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Arzneimittel und Therapie
Sexuelle Dysfunktion: Zwei neue Phosphodiesterasehemmer in klinischer Prüfung
Eine sexuelle Dysfunktion kann als Unfähigkeit definiert werden, sexuelle Wünsche in psychophysiologische Prozesse umsetzen zu können. Bei Männern äußern sich sexuelle Störungen in erektilen Dysfunktionen, Ejakulations- und Orgasmusstörungen; bei Frauen in Vaginismus, Orgasmus- und Kohabitationsstörungen; verminderte sexuelle Wünsche, Dyspareunien und Abneigungen gegen sexuelle Kontakte können sowohl bei der Frau als auch beim Mann auftreten.
Die Prävalenz sexueller Störungen ist hoch. Man schätzt, dass allein in den USA über 30 Millionen Menschen unter sexuellen Störungen leiden. Einer Untersuchung zufolge leiden 40 bis 60% der jüngeren Frauen und 30 bis 50% der jüngeren Männer unter ihrer reduzierten Libido und an verminderten sexuellen Gefühlen.
Die Inzidenz sexueller Dysfunktionen steigt mit dem Alter; sie beträgt bei 40-jährigen Männern 5% und steigt bei 65-jährigen auf 15 bis 25%. Zur Therapie der weiblichen sexuellen Dysfunktion stehen bislang keine medikamentösen Optionen zur Verfügung; zur Behandlung erektiler Störungen gibt es mehrere Möglichkeiten, wie den Phosphodiesterasehemmer Sildenafil (Viagra®) oder das Prostaglandinderivat Alprostadil (z. B. Caverject® oder MUSE®) und jetzt neu auch Apomorphin (Ixense®, Uprima®).
Neue Phosphodiesterasehemmer
Seit der Markteinführung von Sildenafil (Viagra®) 1998 wurden zahlreiche weitere Phosphodiesterasehemmer entwickelt. So befinden sich heute bereits ein knappes Dutzend von ihnen in der klinischen oder präklinischen Prüfung. Sie verfügen alle über den gleichen Wirkmechanismus: Sie hemmen die Phosphodiesterase (PDE) vom Typ 5 (PDE-5), die vorwiegend in den Gefäßmuskelzellen des Penis lokalisiert ist und dort das zyklische Guanosinmonophosphat (cGMP) zum inaktiven GMP abbaut. Wird dieser Vorgang verhindert, weitet ein erhöhter cGMP-Spiegel die Gefäße und erhöht dadurch den Blutzufluss in den Schwellkörper, was zu einer Erektion führt.
Zwei der neu entwickelten Phosphodiesterasehemmer befinden sich bereits in der Phase III der klinischen Prüfung: Vardenafil (Bayer; voraussichtliche Markteinführung November 2002) und Tadalafil (IC-351, Cialis; Lilly). Die Indikation für beide Wirkstoffe ist die männliche sexuelle Dysfunktion.
Tadalafil wird zusätzlich bei weiblicher sexueller Dysfunktion geprüft (hier in der klinischen Prüfung Phase II) und ist bislang neben Sildenafil (ebenfalls in Phase II für diese Indikation) der einzige Phosphodiesterasehemmer, dessen Wirksamkeit auch bei Frauen geprüft wird.
Vardenafil - wirksam und verträglich
Vardenafil ist ein potenter und selektiver Inhibitor der PDE-5. In vitro bewirkt Vardenafil einen dosisabhängigen Anstieg an cGMP; im Tierversuch führt er ähnlich wie Sildenafil zu einer Erektion. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Vardenafil wurde in mehreren Studien nachgewiesen:
- In einer doppelblinden, randomisierten, plazebokontrollierten Crossover-Studie erhielten 21 Probanden mit erektiler Dysfunktion entweder 20 oder 40 mg Vardenafil oder ein Plazebo. Nach einer visuellen sexuellen Stimulation wurde die Dauer der Rigidität des Penis gemessen, wobei das Verum in beiden Dosierungen dem Plazebo deutlich überlegen war.
- Weitere Untersuchungen befassten sich mit der Sicherheit und Verträglichkeit von Vardenafil. Bei organisch gesunden Probanden veränderte die Einnahme von 10, 20 bzw. 40 mg Vardenafil weder die Herzrate noch den Blutdruck oder EKG- und Laborparameter. Relativ häufig (zwischen 10 und 67% ) wurden Kopfschmerzen, Flush und eine nasale Kongestion registriert (die entsprechenden Werte unter der Plazebotherapie lagen zwischen 5 und 48%).
Tadalafil zeigt gute Wirkung
Tadalafil ist ebenfalls ein hochselektiver PDE-5-Inhibitor und erhöht den intrazellulären cGMP-Spiegel. In einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden und plazebokontrollierten Studie mit 294 Männern, die unter moderaten bis mäßigen erektilen Funktionsstörungen litten, wurden Wirksamkeit und Sicherheit von Tadalafil in mehreren Dosierungen (10, 25, 50 und 100 mg) überprüft.
Alle Dosierungen führten zu einer signifikanten Zunahme der Penetrationsfähigkeit und der Fähigkeit, eine Erektion aufrechtzuerhalten. So berichteten beispielsweise 81 bis 90% der Verumgruppe von einer verbesserten Erektion, in der Vergleichsgruppe waren es nur 38%. Gleichfalls stieg nach der Einnahme von Tadalafil die Häufigkeit befriedigender Sexualkontakte signifikant an.
Veränderungen im EKG oder bei diversen Laborparametern wurden nicht beobachtet. An unerwünschten Wirkungen traten Kopf- und Rückenschmerzen, Myalgien und Dyspepsien auf. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen zwei weitere randomisierte, doppelblinde und plazebokontrollierte Studien mit 179 bzw. 212 männlichen Patienten.
Auch bei Frauen in Erprobung
Tadalafil wird zur Zeit auch in zwei klinischen Studien an Frauen erprobt. An der ersten doppelblinden und plazebokontrollierten Studie nehmen Frauen mit einem normalen Sexualverhalten teil. Nach der Gabe von Tadalafil (in einer Dosierung von 1 bis 20 mg) und visuellen, taktilen und olfaktorischen Stimuli werden verschiedene Parameter gemessen, die mit der sexuellen Erregung korrelieren. An der zweiten Studie nehmen 200 Frauen mit milden bis moderaten sexuellen Dysfunktionen teil. Sie erhalten 5, 10 oder 20 mg Tadalafil oder ein Plazebo. Die Veränderungen im Sexualleben werden anhand eines Fragebogens erfasst. Die Ergebnisse beider Studien sind bislang noch nicht veröffentlicht.
Kastentext: Potenzielle Anwendungsgebiete von Phosphodiesterasehemmern
Phosphodiesterasehemmer waren ursprünglich zur Therapie der Angina pectoris und als Antihypertensiva entwickelt worden; der Erfolg von Sildenafil bei einer erektilen Dysfunktion wurde eher zufällig entdeckt. Zur Zeit werden mehrere PDE-1- und PDE-5-Inhibitoren auf ihre blutdrucksenkende Wirkung hin überprüft, und im Tierversuch haben sich bereits einige PDE-Hemmer als wirksam erwiesen. Ein weiterer PDE-Inhibitor zeigt darüber hinaus eine bronchodilatatorische Wirkung. Ein anderes potenzielles Anwendungsgebiet für PDE-Hemmer ist die diabetische Gastroparese, eine Magenatonie, die relativ häufig bei Diabetikern vorkommt. Bei zuckerkranken Mäusen konnte mit Sildenafil die Magenentleerungsstörung aufgehoben werden. Zeigt sich diese Wirkung auch beim Diabetiker, könnte das Indikationsgebiet von PDE-Inhibitoren erweitert werden.
Literatur [1] Sorbera, L. A., et al.: Vardenafil. Drugs of the future 26, 141 - 144 (2001). [2] Sorbera, L. A., et al.: IC-351. Drugs of the future 26, 15 - 19 (2001). [3] Rotella, D.: Phosphodiesterase type 5 inhibitors: discovery and therapeutic utility. Drugs of the future 26, 153 - 162 (2001).
Die Phosphodiesterasehemmer Vardenafil und Tadalafil (IC-351) zur Therapie der erektilen Dysfunktion befinden sich in der Phase III der klinischen Prüfung. Während bislang Phosphodiesterasehemmer nur zur Therapie der männlichen sexuellen Dysfunktion eingesetzt wurden, wird die Wirksamkeit von Tadalafil auch bei Frauen untersucht.
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