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Bundeskartellamt: Kartellamt hat Bedenken gegen Festbeträge
Klarheit am 7. Februar
Am 7. Februar werden die Kassen über die neue Runde befinden, bei der bei fast zwei Dritteln der bestehenden Festbetragsgruppen Absenkungen geplant sind und auf ein Einsparpotenzial von mehr als einer Milliarde Mark gehofft wird (siehe DAZ Nr. 50 vom 14.12.2000).
In der vergangenen Woche schrieb das Bundeskartellamt den Kassen und machte kartellrechtliche Bedenken gegen das Verfahren geltend. In dem Schreiben, das der Deutschen Apotheker Zeitung vorliegt, kündigte es die Untersagung der Festbetragsfestsetzung an und drohte damit, dies sofort anzuordnen, sollten die Kassen bis zum 5. Februar nicht zurückrudern. Nach einem Gespräch der Vertreter des Bundeskartellamts mit Repräsentanten der Kassen am 29. Januar wurde bekannt, dass das Kartellamt, das aufgrund einer Beschwerde des Bundesfachverbands der Arzneimittel-Hersteller tätig wurde, jetzt das Vorgehen der Kassen am 7. Februar abwarten will.
Drittel-Regelung
Ungeachtet zahlreicher rechtlicher Einwände gegen das Verfahren, wie die Erstattungshöchstgrenzen festgelegt werden, hatten die Kassen mit dem Verfahren weitergemacht und den gesamten Festbetragsmarkt überprüft. Die Anhörung der Sachverständigen etwa der Apothekerschaft oder der pharmazeutischen Industrie endete Mitte Januar, für den 7. Februar wird die endgültige Entscheidung der Kassen dazu erwartet. Wichtige Grundlage für das Vorgehen der Kassen sei diese Bestimmung gewesen: Demnach sollten die Festbeträge den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Abstands zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis der Arzneimittel der Vergleichsgruppe nicht übersteigen.
Die Krankenkassen selbst verteidigen ihr Vorgehen mit dem Hinweis auf die Gesetzeslage. "Wir setzen gültiges Recht um", sagte Wolfgang Schmeinck am 29. Januar vor Journalisten in Bonn. Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands der Betriebskrankenkassen (BKK) stellte in Aussicht, dass sich die Kassen gegebenenfalls an das Oberlandesgericht in Düsseldorf wenden wollten, falls das Bundeskartellamt die nächste Anpassungsrunde untersage. Der BKK-Chef hielt Korrekturen nur im Einzelfall - aber nicht generell - für möglich, wenn nach der Absenkung die Versorgung mit bestimmten Medikamenten nicht flächendeckend gewährleistet sei, weil ein Unternehmen mit Dumpingpreisen und Einkauf auf Spotmärkten womöglich den Referenzpreis in den Keller gedrückt habe.
Bald Preisverhandlungen?
Schmeinck wies auf die drohenden negativen Auswirkungen auf das bestehende System hin, falls die Anpassung der Festbeträge gestoppt werde. Über die erhoffte Einsparung von mehr als einer Milliarde Mark hinaus drohe dann, dass das gesamte Verfahren der Festbeträge gekippt werde, bei dem letztlich die Kassen bundesweit "einheitlich und gemeinsam" diese Erstattungshöchstpreise bestimmten. Den Ausführungen des BKK-Chefs war zu entnehmen, dass er mögliche Alternativen für nicht umsetzbar hält.
Eine theoretisch denkbare Alternative seien Preisvereinbarungen. Hier sei jedoch völlig unklar, wer konkret auf welcher Ebene mit wem die Arzneimittelpreise aushandele. Dies wäre gleichbedeutend mit dem Ende des einheitlichen Apothekenabgabepreises. Zu Ende gedacht könnte dies bedeuten, dass dann womöglich jede Apotheke bei einem Rezept die Bestimmungen der jeweiligen Krankenkasse heraussuchen und berücksichtigen müsste. Dann wäre das jetzige Sachleistungssystem vermutlich nicht mehr zu halten, so Schmeinck, die Folge wäre in diesem Zukunftsszenario, dass womöglich die Versicherten die Summe für ihr Arzneimittel in der Offizin vorstrecken und sich anschließend den jeweiligen Erstattungsbetrag bei ihrer Kasse zurückholen müssten (Prinzip der Kostenerstattung). Preisverhandlungen der Kassen mit der Industrie gab er darüber hinaus wegen zu erwartender kartellrechtlicher Probleme keine Chance.
Kritik der Industrie abgelehnt
Den Vorwurf pharmazeutischer Hersteller am "völlig intransparenten" Verfahren hielt Schmeinck im Übrigen für unbegründet. Seiner Ansicht nach kann sich jeder Beteiligte genügend Informationen dazu einholen, die entsprechenden Protokolle seien bei der Geschäftsstelle für Arzneimittel-Festbeträge in Essen erhältlich.
Die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) habe zwar den Entwurf einer gesetzlichen Neuregelung auf den Weg gebracht, anschließend aber das Problem ausgesessen. An die Adresse der Politik richtete der BKK-Vorstandsvorsitzende den Appell, die erheblichen Auswirkungen auf das Gesamtsystem zu beachten, falls dem Verfahren der Festbetragsanpassung ein Riegel vorgeschoben werde.
Konkret zum erfolgten Wechsel hin zu Ulla Schmidt (SPD) als neuer Bundesgesundheitsministerin befragt, antwortete Schmeinck lediglich, diese sei im Gesundheitswesen ein unbeschriebenes Blatt.
Anschlag auf Patienten und Hersteller
Teile der pharmazeutischen Industrie hatten die Kassen mehrfach aufgefordert, die Aktivitäten bis zur endgültigen juristischen Klärung ruhen zu lassen.
Die weitreichende Absenkungsrunde zum ersten April hatte der Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller als gezielten Anschlag auf Patienten und Hersteller bezeichnet. Nach Ansicht des Bundesverbands der pharmazeutischen Industrie (BPI) drohen erhebliche Eingriffe in die Preisbildung. Der BPI hatte auch darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht in Kürze über die Verfassungsmäßigkeit von Festbetragsfestsetzungen entscheide (wir berichteten).
Kastentext: Festlegung von Festbeträgen
1999 legte das Bundesgesundheitsministerium für Gesundheit einen Entwurf vor, um die rechtlich umstrittene Festlegung von Festbeträgen für Arzneimittel rechtssicher zu machen. Geplant war unter anderem, die Erstattungshöchstgrenzen künftig per Verordnung ohne Zustimmung des Bundesrates festzusetzen.
Im Kern geht es um die Frage, ob der zuständige Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für so weitreichende Tätigkeiten wie bei den Festbeträgen überhaupt legitimiert ist (er setzt die Gruppen fest) und ob die Krankenkassen als Unternehmen anzusehen sind und als Nachfragekartell agieren.
Für pharmazeutische Hersteller wurden Einsprüche seit 2000 erschwert, weil ihnen der Gesetzgeber den Gang zu den Zivilgerichten versperrte. Mit dem Reformgesetz von Andrea Fischer wurde seit dem vergangenen Jahr vorgeschrieben, dass die Sozialgerichte für Fragen des Kartellrechts zuständig sind. Unternehmen bezweifeln jedoch, dass die Sozialgerichte ihnen Schutz vor Regelungen wie etwa den Festbeträgen gewähren.
Das Bundessozialgericht hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob das bisherige Verfahren mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die Entscheidung der höchsten Richter liegt noch nicht vor. Etliche Gerichte wie etwa das Oberlandesgericht Düsseldorf erklärten das jetzige Verfahren für unvereinbar mit dem europäischen Kartellrecht.
Das Bundessozialgericht hat beispielsweise zu den Festbeträgen für Ovulationshemmer festgestellt, dass das Verfahren, wonach die GKV-Spitzenverbände allein die Höhe der Festbeträge festsetzen, verfassungswidrig sei.
Das Bundeskartellamt in Bonn hat Bedenken gegen das Verfahren, wie die Anpassung der Festbeträge für Arzneimittel vorgenommen werden soll. Wenige Tage vor der Entscheidung der Krankenkassen über die neue Runde mit ihren großen Einschnitten verlautete aus dem Kartellamt, es wolle zunächst die Reaktion der Krankenkassen abwarten. Am 7. Februar werden die Kassen über die neue Runde befinden, bei der bei fast zwei Dritteln der bestehenden Festbetragsgruppen Absenkungen geplant sind.
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