Information und Beratung

Acarbose

1. Handelspräparat

(Auswahl ohne Wertung der pharmazeutischen Qualität) Glucobay

2. Einordnung

Alpha-Glucosidaseinhibitor, orales Antidiabetikum

3. Indikationen

Als Zusatztherapie vorwiegend des nicht-insulinpflichtigen Diabetes mellitus in Verbindung mit Diät.

4. Pharmakologie

4.1 Wirkungsmechanismus Acarbose ist ein Pseudotetrasaccharid (Cyclohexenamin und drei Moleküle Glucose) mit ca. 10000fach höherer Affinität zu intestinalen Alpha-Glucosidasen im Vergleich zu physiologischen Substraten.

Acarbose hemmt kompetitiv die Spaltung von Disacchariden, aber auch die von Oligo- und Polysacchariden. Dadurch sinkt die Konzentration an Glucose, die an der Darmschleimhaut zur Resorption über aktive Carriersysteme zur Verfügung steht, sodass insgesamt in den oberen Darmabschnitten eine Verzögerung der Glucoseresorption aus höhermolekularen Kohlenhydraten resultiert. Die Resorption von peroral zugeführter nativer Glucose bleibt unbeeinträchtigt.

In Verbindung mit einer Diät können so insbesondere die postprandialen Hyperglykämien reduziert werden. Bei langfristiger Behandlung wird eine Absenkung der Werte für das glykosylierte Hämoglobin um bis zu etwa 1% berichtet.

4.2 Pharmakokinetik

  • Resorption: Da der Wirkort von Acarbose das Darmlumen ist, spielt die Resorption für die Wirkung keine Rolle. Acarbose wird im Darm, insbsondere im Dickdarm teilweise bakteriell gespalten, etwa 35% der zugeführten Acarbose werden hauptsächlich als Metabolite und vorwiegend in tieferen Darmabschnitten resorbiert. Die absolute Bioverfügbarkeit für Acarbose beträgt lediglich 1 bis 2%.
  • Für die Wirkung ist der Verlauf der Plasmaspiegelkurve nicht relevant. Experimente zur Sicherheitspharmakologie wiesen die folgenden Ergebnisse aus. Zeit bis zum Erreichen der maximalen Plasmakonzentration: Die Summenkonzentration von Acarbose und seinen Metaboliten im Plasma von Probanden zeigte einen zweigipfligen Verlauf mit Spitzenspiegeln nach etwa einer Stunde sowie etwa zehnfach höher nach neun bis zehn Stunden. Dies ist kompatibel mit der initialen Resorption geringer Mengen aus dem Dünndarm und höheren Resorptionsquoten aus dem Dickdarm, vor allem nach bakterieller Spaltung.
  • Ausscheidung: Resorbierte Acarbose sowie resorbierte bzw. systemisch gebildete Metabolite werden hauptsächlich renal eliminiert.
  • Eliminationshalbwertszeit: Die terminale Eliminationshalbwertszeit wird mit 9,6 ± 4,4 Stunden angegeben.
  • Wirkungsdauer: Aufgrund der lokalen Wirkung entspricht die Wirkungsdauer den gastrointestinalen Transitzeiten.

    4.3 Therapeutische Dosierung Die Dosierung soll einschleichend mit 1 x 25 bis höchstens 2 x 50 mg/Tag Acarbose peroral unmittelbar vor den Mahlzeiten begonnen werden. Abhängig von den individuellen Erfordernissen beträgt die Tagesdosis in der Dauertherapie 150 bis 300 mg. In Ausnahmefällen kann die Tagesdosis auf 600 mg gesteigert werden.

    5. Vorsichtsmaßnahmen

    5. 1 Schwangerschaft und Stillzeit Tierexperimentell liegen keine Hinweise auf Reproduktionstoxizität vor, Acarbose bzw. seine Metaboliten gehen jedoch in geringem Maß in die Muttermilch über. Beim Menschen fehlen Erfahrungen. Aufgrund der positiven Indikation für Insulin zur Diabetestherapie während Schwangerschaft und Stillzeit sowie aufgrund der Nutzen/Risikoabwägung muss Acarbose in Schwangerschaft und Stillzeit als (noch) kontraindiziert gelten.

    5.2 Leberfunktion Aufgrund der in Einzelfällen beobachteten Leberenzymanstiege sollten in den ersten sechs bis zwölf Monaten regelmäßige Leberwertkontrollen erwogen werden.

    5.3 Kontraindikationen

  • Überempfindlichkeit gegen Acarbose oder die galenischen Hilfsstoffe des Arzneimittels.
  • Niereninsuffizienz mit einer Creatininclearance < 25 ml/min.
  • Entzündliche Darmerkrankungen, insbesondere wenn Ulzerationen vorliegen.
  • Erkrankungen, die sich durch eine vermehrte Gasbildung im Darm verschlechtern können (z.B. Hernien, Stenosen, Divertikulose).
  • Darmerkrankungen, die mit Resorptionsstörungen einhergehen.
  • Schwangerschaft und Stillzeit.
  • Da keine ausreichenden Erfahrungen vorliegen, sollten Patienten im Alter unter 18 Jahren nicht mit Acarbose behandelt werden.

    5.4 Kontrolluntersuchungen

  • Die Behandlung mit Acarbose soll in den Diabetikerpass eingetragen werden.
  • Während der ersten sechs bis zwölf Behandlungsmonate sollten periodisch Leberfunktionstests erwogen werden.

    5.5 Wechselwirkungen

  • Der Verzehr von Haushaltszucker kann durch vermehrten Metabolismus im Kolon leicht zu Darmbeschwerden bzw. Diarrhöen führen.
  • Acarbose allein verursacht keine Hypoglykämie. Sie verstärkt aber den antihyperglykämischen Effekt von oralen Antidiabetika (oder Insulin) und damit bei Kombinationsbehandlung indirekt die Gefahr von Hypoglykämien.
  • Unter Zusatzbehandlung mit Acarbose ist die Zufuhr von Haushaltszucker, Schokolade u.ä. zur Behandlung von Hypoglykämien ungeeignet. Angezeigt ist die perorale Zufuhr von zunächst 10 g Traubenzucker.
  • Darmabsorbenzien und Verdauungsenzympräparate können die Wirkung von Acarbose abschwächen.
  • In Einzelfällen kann Acarbose die Bioverfügbarkeit von Digoxin beeinflussen, sodass eine Dosisanpassung erforderlich werden kann.

    6. Nebenwirkungen

  • Gastrointestinaltrakt: Häufig Blähungen und Darmgeräusche aufgrund der verstärkten intestinalen Gasbildung, gelegentlich Durchfall. In seltenen Fällen Übelkeit, in Einzelfällen Verstopfung oder eine gastrointestinale Symptomatik, die mit einem Ileus (Darmverschluss) verwechselt werden kann.

    Seltene Nebenwirkungen(Einzelfälle):

  • Leber: Erhöhung der Serum-Transaminasen und/oder Ikterus, bei Absetzen reversibel
  • Ödeme (periphere Ödeme)
  • Überempfindlichkeitsreaktionen (Hautreaktionen)

    7. Hinweise zur Einnahme

    Acarbose wird dreimal täglich unmittelbar vor den Mahlzeiten eingenommen.

    8. Aufbewahrung

    Haltbarkeit in der Originalverpackung fünf Jahre. Bei Temperaturen über 25 °C oder hoher Luftfeuchtigkeit können an unverpackten Tabletten Verfärbungen auftreten. Tabletten sollen deshalb erst unmittelbar zum Verbrauch aus der Folie entnommen werden.

    9. Überdosierung

    Im Vordergrund der Symptomatik stehen Gastrointestinalbeschwerden, die auf verstärkte Darmgasbildung zurückzuführen sind, sowie Diarrhö. Die Symptomatik ist umso heftiger, je höher die gleichzeitige Nahrungsaufnahme an Kohlenhydraten gewesen ist. Die Zufuhr von Kohlenhydraten (auch aus Getränken!) ist für einen Zeitraum von sechs Stunden zu unterlassen, die Beschwerden werden symptomatisch behandelt.

    Abgabehinweise Acarbose

  • Einnahme: Unmittelbar vor den Mahlzeiten (mit dem ersten Bissen) mit etwas Flüssigkeit.
  • Nebenwirkungen: Häufig treten Blähungen und Flatulenz auf, insbesondere im Zusammenhang mit der Aufnahme größerer Mengen an Kohlenhydraten.
  • Wechselwirkungen: Acarbose kann die blutzuckersenkende Wirkung anderer Antidiabetika verstärken.
  • Kontraindikationen: Niereninsuffizienz; entzündliche Darmerkrankungen; Erkrankungen, die sich durch eine vermehrte Gasbildung im Darm verschlechtern können; Darmerkrankungen, die mit Resorptionsstörungen einhergehen, Schwangerschaft und Stillzeit.

    Diese Abgabehinweise umfassen nur die wichtigsten Informationen zum Arzneistoff und sind nicht vollständig. Vollständige Angaben zu Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und Kontraindikationen finden sich in den Gebrauchsinformationen für Fachkreise. DAZ 2001; Nr. 28, S. 88

    Literatur Bayer Vital GmbH: Fachinformation Glucobay. Stand Februar 2000. Buse, J., K. Hart, L. Minasi: The PROTECT Study: final results of a large multicenter postmarketing study in patients with type2 diabetes. Clin. Ther. 20, 257–269 (1998). Buse, J.: Combining insulin and oral agents. Am. J. Med. 108 (Suppl. 6a), 23S–32S. (2000). Carrascosa, M., F. Pascual, S. Aresti: Acarbose-induced acute severe hepatotoxicity. Lancet 349, 698–699 (1997). Hoffmann, J., M. Spengler: Efficacy of 24-week monotherapy with acarbose, metformin, or placebo in dietary-treated NIDDM patients: the Essen-II Study. Am. J. Med. 103, 483–490 (1997). Hoffmann, J., M. Spengler: Efficacy of 24-week monotherapy with acarbose, glibenclamide, or placebo in NIDDM patients. Diabetes Care 17, 561–566 (1994). N. N.: Acarbose. Anmerkungen zur Karriere eines präsystemischen Antidiabetikums. Arzneimittelbrief 30, 81–83 (1996). Mutschler, E.: Arzneimittelwirkungen, 7.Auflage, Seiten 351–352. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1996. Scholz, H., U. Schwabe: Taschenbuch der Arzneibehandlung, 12.Auflage, S.244–245; S.340. Urban & Fischer Verlag, München/Jena 2000.

    Anschrift des Verfassers: Priv.-Doz. Dr.med. Andreas Reymann, Abteilung für Pharmakologie, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistraße 52, 20246 Hamburg

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