Randnotitz

Nur die halbe Wahrheit

"Hervorragende Erfahrungen" mit der Internetapotheke DocMorris machte ein chronisch kranker Rentner – "auch wenn eine Lieferung schon einmal 14 Tage dauern kann", heißt es in einem Focus-Beitrag vom 17. Juni. Das Nachrichtenmagazin glaubt entdeckt zu haben, dass das Geschäft mit Arzneimitteln aus dem Internet blüht, dass sich bereits einer Umfrage zufolge 39 % der Befragten vorstellen können, Arzneimittel übers Internet zu beziehen (was sagt das schon aus?) und dass die Krankenkassen rund eine Milliarde Euro pro Jahr einsparen könnten, würden alle Rezepte über DocMorris eingelöst (was für eine realitätsfremde Rechnung!).

Dem Focus-Leser wird der "regelrechte Krieg" zwischen Kassen und Apothekern vorgeführt, bei dem die armen Kassen zwar das Recht brechen, aber ja nur das Beste für ihre Versicherten wollen, die aufrührerischen Apotheker dagegen ein Faustrecht ausüben, wenn sie z. B. einen Boykott gegen GEK-Rezepte anzetteln (womit die Aktion der Apotheker im Rhein-Sieg-Kreis gemeint ist, die nur angedroht wurde, aber de facto nie stattgefunden hat). Und der GEK-Vorstand spielt auch noch den Helden und will die Rezeptkosten für DocMorris trotz Rüge von oben weiter erstatten, "bis ich ins Gefängnis komme". Wie weit sind wir hier schon gekommen?

Abgesehen von polemischen Äußerungen über Apotheken und "Weißkittel", die sich der Focus-Journalist nicht verkneifen kann, ärgert mich an solchen Artikeln, dass immer nur die halbe Wahrheit verbreitet wird – obwohl man es besser wissen könnte. Kein Wort in dem Artikel darüber, dass DocMorris Arzneimittel nur deshalb billiger anbieten, den Kassen einen "großzügigen Rabatt" gewähren und auf die Patientenzuzahlung verzichten kann, weil u. a. die Mehrwertsteuer-Differenz ausgenützt wird und weil in Deutschland der Apotheker die Zuzahlung kassieren muss.

Außerdem werden dem Leser viele Vermutungen und Prognosen präsentiert, die mit Fakten, Fakten, Fakten nur wenig zu tun haben: die Preisbindung könnte fallen (das hofft der Versandapothekerverband), die Apothekenzahl wird auf 15000 schrumpfen (prognostiziert ein Branchenkenner), und das Ministerium will den Online-Medikamentenhandel zulassen, wenn Sicherheit und Verbraucherschutz erfüllt sind (was der Quadratur des Kreises nahe kommt). Ein Beitrag, der Stimmung gegen die Apotheker machen soll. Und trotzdem haben schon über 3 Millionen Kunden "pro Apotheke" unterschrieben.

Peter Ditzel

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