkalischen Milieu des Blutes normalerweise gut löslich. In den Nierentubuli herrscht jedoch ein deutlich niedrigerer pH-Wert, sodass die Löslichkeit der Harnsäure drastisch sinkt. Es kommt zur Ausbildung von Harnsäurekristallen in der Niere, die zu einem akuten Nierenversagen führen können.
Rekombinante Uratoxidase verhindert Hyperurikämie
Phase-III-Studien zeigten, dass mithilfe der rekombinanten Urat- oxidase die Harnsäure-Spiegel dauerhaft gesenkt werden können. Nach der Gabe des Wirkstoffes konnte trotz einer bestehenden Hyperurikämie bereits nach vier Stunden der Harnsäure-Spiegel um signifikante 80% gesenkt werden. Statistisch signifikant ist ebenfalls die Senkung der Harnsäure-Spiegel nach 24 bis 48 Stunden um 90%. Dadurch konnte die Nierenfunktion trotz Chemotherapie und Tumorlyse normalisiert und damit ein Nierenversagen verhindert werden.
Darüber hinaus erweist sich die Substanz sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen als sehr gut verträglich: in einer multizentrischen klinischen Prüfung traten lediglich bei 4 von 176 behandelten Patienten nur leichte Nebenwirkungen in Form von Fieber, Erbrechen, Myalgie und Urtikaria auf. Das Allergie-Potenzial ist sehr gering, und bei einer bestehenden Leber- oder Niereninsuffizienz ist eine Dosisanpassung nicht notwendig. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind nicht bekannt. Einzige Kontraindikation stellt ein G6PD-Mangel im Stoffwechsel dar.
Rasburicase im Vergleich mit Allopurinol
In einer Phase-III-Studie wurde Rasburicase mit Allopurinol verglichen, das bisher in der Therapie des Tumorlysesyndroms eingesetzt wurde. Insgesamt wurden 27 Patienten, die entweder an einem Non-Hodgkin-Lymphom oder einer akuten lymphatischen Leukämie litten, täglich entweder mit Rasburicase (0,2 mg/kg KG) oder mit Allopurinol in Standarddosierung behandelt.
Bei Patienten, die bereits erhöhte Plasma-Harnsäurespiegel aufwiesen, waren die Ergebnisse sehr positiv: Durch Rasburicase fiel innerhalb von 4 Stunden die Harnsäure von 10,4 auf 1,35 mg/dl. Unter Allopurinol-Gabe konnten die Harnsäure-Spiegel nur von 9,6 auf 8,8 mg/dl gesenkt werden. Die Normalwerte wurden erst nach 19 Stunden erreicht.
Innerhalb von 4 Stunden führte Rasburicase auch bei Patienten mit anfänglich normalen Harnsäurewerten zu einer signifikanten Reduktion der Plasma-Spiegel: Insgesamt konnten die Harnsäure-Spiegel von 5,2 auf 0,8 mg/dl bzw. 4,6 auf 3,9 mg/dl gesenkt werden (p = 0,0001). Nach 48 Stunden blieben in der Rasburicase-Gruppe die Harnsäurewerte trotz anschließender Chemotherapie im Normalbereich. In der Allopurinol-Gruppe entwickelten 9% eine Hyperurikämie.
Uratoxidase auch zur Prophylaxe
Die rekombinante Uratoxidase kann bei bestehenden Risikofaktoren auch zur Prophylaxe kurz vor einer Chemotherapie verabreicht werden. Kinder und Erwachsene erhalten eine Kurzinfusion von 5 bis 7 Tagen. Die Chemotherapie kann bereits nach der ersten Infusion begonnen werden. Damit wird gewährleistet, dass kein Anstieg der Harnsäure unter der Chemotherapie stattfindet. Ein akutes Nierenversagen wird entsprechend verhindert.
Zu den Risikofaktoren, die für den prophylaktischen Einsatz von Rasburicase sprechen, gehören z. B. vorbestehende Niereninsuffizienz oder erhöhte Kreatininspiegel, große Tumorzellmasse, erhöhter LDH-Spiegel, vorangegangene Untersuchung mit Kontrastmitteln, hohe Chemosensibilität und begleitende Therapie mit nephrotoxischen Substanzen.
Bisher stand in der Therapie des Tumorlysesyndroms nur Allopurinol zur Verfügung. Allopurinol hemmt die Xanthinoxidase, sodass die Umwandlung von Xanthin in Harnsäure nicht mehr katalysiert werden kann. Im Organismus sammeln sich jedoch Hypoxanthin und Xanthin an, die noch weniger wasserlöslich sind als Harnsäure. Dies kann zu einer Xanthin-Nephropathie führen. Gleichzeitig werden bereits bestehende Hyperurikämien nur sehr langsam und nicht ausreichend reduziert. Mit der rekombinanten Uratoxidase Rasburicase steht also eine Alternative für die Therapie des Tumorlysesyndroms zur Verfügung.
Sehr gute Verträglichkeit
Neben diesen guten Ergebnissen hat die rekombinante Uratoxidase auch ein gutes Verträglichkeitsprofil, was den Einsatz bei Erwachsenen und bei Kindern unproblematisch macht: Über Rasburicase sind keinerlei Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten bekannt. Bei einer bereits bestehenden Leber- und Niereninsuffizienz ist keine Dosisanpassung erforderlich, und auch das Allergie-Potenzial des Proteins ist ausgesprochen niedrig. In einer multizentrischen klinischen Prüfung traten nur bei 4 von 176 behandelten Kindern und Erwachsenen leichte Nebenwirkungen in Form von Erbrechen, Myalgie, Fieber und Urtikaria auf.
Die rekombinante Uratoxidase verhindert bereits im Vorfeld eine Hyperurikämie und ermöglicht eine optimale Chemotherapie. Die Substanz kann schon kurze Zeit vor der Chemotherapie in Form einer 30-minütigen Kurzinfusion verabreicht werden. Die intravenöse Applikationsform führt besonders bei Kindern zu einer guten Compliance und bietet auch bei Übelkeit und Erbrechen eine sichere Therapie des Tumorlysesyndroms.
Kastentext: Das Tumorlysesyndrom
Hohes Risiko
- Tumoren mit einer hohen Proliferationsrate und hoher Sensibilität bezüglich der angewandten Therapiemaßnahme (z. B. hochmaligne Lymphome, Leukämien)
- große Tumorzellmasse
- vorbestehende Niereninsuffizienz
- erhöhte LDH oder hohe Harnsäure im Serum
- starke Dehydratation
Kastentext: Rasburicase
Die Uratoxidase wurde in der Vergangenheit aus einem Aspergillus-Pilz gewonnen und wird schon seit zwanzig Jahren in Frankreich und Italien in der Standardtherapie gegen das Tumorlysesyndrom eingesetzt. Sanofi-Synthelabo ist es nun gelungen, den Wirkstoff mit Hilfe eines Saccharomyces-cerevisiae Stamms gentechnisch herzustellen. Entstanden ist ein hochreines, tetrameres Protein mit vier identischen Untereinheiten aus 301 Aminosäuren. Die rekombinante Uratoxidase ist seit Juni diesen Jahres unter dem Namen Fasturtec® (INN Rasburicase) auf dem deutschen Markt.
Kastentext: Tumorlysesyndrom
Mit dem Begriff des Tumorlysesyndroms werden eine Reihe von lebensbedrohlichen metabolischen Störungen zusammengefasst, wobei die Hyperurikämie eine entscheidende Rolle spielt: Während oder nach einer Chemotherapie werden durch die Tumorzellzerstörung rasch eine Reihe von intrazellulären Substanzen und Zerfallsprodukten freigesetzt. Ihre Menge übersteigt dabei deutlich die Ausscheidungskapazität der Niere. Es sammelt sich in hoher Konzentration Harnsäure, die in den Nierentubuli auskristalliert. Die Folge ist ein akutes, lebensbedrohliches Nierenversagen.
Die rekombinante Uratoxidase greift in diesen Pathomechanismus ein: Sie katalysiert die Umwandlung der Harnsäure in Allantoin. Allantoin ist im Gegensatz zu Harnsäure im Urin sehr gut löslich und kann problemlos über die Nieren ausgeschieden werden. Das Enzym beugt dadurch nicht nur einer Hyperurikämie vor, mit Hilfe der Uratoxidase kann auch eine bereits bestehende Hyperurikämie effektiv gesenkt werden.
Mit Rasburicase steht seit Juni 2001 in Deutschland eine therapeutische Alternative zu Allopurinol beim Tumorlysesyndrom zur Verfügung. Die neue Substanz ist eine rekombinante Uratoxidase, die bei Kindern und Erwachsenen vor oder während einer Chemotherapie die gefährlichen Hyperurikämien effektiv vermeidet. Damit kann bei Patienten mit rasch proliferierenden Tumoren ein akutes Nierenversagen verhindert werden.
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