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Kommentar
Interview: Ein Warnschuss gegen Gesetzesbruch der Kassen
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Herr Dr. Hardt, Sie haben Ihre Aktion, GEK-Versicherte nur noch gegen Barzahlung zu beliefern, groß angekündigt und viel Aufsehen damit erregt. Blieb es denn bei der Ankündigung oder haben Sie Ihr Vorhaben in die Tat umgesetzt?
Hardt:
Um es deutlich zu sagen: Bisher haben wir alle Rezepte eingelöst wie bisher. Es ist bis heute dabei geblieben, dass wir Patienten darüber informiert haben, dass die Gmünder Ersatzkasse den Versandhandel empfiehlt und welche Folgen dies hätte. Wir haben die Versicherten gebeten, ihren Unmut bei ihrer Kasse darüber loszulassen.
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Ist es Ihre Absicht, mit dieser Aktion ein Signal zu setzen?
Hardt:
Richtig. Wir haben darüber hinaus natürlich auch die Gmünder Ersatzkasse informiert und von dort auch eine Antwort bekommen, die aber nicht befriedigend war. Es ist wohl auch so, dass Frau Ministerin Schmidt von der Gmünder Ersatzkasse über unseren Plan informiert wurde, allerdings sehr einseitig, so dass dies zu der Pressemeldung von Frau Schmidt geführt hat, in der sie die Apotheker vor solchen Aktionen öffentlich warnt.
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Was war der Hintergrund Ihres Plans, womit wollten Sie diese Aktion rechtfertigen?
Hardt:
Hintergrund waren unsere Befürchtungen, dass die rationale Argumentation der ABDA oder unserer Verbände und gut gemeinte Pressekonferenzen generell nicht auf den fruchtbaren Boden in der Öffentlichkeit fallen, wie es hier nötig wäre. Auslöser für unsere Aktion war der offensichtliche Gesetzesbruch der Krankenkassen bzw. die Aufforderung zum Rechtsbruch. Unsere Hoffnung ist, durch diese Aktion ein öffentliches Bekenntnis von Politik und Krankenkassen zum System der Arzneimittelversorgung zur Apotheke vor Ort, also für die öffentliche Apotheke zu erhalten. Dieses Ziel haben wir bis heute leider nicht erreicht.
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Haben Sie prinzipiell ihre Aktion lediglich als Warnschuss verstanden oder haben Sie auch mal an den Ernstfall gedacht, also tatsächlich Rezepte nur gegen Barzahlung zu beliefern?
Hardt:
Wir haben schon sehr wohl an den Ernstfall gedacht und auch für den Ernstfall Szenarien entwickelt, weil wir ja prinzipiell als Einzelapotheker auch Kaufleute sind und nicht unbedingt gerne Kunden verlieren. Wir wollen sie ja im Gegenteil für uns gewinnen. Natürlich haben wir auch darüber nachgedacht, wie soziale Härten oder der Unmut des Kunden verhindert werden kann. Bei Kleinbeträgen beispielsweise kann eine sofortige Bezahlung erfolgen, bei größeren Beträgen wäre dagegen eine Valutierung von Rechnungen denkbar. Man könnte sich gemeinsam mit dem Patienten darum kümmern, dass ihm sein ausgelegter Rechnungsbetrag von der Kasse erstattet wird. Es müsste dem Kunden so einfach wie möglich gemacht werden, das Rezept zur Krankenkasse zu transportieren. Erst nach der Erstattung wird sein Konto belastet.
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Also ein Plan, der weit mehr als eine PR-Maßnahme war?
Hardt:
Auf jeden Fall. Die Kolleginnen und Kollegen hatten natürlich - bevor sie einer solchen Aktion beitraten - auch ihre Bedenken. Hier ist Solidarität gefragt und die ist im St. Augustiner Bereich, auch im nächsten Umfeld gegeben. Wir sind jetzt nicht so weit gegangen, dass wir alle Kollegen im Rhein-Sieg-Kreis angerufen haben oder alle in Bonn, sondern wir haben eine Kerntruppe zusammen. Wir haben in einigen Orten aber auch eine 100-prozentige Beteiligung jetzt schon über St. Augustin hinaus.
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Jetzt hat das bei der ABDA zu einer Presseveröffentlichung geführt mit der Überschrift "Versorgung der Patienten darf nicht gefährdet werden". Wie stehen Sie dazu?
Hardt:
Schade, hier fühlen wir uns missverstanden, weil die Versorgung der Patienten auch für uns in St. Augustin oder im Rhein-Sieg-Kreis an erster Stelle steht. Wir haben uns bereits beim Entwurf unserer Aktion Gedanken darüber gemacht, wie wir die Versorgung in jedem Falle sicherstellen.
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Was sind Ihre nächsten Schritte? Werden Sie sich jetzt zunächst zurückhalten oder werden Sie die Aktion weiter fortführen?
Hardt:
Nach dem, was mir heute auf den Tisch gekommen ist, auch nach dem massiven Druck, der über die Gesundheitsministerin und wahrscheinlich auch über die Kammer auf die einzelnen Teilnehmer an der Aktion ausgeübt wird, werde ich meinen Kollegen vorschlagen, in einem offenen Brief an die Ministerin und auch an die GEK darzustellen, dass wir unser Anliegen nach wie vor im Interesse des Patienten für richtig halten. Wir finden es nach wie vor völlig unverständlich, warum in unserem Fall bei einem rein formalen Verstoß gegen einen Paragrafen im Sozialgesetzbuch mit dem Entzug der wirtschaftlichen Basis gedroht wird, während auf der anderen Seite die Frau Ministerin einen deutlichen Gesetzesverstoß durch eine Krankenkasse in ihrer Information nicht mal erwähnenswert findet. Es kann doch nicht sein, dass Gesetze, die einzelne Interessensverbände für falsch oder änderungswürdig halten, prophylaktisch schon einmal übertreten werden können.
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Herr Hardt, vielen Dank für das Gespräch!
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