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- DAZ 39/2001
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Die Seite 3
Keep cool, boy – heißt es in einem Song von Leonard Bernsteins Westside Story. Das war schon damals nicht ganz einfach. In unseren Tagen fällt es doppelt schwer. Unsere Gesundheitsministerin lässt sich zu Aktionismus treiben, obwohl nur Nüchternheit und Weitsicht die Lösung der Finanzierungsprobleme in der GKV versprechen.
Vielerorts herrscht Aufregung über die in diesem Jahr bisher zweistellig gestiegenen Arzneimittelausgaben. Sie sind nach allem, was wir wissen, fast ausschließlich auf die so genannte Strukturkomponente zurückzuführen: die Ärzte verabschieden sich teilweise von der erzwungenen Rationierung und verordnen – nach langer Zurückhaltung unter dem Druck des Budgets – verstärkt innovative, patentgeschützte Arzneimittel; Arzneimittel also, die in aller Regel nur noch zu sehr "knackigen" Preisen verfügbar sind; denn die forschende Industrie hat ihre Lektion gelernt: mit Ablauf des Patentes schreibt sie ihre ehemaligen Innovationen inzwischen als Ertragsquelle ab – und langt deshalb bei neuen Arzneimitteln richtig zu.
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt will die Notbremse ziehen. Aut idem soll forciert werden – aber allem Anschein nach so, dass der Apotheker vorher seinen Sachverstand an der Garderobe abzugeben hat; von neuen Kompetenzen, einer Stärkung der Position der Apotheker ist wenig zu sehen, solange wir ausschließlich nach Preisgesichtspunkten auswählen sollen. Schade eigentlich.
Seit Montag wissen wir auch: Ulla Schmidt will per Verordnung oder Gesetz für Arzneimittel eine Preissenkung verordnen – gekoppelt mit dem Verbot von Preiserhöhungen für zwei Jahre. Selbst wenn dies auf Arzneimittel beschränkt wird, die nicht für die Selbstmedikation verwendet werden und die nicht der Festbetragsregelung unterliegen – es bleibt ein ordnungspolitischer Horrortrip. Der Opposition wird es freilich nicht ganz leicht fallen, dagegen Front zu machen. Immerhin war es Ex-Bundesgesundheitsminister Seehofer, der zu dem jetzigen Vorhaben 1993 mit seinem "Preismoratorium" die Vorlage geliefert hat.
Aber es kommt noch doller: Ulla Schmidt will auf Druck der Krankenkassen die alte Idee eines an der Umsatzhöhe der Apotheke ausgerichteten Kassenrabattes wieder ausgraben (angeblich wird an eine Spreizung von 4% bis 9% gedacht). Die Idee ist aus mehreren Gründen abenteuerlich. Erstens sind die Großhandelsrabatte von den Vätern der Arzneimittelpreisverordnung in kluger Voraussicht bewusst ermöglicht worden; sie haben damit einen Wettbewerb der Rationalisierung angestoßen, der es dem Gesetzgeber seit mehr als zwanzig Jahren erspart hat, die Arzneimittelpreisverordnung für die naturgemäß personalintensiven Apotheken anzupassen.
Zweitens orientieren sich Rabatte keinesfalls nur an Umsatzhöhen; sie drücken sehr wesentlich die Kostensituation der Geschäftsbeziehung aus – inklusive Bestellverhalten, Lieferfrequenz etc. Drittens liegt der vom Arzneimittelverkaufspreis inklusive Mehrwertsteuer abzuziehende Kassenzwangsrabatt von 5% meist über dem, was Apotheken vom Großhandel als Rabatt (berechnet auf der Basis der Apothekeneinkaufspreise) erhalten können. Vor allem aber: eine Spreizung der Rabatte müsste sehr schnell dazu führen, dass den Krankenkassen daran gelegen sein muss, ihre Patienten durch möglichst große Apotheken versorgt zu sehen. Damit wird kleineren Apotheken, die vordergründig beim Kassenrabatt nicht schlechter oder vielleicht sogar um einen Prozentpunkt besser gestellt werden sollen, das Wasser abgegraben.
Dass die Krankenkassen Preismoratorium und Rabatterhöhung von der Ministerin einfordern, ist im übrigen besonders dreist. Sind doch die GKV-Verwaltungskosten seit 1992 um 31,2% gestiegen, die Apothekenroherträge im GKV-Bereich aber nur um 7,2% – eine Relation, die sich fortsetzt, wenn man weiter in die Vergangenheit schaut. Da cool zu bleiben, fällt mir schwer.
Wenn kommt, was Ulla Schmidt jetzt ankündigt hat, kann man der Pharmaindustrie mit ihren üppigen Umsatzrenditen von selten unter 10%, oft sogar über 20%, nur gratulieren: sie bleibt weitgehend ungeschoren. Die Apotheken aber, mit ihren schon jetzt mickrigen Umsatzrenditen von 1 oder 2%, werden doppelt und dreifach rasiert. Ironisch möchte man fragen: Wie hat die ABDA das nur geschafft? Was ist da im Vorfeld falsch gelaufen?
Klaus G. Brauer
Keep cool – oder?
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