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DPhG: Pharmakotherapie neurodegenerativer Erkrankungen

Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson, Morbus Huntington und Amyotrophe Lateralsklerose sind die vier häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen. Die Alzheimer-Krankheit gilt heute als vierthäufigste Todesursache in der westlichen Welt. Man schätzt die Zahl der weltweit Erkrankten auf 15 Millionen, im Jahre 2025 könnten es aus heutiger Sicht 22 Millionen sein. Frau Prof. Dr. H. Hörtnagel, Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Charite, gab in ihrem Vortrag am 1. November 2001 vor der DPhG-Landesgruppe Berlin-Brandenburg in Berlin einen Überblick über gegenwärtige und zukünftige symptomatische, kausale sowie präventive Behandlungskonzepte neurodegenerativer Erkrankungen, wobei Morbus Alzheimner als die häufigste im Mittelpunkt stand.

Symptomatische Therapie

Zur symptomatischen Therapie neurodegenerativer Erkrankungen zählen die Substitutionstherapie sowie die pharmakologische Antagonisierung von überaktiven Transmittersystemen. Die wohl bekannteste Substitutionstherapie ist die seit nunmehr 40 Jahren praktizierte Gabe von Levodopa bei Morbus Parkinson.

Bei der Alzheimer-Krankheit sind verschiedene Neurotransmittersysteme betroffen. Das cholinerge System im basalen Vorderhirn ist besonders stark geschädigt. Mit Acetylcholinesterase-Hemmstoffen wird versucht, die Acetylcholin-Konzentration in den Nervenzellen zu erhöhen.

Zur Behandlung der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz sind heute die Substanzen Tacrin (Cognex), Donepezil (Aricept), Galantamin (Reminyl) und Rivastigmin (Exelon) zugelassen. Das Fortschreiten der Erkrankung kann mit diesen Medikamenten mehr oder weniger stark verzögert, jedoch nicht verhindert werden. Tacrin hat wegen seiner Lebertoxizität keine Bedeutung mehr.

Muscarinerge M1-Rezeptoren sind im ZNS an Gedächtnis- und Lernprozessen beteiligt. Studien zur Anwendung von M1-Agonisten bei Morbus Alzheimer zeigten jedoch noch keine befriedigenden Ergebnisse. Als Beispiel für die pharmakologische Antagonisierung von überaktiven Transmittersystemen nannte die Referentin die anticholinerge Therapie bei Morbus Parkinson.

Kausale Behandlungsstrategien

Zu den kausalen Behandlungsstrategien zählte Hörtnagel die Gentherapie, die Transplantation von neuronalem Gewebe, den Einsatz neurotropher Faktoren sowie Versuche, in die Pathomechanismen der Neurodegeneration eingreifen.

Neben vielen anderen spielen bei der Pathogenese der Alzheimer-Krankheit auch genetische Faktoren eine Rolle. Mutationen in den Genen PS-2 (Chromosom 1), PS-1 (Chromosom 14) und APP-Gen (Chromosom 21) bewirken eine verstärkte Produktion und Ablagerung von Beta-Amyloid. Mutationen in dem auf Chromosom 19 lokalisierte Apolipoprotein-E-Gen bestimmen dagegen das individuelle Risiko der Erkrankung. Daher könnte mit der Gentherapie, z. B. durch den Austausch mutierter Gene, ein therapeutischer Effekt erzielt werden.

Der Einsatz neurotropher Faktoren wie beispielsweise nerv growth factor (NGF) erscheint nach Ansicht von Hörtnagel sinnvoll, da dessen Transport bei der Alzheimer-Krankheit nicht mehr optimal funktioniert. Allerdings ist bis zur Realisierung dieses Konzepts noch viel Forschungsarbeit zu leisten, da die intrakortikale Applikation des relativ großen Proteins problematisch ist.

Charakteristisch für Morbus Alzheimer sind die aus Amyloid-Beta-Protein bestehenden extrazellulären Plaques in der Großhirnrinde sowie die intrazellulären Neurofibrillen-Bündel aus hyperphosphoryliertem Tau-Protein. Die Produktion des Amyloid-Beta-Proteins aus dem Amyloid-Vorläufer-Protein (APP) sowie die Freisetzung in den Extrazellularraum werden durch die Aktivität der Enzyme Beta- und Gamma-Sekretase gefördert. Nach Ansicht von Hörtnagel ist es ein erfolgversprechender Ansatz, nach Inhibitoren für diese beiden Enzyme zu suchen. In zahlreichen In-vivo- und In-vitro-Studien testete man Substanzen auf ihre Fähigkeit, die Aggregation des Amyloid-Beta-Proteins im Extrazellularraum zu behindern. Verbindungen wie Melatonin, Gossypol, Rifampicin, Kongorot und Clioquinol wurden dabei als potenzielle "beta-sheet-breaker" identifiziert.

Es gibt erste epidemiologische Hinweise darauf, dass die Prävalenz von Morbus Alzheimer durch Cholesterolsynthese-Hemmer (Statine) verringert werden kann. Klinische Studien müssen nun zeigen, ob die Erkrankung durch Gabe dieser in letzter Zeit etwas in Verruf geratenen Medikamente aufgehalten werden kann.

Viele Befunde sprechen dafür, dass im Gehirn von Alzheimer-Patienten entzündliche Prozesse ablaufen. Als Ursache dafür gilt beispielsweise die Einwanderung von Zytokin-produzierenden Mikrogliazellen in die Amyloid-Plaques. Ein Behandlungsansatz ist daher die Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika. Gegenwärtig laufen klinische Studien zur Wirksamkeit von COX-2-Hemmern bei Morbus Alzheimer.

Mit der Gabe des Monoaminoxidase-B-Hemmers Selegilin, auch in Kombination mit Vitamin E, oder durch die Hormontherapie mit Östrogenen konnte in bisherigen retrospektiven bzw. prospektiven Studien bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz das Fortschreiten der Krankheit nicht signifikant aufgehalten werden.

Immunisierung als Präventionstherapie

Vielversprechende Ergebnisse erbrachten Tiermodell-Studien zur Immunisierung gegen Beta-Amyloide. Durch aktive Immunisierung mit synthetischem Amyloid-Beta-Protein konnte sogar bei älteren transgenen Mäusen, die bereits zahlreiche Ablagerungen im Gehirn besaßen, die Zahl der Plaques verringert werden. Zur passiven Immunisierung verabreicht man Beta-Amyloid-Antikörper peripher. Auch dabei wurde im Tiermodell eine Reduktion der Plaques erzielt.

Hörtnagel kam zu dem Resümee, dass die gegenwärtig angewendeten Therapien zur Behandlung von Morbus Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen häufig noch nicht die erhofften Ergebnisse zeigen. Es sind jedoch vielversprechende neue Konzepte vorhanden, bis zu deren Realisierung noch viel Forschungsarbeit zu leisten ist.

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