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DAZ aktuell
Krankenkassenabschlag und Rabatte: Kein aut idem (Gastkommentar)
In diesen Wochen berät der Gesundheitsausschuss des Bundestages den Koalitionsentwurf für ein Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz, das u. a. eine Erhöhung des Abschlages, den die Apotheken den gesetzlichen Krankenkassen zu entrichten haben, von 5 % auf 6 % vorsieht. Dies rechtfertige sich dadurch, so die Begründung des Gesetzentwurfs, dass die Entwicklung der Arzneimittelversorgung in den letzten Jahren zu erheblichen Rationalisierungs- und Umsatzvorteilen bei den Apotheken geführt habe, die Erhöhung des Abschlages entspräche auch dem besonderen Vorteil, den die Apotheker durch den hohen Anteil der gesetzlichen Versicherten hätten. Es sind nicht zuletzt die Verbände der Krankenkassen, die einen ökonomischen Zusammenhang und eine ordnungspolitische Wechselbeziehung herstellen wollen zwischen diesem gesetzlichen Abschlag und den Rabatten, die der Apotheker legal und legitim vom Großhändler bzw. bei Direktlieferungen auch von pharmazeutischen Unternehmern erhält. Nach Meldung der FAZ vom 20. November 2001 hat nunmehr die ABDA gegenüber der Öffentlichkeit darauf hingewiesen, schon im vergangenen Jahr habe die Branche rd. 2,2 Milliarden DM "Apothekenrabatt" an die Krankenkassen abgeführt, selbst aber nur 2 Milliarden DM "Einkaufsrabatt" von den Lieferanten erhalten.
Es dient der Klarheit und Wahrheit und ist gewiss auch im wohlverstandenen Interesse der Apotheker, in Erinnerung zu rufen und deutlich zu machen, dass es einen wie auch immer gearteten Zusammenhang zwischen Krankenkassenabschlag und den Apotheken gewährten Rabatten nicht gibt. Es ist daher auch, so meine ich, politisch nicht unproblematisch, das relativ exakt berechenbare Volumen des Krankenkassenabschlages auch nur numerisch vergleichen zu wollen mit dem Volumen individuell ausgehandelter Großhandels- und Herstellerrabatte, das allenfalls geschätzt werden kann. Erst recht wäre es problematisch, einen systematischen Zusammenhang zwischen Abschlag und Rabatt herzustellen oder auch zu akzeptieren, wenn denn andere dies tun wollen.
Im Rahmen der Beratungen für die Preisspannenverordnung, die am 1. Januar 1978 in Kraft trat, wollte der Bundeswirtschaftsminister als Verordnungsgeber das Institut des Krankenkassenabschlages ersatzlos beseitigen und einen uneingeschränkt einheitlichen Apothekenabgabepreis für den Krankenkassen- und dem privaten Bereich etablieren. Wegen des Widerstandes des Bundesarbeitsministers und der Krankenkassenverbände gelang dies nicht.
Der seit 1936 auf 7 % fixierte gesetzliche Abschlag wurde seinerzeit als Systembestandteil der Preisspannenverordnung, ab 1980 der Arzneimittelpreisverordnung beibehalten, von 7 % auf 5 % gesenkt und als Kompensation auch die noch heute geltenden Zuschläge der Preisspannenverordnung so gekürzt, dass sich für die Apotheken in diesem Zeitpunkt Einkommensneutralität ergab. Mit Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches wurde die Abschlagsregelung in § 130 SGB V substanziell unverändert übernommen, Der Gesetzgeber verwendet in allen drei Absätzen dieser Vorschrift ausschließlich den Begriff "Abschlag" und dokumentiert damit den substanziellen Unterschied zwischen einem gesetzlich oktroyierten Abschlag und dem Rabatt als einem Wettbewerbsinstrumentarium unseres marktwirtschaftlichen Systems.
Der gesetzliche Abschlag zu Gunsten der Krankenkassen ist somit ausschließlich das gesetzestechnische Instrumentarium, um den Krankenkassen auch im System eines prinzipiell einheitlichen Apothekenabgabepreises eben doch einen markanten Preisvorteil zu gewähren.
Die sachliche Berechtigung des Krankenkassenabschlages ist von den Apothekern und ihren Berufsorganisationen zu keinem Zeitpunkt anerkannt, von einzelnen Apothekern wiederholt, aber vergeblich mit Klagen vor ordentlichen Gerichten und Sozialgerichten angegriffen worden. In einer wohl heute noch maßgeblichen Entscheidung vom 5. Juni 1970 hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, der gesetzliche Abschlag rechtfertige sich aus dem Umstand, dass die Apotheken einen hohen Anteil ihres Umsatzes zu Gunsten von Krankenkassenmitgliedern und deren Familienangehörigen tätigten, der nach Höhe und Konstanz ebenso sicher sei, wie die ordnungsgemäße, insbesondere pünktliche Begleichung der Rezeptrechnung durch die Krankenkassen.
Folgt man dieser Argumentation, gegen die seinerzeit vergeblich Verfassungsbeschwerde eingelegt wurde, dann ist der Kassenumsatz der Apotheken nach Höhe, Kontinuität und ökonomischer Sicherheit, nicht aber die dem Apotheker von Großhändlern und Herstellern gewährten Rabatte das ökonomische Korrelat zum und die ordnungspolitische Begründung für den Krankenkassenabschlag.
Dass in der politischen Diskussion begrifflich nicht korrekt, und wie sich jetzt zeigt, politisch nicht ungefährlich, zumeist von "Krankenkassenrabatt" und bei den Krankenkassen von vorzugsweise "Apothekenrabatt" die Rede ist, vermag hieran nichts zu ändern. Die Schludrigkeit des Gesetzgebers, die im Wortlaut des § 130 SGB V korrekt verwendete Terminologie "Abschlag" mit der Überschrift "Rabatt" zu "krönen", und die Indolenz der seinerzeit politisch Verantwortlichen, diesen Fehler auch auf Vorhaltungen der ABDA nicht korrigiert zu haben, mag immer wieder zu Missverständnissen führen, ändert jedoch an den aufgezeigten strukturellen Zusammenhängen nichts.
Was folgt aus alledem für die aktuelle politische Diskussion über die Erhöhung des gesetzlichen Krankenkassenabschlages?
Eine Erhöhung des Abschlages mag mit einer signifikant überproportionalen, gesellschaftlich und politisch nicht zu rechtfertigenden Zunahme des Apothekereinkommens vor persönlichen Steuern begründet werden. Wer wollte dies wohl aktuell behaupten und dann auch noch "beweisen"? Nicht die Tatsache, dass Großhändler und Hersteller Rabatte gewähren, auch nicht das geschätzte oder vermutete Gesamtvolumen dieser Rabatte samt deren Entwicklung und erst recht nicht deren Bedeutung für das betriebswirtschaftliche Ergebnis der einzelnen Apotheke rechtfertigen eine Erhöhung des gesetzlichen Abschlages.
Der Krankenkassenabschlag ist kein wohlfeiles Instrument zum (partiellen) Wegsteuern missliebiger Rabatte, sondern dient ausschließlich dem politisch durchaus umstrittenen Ziel, die gesetzlichen Krankenkassen im Ergebnis besser zu stellen als Privatpatienten oder Kunden im Handverkauf.
Die bereits zitierte Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs spricht nicht, jedenfalls nicht mit der ggf. gebotenen Deutlichkeit von Rabatten und deren Höhe, sondern zieht sich pauschal auf angeblich "erhebliche Rationalisierungs- (?) und Umsatzvorteile (?)" zurück. Sie vernachlässigt damit geflissentlich den Umstand, dass der Anteil der Apotheken an den Gesamtausgeben der Krankenkassen für Arzneimittel seit Jahren kontinuierlich sinkt, also ein Rationalisierungserfolg des vielgescholtenen Systems der Arzneimittelpreisverordnung, der nicht den Apotheken, sondern den Krankenkassen zu Gute gekommen ist. Im übrigen, wer rechnen kann, der rechne. "Umsatzvorteile" schlagen sich bei einem prozentualen Abschlag eben auch als "Abschlagsvorteil" der Kassen nieder.
Die Erhöhung des Abschlags mag angesichts der Koalitionsmehrheit kommen oder gar unausweichlich sein. Mit den Rabatten des Großhandels oder der Industrie als einem in die Arzneimittelpreisverordnung implantierten und von dieser rechtlich wie politisch sanktionierten Element von Marktwirtschaft und Wettbewerb hätte ein solcher Beschluss des Bundestages jedenfalls nichts zu tun. Es wäre der simple Versuch, Kassendefizite durch einen Griff in die Kassen der Apotheker zu mindern.
Fazit: Krankenkassenabschlag und Rabatte sind nicht idem oder simile, sie stehen zueinander, mit Verlaub, wie Äpfel und Birnen. So manches Mal, wie auch im vorliegenden Fall, kann also exakte juristische Terminologie durchaus helfen, zumindest schadet es nicht, sich ihrer auch im politischen Gefecht zu erinnern und zu bedienen.
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