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Kommentar
"Kein Mensch braucht heute noch Apotheken"
Schöne neue Welt - ohne Apotheken. So jedenfalls stellt es sich die Schreiberin Sybille Wagner vor, die den Beitrag "Das Aspirin von Aldi, Medikamente aus dem Internet", in der FAZ-Sonntagszeitung am 30. Dezember 2001 verfasste. Mit diesem voll Beitrag, geschrieben mit haarsträubendem Halbwissen und einem kräftigen Schuss Polemik, entließ Deutschlands neue Sonntagszeitung ihre Leserinnen und Leser in das neue Jahr.
Die Autorin, die nicht im Impressum der Sonntagszeitung steht, ist der Überzeugung, alles wäre - für Kranke und Kassen - günstiger ohne das Monopol der Apotheken. Bereits die plakative Aufmachung des dreispaltigen Artikels zeigt, wo es lang gehen soll: in der Mitte des Beitrags prangt ein großes Apotheken-A, das allerdings mit einem X durchgestrichen ist. Der Inhalt (siehe unsere nebenstehende Zusammenfassung) ist eine Ohrfeige für Kunden und Patienten der Apotheke - und für die Arbeit von uns Apothekerinnen und Apothekern und des gesamten Apothekenpersonals. Es drängt sich die Frage auf, ob jemand, der einen solchen Beitrag schreibt, entweder bösartig, gekauft (z. B. von Krankenkassenfunktionären) oder einfach nur dumm ist? Denn zum einen glorifiziert er den Rechtsbruch der Krankenkassen, die ihren Versicherten bei der Arzneimittelbestellung über DocMorris die Rezeptgebühr erlassen, zum andern rühmt er die absurdesten Vorstellungen von so genannten Sachverständigen, die glauben, dass in unserem Gesundheitswesen ohne Apotheke alles billiger werden würde, ohne Qualitätsverlust.
Muss man dieses Geschreibsel ernst nehmen? Ein Ausrutscher der Journaille? Der Beitrag ist nicht im Schwarzwälder Boten oder im Weser Kurier erschienen, sondern in der Sonntagszeitung der eher konservativ ausgerichteten, meist seriösen FAZ. Nun, zum Glück ist die Auflage dieser im vergangenen Herbst neu hinzugekommenen Sonntagszeitung noch nicht allzu hoch, das Blatt ist jedoch mit hohen Ansprüchen angetreten. Vor diesem Hintergrund kann man den Beitrag nicht abtun mit den Worten, man könne nicht auf jeden Artikel reagieren, wie es aus ABDA-Kreisen zu hören war. Solche Gedanken, wie von der Schreiberin in diesem Artikel geäußert, sind häufiger unter Tagezeitungsjournalisten anzutreffen als man vermutet. Solche Beiträge sind nach meiner Meinung hoch gefährlich, sie versuchen die Volksmeinung mit falschen Behauptungen und irrealen Annahmen in eine Richtung zu lenken, die glauben machen will, die Arzneimittelversorgung würde sicher, problemlos und ohne großen Qualitätsverlust ohne Apotheken funktionieren. Genau diese Journalisten dürften es sein, die dann wortstark und populistisch vermeintliche Arzneimittelaffären aufgreifen und mehr Sicherheit in unserem System anmahnen. Gäbe es tatsächlich "Aspirin vom Aldi und Medikamente aus dem Internet" kämen sie wahrscheinlich mit dem Schreiben über Gefahren und Qualitätsverluste nicht nach.
Was uns dieser Beitrag auch zeigt: Wenn Ende des Jahres 2001 noch immer ein Artikel von einer FAZ (Sonntagszeitung) gedruckt wird, in dem vom Pillendreher und akademischen Schubladenzieher Apotheker die Rede ist, von den teuren Apothekenpreisen, und die Sehnsucht nach Internet- und Kettenapotheken durchscheint, dann hat die Selbstdarstellung der Apotheker bis jetzt nicht funktioniert. Man muss klar sehen: Unsere Berufsvertretung hat es bis zum Jahr 2002 nicht geschafft, den meinungsbildenden Medien in unserem Land das Bild der modernen Apotheke, den Wert, den eine Apotheke für unser Gesundheitssystem darstellt und die Leistungen, die die Apotheke von heute erbringt, zu vermitteln. Irgendetwas stimmt mit unserer Kommunikation nach außen nicht. Mich ärgert es einfach maßlos, wenn wir Apotheker im 21. Jahrhundert so dargestellt werden, als seien wir die konservativen, verschrobenen Pillenkrämer von anno tobak, die nur die Bewahrung ihrer Pfründe im Kopf hätten. Wenn über Veränderungen im Gesundheitswesen diskutiert wird, dann werden Vorstellungen der Ärzte zitiert, der Krankenkassen - aber die Vorschläge der Apotheker bleiben meist außen vor. Wo bleibt die Darstellung der Apotheke, die ein modernes, preiswertes und unverzichtbares Dienstleistungs- und Informationszentrum ist? Kann die heute "amtierende" Berufsvertretung das überhaupt nach außen vermitteln - wenn sie glaubt, dass 23 Millionen Euro besser in einem Prachtbau aufgehoben sind als in effektiver Öffentlichkeitsarbeit? Mit ein paar bunten Image-Plakaten und der Teilnahme an Big-Diet-Aktionen ist dies eben nicht zu schaffen. Wann erfolgt das Umdenken - auch in Eschborn?
Peter Ditzel
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