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Rechtsprechung aktuell
Brot und Steine (Kommentar)
Ein facettenreiches Urteil bescherten uns drei Richter vom nördlichsten Oberlandesgericht der Republik. Zunächst die gute Nachricht: Wie zuvor schon der Bundesgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht reden auch die Schleswig-Holsteiner in Sachen Arzneimittelversand Klartext. Gleichgültig, ob Patienten, Ärzte oder Gefängnisse Adressaten der Medikamente sein sollen: Versandhandel mit apothekenpflichtigen Medikamenten ist aus Gründen des Verbraucherschutzes und der Arzneimittelsicherheit illegal!
Beratung hat von Angesicht zu Angesicht zu erfolgen, telefonische Erreichbarkeit kann den unmittelbaren Kunden- und Patientenkontakt nicht ersetzen. Trickreichen Umgehungsversuchen findiger Versandapotheker ("Der Transportunternehmer als zulässiger Bote des Bestellers") hat das Gericht einen Riegel vorgeschoben; auch die obligaten verfassungs- respektive europarechtlichen Einwände gegen das Versandhandelsverbot ("Brüssel...!!") widerlegte das Gericht überzeugend. Der Arzneimittelversand ist und bleibt, von begründeten Einzelfällen abgesehen, unzulässig.
So weit, so gut! Aber nützt uns das? Gerichte sind keine Gesetzgeber - stellt das Oberlandesgericht zutreffend fest, um sodann dezent auf legale und "praktikable" Möglichkeiten hinzuweisen, die das Arzneimittelgesetz zur Belieferung von "zentralen Beschaffungsstellen" für Gefängnisse (aber nicht nur für diese) weist. Und weiter: Da die Arzneimittelpreisverordnung den Arzneimittelbezug von Krankenhäusern und Gefängnissen preislich gleichermaßen privilegiere, sei es Apotheken schon heute erlaubt, Krankenhausware und Klinikpackungen auch an Justizvollzugsanstalten abzugeben. Ganze sieben Zeilen benötigen die Richter aus Schleswig in ihrer Urteilsbegründung, um zu dieser folgenreichen Konsequenz zu kommen. Überzeugend ist die Gleichstellung von Krankenhaus und Knast freilich nicht. Sie übersieht, dass es –unabhängig von Vertriebsbindungsfragen – zu einer gravierenden Wettbewerbsverzerrung zwischen krankenhausversorgenden Apotheken und anderen öffentlichen Apotheken kommt, wenn Justizvollzugsanstalten auch mit Klinikwaren versorgt werden dürfen. Genau solche Folgen möchte jedoch § 14 Apothekengesetz verhindern.
Dennoch dürften sich die Behörden, die für die Arzneimittelbeschaffung der Gefängnisse zuständig sind, mit Verve genau auf diese Urteilspassagen stürzen. Es sind die gleichen staatlichen Stellen, denen das Gericht immerhin bescheinigt, mit ihren europaweiten (!) Ausschreibungen zur zentralen Belieferung von Justizvollzugsanstalten sehenden Auges zum offenen Rechtsbruch verleitet zu haben. An was man sich bei DocMorris und einigen Krankenkassen bereits gewöhnt hat, ist nun auch im Hinblick auf etliche Justiz(!)vollzugsanstalten aktenkundig: Gesetze werden gebrochen, Gerichtsentscheidungen ignoriert. In Sachen Versandhandel feiert der Rechtsbruch fröhliche Urständ'. Und alle schauen zu (oder weg).
Christian Rotta
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