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Welt-Alzheimertag 21. September: Mehr Lebensqualität für Demente
Etwa 1,0 Mio. Bundesbürger über 60 Jahren leiden derzeit an Demenz, Zweidrittel an Alzheimer, einem langsam fortschreitenden, aber unaufhaltsamen Untergang von Nervenzellen, verbunden mit dem Verlust von Gedächtnis, Denkvermögen, Sprache und Alltagsaktivität. Später kommen Störungen der Orientierung in Raum und Zeit, Stimmungsschwankungen, Aggressivität, Antriebsverluste sowie Versagen körperlicher Funktionen hinzu. Schließlich gehen Selbstwertgefühl, soziale Beziehungen und Persönlichkeit verloren.
Alzheimer ist nicht heilbar
Moderne, hochwirksame Medikamente und ein fürsorglicher Umgang mit dem Erkrankten können vorübergehend den Verlauf aufhalten, gerontopsychiatrische Maßnahmen zeitweise die Lebensqualität verbessern, doch heilbar ist Alzheimer trotzdem nicht. Die Patienten bedürfen, weil sie immer hilfloser werden und sich nicht mehr in der Wirklichkeit zurechtfinden, jahrelanger Pflege. Dann sind die Angehörigen und Betreuer bis an die Grenze physischer und psychischer Leistungsfähigkeit gefordert. Dabei bleibt oft die Menschlichkeit auf der Strecke.
Unabhängig vom Ruf nach mehr Unterstützung durch die öffentliche Hand muss deshalb eine menschenwürdige Betreuung der Betroffenen gefordert werden. Auch Alzheimer-Patienten haben ein Recht auf ein Leben in Würde. Ein verständnis- und liebevolles Eingehen auf Demente verringert Spannungen und ist so eine wesentliche Ergänzung der medikamentösen Behandlung, senkt die Behandlungskosten und verbessert die Lebensqualität.
Für Angehörige eine fremde Welt
Wer ständig mit Alzheimer-Kranke umgeht, muss in ihre Gedanken- bzw. Gefühlswelt einsteigen, ihre Biografie kennen lernen und ihr Anders-Sein begreifen. Im fortgeschrittenem Stadium der Erkrankung leben Demente nämlich in einer eigenen Welt, einer Welt, die Angehörigen so fremd, so unvorstellbar und so unbegreiflich ist, dass das Verhalten der Kranken auf den ersten Blick befremdlich, rätselhaft und unerklärbar erscheint.
Doch wer Demente aufmerksam über Monate beobachtet und auf ihre nonverbalen Signale achtet, erfährt, was in ihnen vorgeht, was sie bewegt, was sie im Innersten beschäftigt, was es für sie bedeutete, dement zu werden und innerlich zu vereinsamen. Ingrid Fuhrmann beispielsweise begleitete ihre demenzkranke Mutter über 15 Jahre: "Da ich sie fast täglich besuchte, weiß ich etwas von der Welt, in die meine Mutter hineingeglitten ist. Am Anfang waren es Bemerkungen, Verhaltensänderungen, Wesensveränderungen, die mir Zugang zu der anderen Welt verschafften, später waren es bestimmte Situationen des alltäglichen Lebens."
Seelisches Wohlbefinden anstreben
Alzheimer-Patienten reagieren unterschiedlich auf den langsamen Verfall von Nervenzelle im Gehirn, jeder lebt in seiner individuellen inneren Welt, deren Gesetzmäßigkeiten nicht ohne weiteres zu ergründen und zu begreifen sind. Angehörigen erscheint diese fiktive Welt so anders, dass es im Alltag zwangsläufig zu Missverständnissen und Konflikten kommt. Jeder Versuch, sie in die "normale" Welt zurückzuholen, vergrößert das Konfliktpotenzial zwischen Betroffenen und Angehörigen.
Alzheimer-Patienten zu helfen bedeutet daher auch, sich nicht ausschließlich um ihre Pflege und Versorgung zu bemühen, sondern auch ihr seelisches Wohlbefinden im Auge zu haben. Nur wenn Angehörige und Betreuer sich immer wieder das Anders-Sein der Kranken vergegenwärtigen, sie gewähren lassen, ihnen nicht widersprechen und sich behutsam an die gefühlsbetonte Welt herantasten, ist eine allseits befriedigende Betreuung möglich.
Erinnerungen ersetzen die Gegenwart
Die Welt der Alzheimer-Patienten existiert nur in deren Fantasie. Lebendige Erinnerungen, an denen sie beharrlich festhalten, ersetzen ihnen die Gegenwart, die für sie eine schier "unerträgliche Realität" ist. Sie können die reale Welt nicht mehr von ihrer virtuellen unterscheiden, können gestern und heute nicht trennen, ein morgen existiert für sie nicht.
Angehörige und Betreuer realisieren nur selten, was Alzheimer-Patienten in ihrer inneren Wirklichkeit erleben. Aus der Konfrontation von zwei unterschiedlichen Welten - hier die Gefühlswelt der Dementen, dort die logisch aufgebaute Welt der Gesunden - entstehen im Alltag Konflikte und Stress, die das Leben mit Alzheimerpatienten jahrelang prägen und die bei den Angehörigen Schuldgefühle hervorrufen oder hinterlassen können.
Wer betreut, muss "loslassen" können
Zu Beginn der Erkrankung erleben Alzheimer-Patienten noch schmerzlich, wie ihnen die Realität langsam entgleitet, wie Angst sie gefangen nimmt. Doch sie begreifen nicht, was in ihnen vorgeht, warum sie immer vergesslicher werden, die Orientierung verlieren, warum sie sich kaum noch konzentrieren können, warum die Familie ihnen fremd wird, warum sie immer öfter in Alltag "versagen", warum sie das Interesse an Hobbys verlieren. Sind das Anzeichen des Älterwerdens? Oder? Aber warum erkennen die Angehörigen nicht ihre Not, nicht ihre Bedrohung im Alltag. Warum steht die Familie abseits und hilft nicht? Die Kranken vereinsamen, wenn niemand sie in ihrer Erlebniswelt begleitet, wenn niemand ihnen Stütze ist, wenn sie jeden "Halt" verlieren.
Wollen Angehörige nicht an Pflege und Betreuung ihres Alzheimer-Kranken zerbrechen, müssen sie auch lernen ihren Dementen loszulassen. Loslassen bedeutet in diesem Zusammenhang aber nicht, sich der Fürsorge zu entziehen, sondern nur sich psychisch weniger zu engagieren, d. h. die Krankheit zu akzeptieren und sich selbst nicht der Hoffnung hinzugeben, es werde schon alles wieder gut. Wer die Erkrankung realistisch sieht, den Dementen dort abholt, wo dieser gerade steht und ihn nicht auf einen bestimmten Weg dirigiert, sondern ihm auf emotionaler Ebene begegnet und sich auf keine Diskussion mit ihm einlässt, bewältigt den Alltag besser als der, der ständig das Verhalten des Dementen hinterfragt. Leider vergessen Angehörige und Betreuer, dass Verwirrte auch Menschen "wie du und ich" sind und ein Recht auf menschenwürdige Behandlung haben.
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