Reisemedizin

W. SchlemmerAktuelle Trends der Reisemedizin

Jährlich verreisen etwa 21 Mio. Deutsche im Durchschnitt für zwei Wochen in Gebiete, die ein gesundheitliches Risiko bergen, davon knapp 5 Mio. in die Tropen oder Subtropen. Etwa 1,5 Mio. aller Reisenden werden im Urlaub oder unmittelbar nach der Rückkehr nicht unerheblich krank oder kommen mit gefährlichen Infektionskrankheiten zurück. Der Apotheker kann hier durch Hinweise, Informationen und Tipps viel zur Vorsorge und Prophylaxe beitragen. Die Bayerische Gesellschaft für Immun-, Tropenmedizin und Impfwesen informiert jährlich über aktuelle Trends und Entwicklungen in der Reisemedizin.

Zwei Malariatote in München

Zwei Rückkehrer aus Burkina Faso (übersetzt: Land der Unbestechlichen) wurden am 11. September 2001 tot in ihrer Wohnung aufgefunden, die Meldung war von den Angriffen auf das World Trade Center überlagert worden.

Bei der Ankunft am 1. September 2001 in Deutschland hatten sie sich "nicht ganz wohl gefühlt". Die Todesursache war anfänglich nicht bekannt, man dachte u. a. an Ebola und ließ beim Transport der Toten entsprechende Schutzmaßnahmen anlaufen. Nach 14 Stunden gab es mit der Diagnose Malaria tropica diesbezüglich Entwarnung. Dabei ist festzuhalten:

  • Fast alle Malariaerkrankungen wären durch sachgerechte Prophylaxe zu vermeiden.
  • Jede Malaria ist heilbar, wenn man rechtzeitig und richtig behandelt.
  • Bei Erkrankungen während und kurz nach der Reise sollte ein Tropenarzt aufgesucht werden.

Aktuelle Empfehlungen zur Malariaprophylaxe

In endemischen Gebieten des tropischen Afrika und Ozeanien (z. B. Papua-Neuguinea und Salomonen) ist das Infektionsrisiko für Reisende am höchsten, speziell in Bezug auf die gefährliche Malaria tropica (Erreger: Plasmodium falciparum).

Die meisten in Mitteleuropa importierten schweren und tödlichen Krankheitsverläufe sind auf Infektionen aus Afrika zurückzuführen. Ungeschützte Reisende in Ostafrika sind einem Erkrankungsrisiko von mindestens ein Prozent pro Monat, in Westafrika sogar von zwei bis drei Prozent pro Monat ausgesetzt. Seroepidemiologische Untersuchungen (Circumsporozoiten-Antikörper) lassen noch höhere Expositionsrisiken vermuten. Das Risiko für asiatische und lateinamerikanische Destinationen ist aufgrund von Schätzungen 5- bis 100-mal kleiner.

In Gebieten mit hoher Chloroquinresistenz, die gleichzeitig den Ländern mit dem höchsten Infektionsrisiko einer Malaria tropica entsprechen (tropisches Afrika, einzelne Gebiete in Ozeanien und Südamerika, Indien nördlich der Linie Madras – Goa), wird eine Chemoprophylaxe durchgeführt.

In Gebieten mit niedrigem Infektionsrisiko wird eine Notfalltherapie bevorzugt (s. Kasten). Diese Strategie ist anzuwenden, wenn das Infektionsrisiko kleiner ist als das Risiko schwerer Medikamentennebenwirkungen. Die wichtigsten Faktoren, die über die Überlebenschancen von P.-falciparum-infizierten Reisenden entscheiden, sind eine frühzeitige Diagnose und eine unverzüglich eingeleitete wirksame Therapie.

In verschiedenen Ländern mit minimalem Übertragungsrisiko wird weder eine Chemoprophylaxe noch eine Ausrüstung zur Notfallbehandlung empfohlen. Maßnahmen zum Mückenschutz und eine Blutuntersuchung im Verdachtsfall mit Fieber nach einem Aufenthalt werden empfohlen. Reisende in folgende Länder sollten aber auf das minimale Risiko einer Malariainfektion aufmerksam gemacht werden: Mauritius, Kap Verde, Marokko, Algerien, Libyen, Ägypten (El-Fayyum), Syrien, Türkei, Tadschikistan.

Richtige Malariaprophylaxe, differenzierte Indikation

Bei einer Empfehlung zur Malariaprophylaxe gibt es weltweit zwei grundsätzliche Richtungen:

  • USA: Wo Malaria vorkommt, wird medikamentös vorgebeugt.
  • Deutschland: Abwägen zwischen dem Risiko einer Malaria und dem Risiko der Medikamente zur Vorbeugung.

Entsprechend den Empfehlungen der DTG (Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit) ist dieses Abwägen für deutsche Tropenreisende nutzbringender.

Andererseits kann die richtige Entscheidung nur durch individuelle Beratung erfolgen. Berücksichtigung finden

  • die Malariahäufigkeit ganz lokal am Reiseziel unter Berücksichtigung der gesamten Reiseroute,
  • die individuelle Verträglichkeit der einzelnen Medikamente,
  • die individuelle gesundheitliche Gefährdung durch Malaria,
  • die Reisedauer,
  • die Reiseart.

Derzeit sind bei uns folgende Malariamittel zugelassen (Markennamen z. T. beispielhaft):

  • Chloroquin (Resochin),
  • Proguanil (Paludrine),
  • Mefloquin (Lariam),
  • Atovaquon + Proguanil (Malarone),
  • Artemether + Lumefantrin (Riamet).

Doxycyclin wird zwar gegen Malaria eingesetzt, ist aber für diese Indikation nicht zugelassen. Nur durch genaue Kenntnis aller notwendigen Informationen über die Malaria und die Medikamente kann vom Arzt eine sachgerechte, individuelle Entscheidung getroffen werden.

Aus der von der WHO erstellten Karte zur Malariaprophylaxe, die im Jahr 2001 erstmals Abkürzungen für Malariamittel und nicht mehr die ABC-Einteilung enthält, geht hervor, dass Atovaquon + Proguanil (Malarone) dort eingesetzt wird, wo Resistenzen gegen Mefloquin (Lariam) bekannt sind (Südostasien). Auch für Kurzreisen empfiehlt sich Malarone als Prophylaxe oder auch als Notfallmedikament.

Neue STIKO-Empfehlungen für Kinder und Jugendliche

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung gegen Pneumokokken für Säuglinge ab dem dritten Monat. Ermöglicht hat dies ein neuer Impfstoff, der schon im frühen Entwicklungsalter des Immunsystems wirkt. Noch ist diese Empfehlung auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung beschränkt. Diese Gefährdung wird z. B. bei chronischen Erkrankungen und/oder Immundefekten angenommen. Die Diskussion über eine generelle Empfehlung im Rahmen der Kinderimpfungen ist noch nicht beendet. Neuere Daten sprechen durchaus für einen Nutzen dieser Impfung, weil dann viele durch Pneumokokken hervorgerufene Krankheiten vermieden und die zunehmende Antibiotikaresistenz dieser Erreger wieder vermindert werden kann.

Meningokokken-Impfungen waren bisher nur für Reisende von Interesse. Auch in Deutschland sollten jetzt gesundheitlich gefährdete Personen gegen Meningokokken geimpft werden. Neu sind so genannte Riegelungsimpfungen bei Ausbrüchen. Bisher war lediglich die Antibiotikaprophylaxe empfohlen.

Die neue Varicella-Impfung wird für 12- bis 15-jährige Jugendliche ohne Impfanamnese empfohlen. Während für diese Personengruppe also die Befragung ausreicht, zieht die Empfehlung, "seronegative Frauen mit Kinderwunsch" zu impfen eigentlich zwangsläufig die generelle Testung aller gebärfähigen Frauen nach sich. Für beides liegen aber immer noch keine entsprechende Stellungnahmen der Kostenträger (Krankenkassen) oder gar eine Vereinbarung mit den Ärzten vor.

Grippeimpfung vor der Reise

Selten wird bei den Reiseimpfungen an die Grippe- und die Pneumokokkenimpfung gedacht. Besonders für Ältere und chronisch Kranke besteht eine Indikation dafür. In Reisegruppen oder z. B. auf Kreuzfahrtschiffen, wo Personen auf engem Raum über Tage zusammenleben, verbreiten sich nachweislich diese gefährlichen Infektionskrankheiten besonders gut.

Neuer FSME-Impfstoff für Kinder

Der in der Reiseberatung Tätige sollte auf die Bedeutung der FSME als Reiseinfektion aufmerksam machen. Gegen FSME bietet die Expositionsprophylaxe (Kleidung, Repellens) keinen sicheren Schutz. Damit stellt die FSME-Impfung die einzig sichere Möglichkeit der Verhinderung einer FSME-Infektion dar. Das individuelle Infektionsrisiko in Endemieregionen hängt von den geplanten Aktivitäten des Reisenden ab.

Voraussichtlich im Frühjahr 2002 steht wieder ein Kinderimpfstoff gegen die FSME zur Verfügung. Eine derzeit von der Bayerischen Gesellschaft für Immun-, Tropenmedizin und Impfwesen e.V. vorbereitete Standortbestimmung "FSME-Impfung für Kinder" weist nach, dass Kinder ebenso wie Erwachsene, wenngleich auch seltener, durch das Virus schwer erkranken können. Daher hofft man auf die Zulassung des Impfstoffs.

Therapie der Virushepatitiden

Die chronischen Hepatitisvirusinfektionen B und C stellen ein immenses gesundheitspolitisches Problem dar. Während die HBV(Hepatitis-B-Virus)-Infektion weltweit mit über 400 Mio. Trägern die führende Rolle spielt, ist in der westlichen Welt die HCV(Hepatitis-C-Virus)-Infektion das größere Problem. Beide chronischen Infektionen führen in einem hohen Prozentsatz zu Leberzirrhose und hepatozellulärem Karzinom. Heute ist das Endstadium der HCV-Infektion die führende Einzelindikation zur Lebertransplantation.

An wirkungsvollen Therapieoptionen für beide Erkrankungen wird intensiv gearbeitet. Leider sind die Behandlungsergebnisse noch immer nicht optimal, obwohl in der letzten Zeit wieder erhebliche Fortschritte gemacht wurden.

Standardbehandlung der chronischen Hepatitis B ist noch immer die Monotherapie mit rekombinantem Interferon alfa. In den letzten Jahren hat sich aber zunehmend Lamivudin als Alternative und Ergänzung der Behandlungsmöglichkeiten durchgesetzt und wird bereits als Therapie der ersten Wahl bei verschiedenen Formen der chronischen HBV-Infektion gesehen. Die Vorteile und Nachteile beider Therapieformen müssen gegeneinander aufgewogen und ihr entsprechendes Indikationsspektrum diskutiert werden.

Bei der chronischen Hepatitis C sind Spontanheilungen extrem selten. Die Behandlung mit pegyliertem Interferon alfa in der Kombination mit Ribavirin wird neuer Standard. Unabhängig vom Genotyp des HCV können mit dieser Therapieform ca. 50 Prozent Dauerheilungen bei den behandelten Patienten erreicht werden. Bei Patienten mit HCV-Genotyp 3 sind Dauerheilungen sogar bis zu 90 Prozent möglich. Grundsätzlich machen die Kenntnis von günstigen Faktoren bezüglich eines zu erzielenden Therapieerfolgs einerseits (z. B. HCV-Genotyp 2 oder 3, niedrige Viruslast, Fehlen von portaler Fibrose, jüngeres Lebensalter usw.) sowie die mit der Behandlung verbundenen, zum Teil signifikanten Nebenwirkungen andererseits eine differenzierte Therapieentscheidung in jedem Einzelfall möglich.

Besser als jede Therapie wäre eine wirkungsvolle Prophylaxe. Seit vielen Jahren verfügen wir über eine erfolgreiche Vakzine bei der HBV-Infektion, aber auch bei der HCV-Infektion gibt es Licht am Ende des Tunnels.

BSE und andere wichtige Infektionen

  • BSE/vCJD/TSE. Der Erreger der bovinen spongioformen Enzephalopathie (BSE) ist identisch mit dem Erreger von Scrapie und dem der varianten Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJD). Die Letalität beträgt 100%. - Übertragung: chirurgische Eingriffe, besonders am Nervensystem. Für die intrazerebrale Übertragung reichen etwa 104 Moleküle Prion-Protein, für die orale etwa 106 Moleküle. Bisher keine Blut-Übertragung. - Symptome: anfangs Alpträume, Halluzinationen, dann motorische Ausfälle, Siechtum, Wesensveränderung. - Inkubationszeit/Manifestationszeit: 10 Jahre. - Therapie: keine. - Inaktivierung der Erreger: Autoklavieren bei 135 Grad Celsius für 60 min, 1 N NaOH, 6 M Guanidinhydrochlorid. - Impfstoff: nicht vorhanden. - Prävention: Elimination des Erregers aus Tieren, strikte Hygiene, kein Verzehr von Gehirn.

  • Nipahvirus. Paramyxovirus, das von Flughunden (Fledermäusen) auf Schweine übertragen wird. - Letalität: in Schweinen 50%, im Menschen 30% der ersten Infektions-Generation. - Vorkommen: Südostasien. - Übertragung: direkter Kontakt mit Schweinen oder deren Produkten, einschließlich rohem Fleisch. - Symptome: Fieber, Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Enzephalitis. - Inkubationszeit: 2 Wochen. - Therapie: keine. - Inaktivierung: alle zugelassenen Desinfektionsmittel, Autoklavieren. - Impfung: keine. - Prävention: Kontakt meiden, Region meiden bei erneutem Ausbruch.

  • Hendravirus. Paramyxovirus, das von Flughunden auf Pferde übertragen wird. - Letalität: in Pferden 70%, im Menschen 100%. - Vorkommen: Südostasien, Norden von Australien. - Übertragung: direkter Kontakt mit erkrankten Tieren. - Symptome: Fieber, extreme Abgeschlagenheit, Pneumonie, Enzephalitis. - Inkubationszeit: 2 Wochen, Tod nach 3 Wochen oder 1 Jahr. - Therapie: keine. - Inaktivierung: alle zugelassenen Desinfektionsmittel, Autoklavieren. - Impfung: keine. - Prävention: kein Kontakt mit infizierten und erkrankten Tieren.

  • Maul-und-Klauenseuche-Virus. Aphthovirus, aus der Gruppe der Picornaviren (wie Hepatitis-A-Virus). - Letalität: in Schweinen 60 bis 80%, beim Menschen nur Säuglinge. - Übertragung: direkter Kontakt, kontaminiertes Wasser, Lebensmittel, Gegenstände, evtl. über Staub bei starkem Wind. - Symptome: febriles Exanthem, Lymphknoten-Schwellung, Krankheit beim Erwachsenen ca. 1 Woche. - Inkubationszeit: ca. 1 Woche. - Therapie: keine. - Inaktivierung: alle Desinfektionsmittel – verlängerte Einwirkzeit, Autoklavieren. - Impfung: Impfstoff mit 7 Serotypen nur für Tiere (Schweine) vorhanden, 20% Dauerausscheider unter geimpften Schweinen. - Prävention: kein Kontakt mit kontaminierten Gegenständen oder Tieren.

  • Dengue-Fieber-Virus. Flavivirus aus Südostasien, kommt dort seit über 400 Jahren vor, seit ca. 4 Jahren in Südamerika weit verbreitet, ähnlich dem Gelbfieber-Virus. - Letalität: bei Erstexposition keine, bei Reexposition bis 20%. - Übertragung: Stechmücken (besonders Culex- und Aedes-Arten), bei massiv virämischen Patienten über direkten Blutkontakt. - Symptome: Fieber, Abgeschlagenheit, hämorrhagische Blutungen in Haut und Schleimhaut. - Inkubationszeit: 1 bis 2 Wochen. - Therapie: keine. - Inaktivierung: alle Desinfektionsmittel, Autoklavieren. - Impfung: keine, aber in Entwicklung. - Prävention: Schutz vor Mückenstichen, Abstand von Infizierten.
Impfungen, die bei uns nicht zugelassen sind Neben den in Deutschland verfügbaren und zugelassenen Impfstoffen gibt es in einer Reihe von Ländern Impfstoffe, die dort z. B. aus arbeitsmedizinischen Indikationen eingesetzt werden. Hierzu zählen die Impfstoffe gegen Coxiella burnetti (Q-Fieber), Yersinia pestis (Pest) sowie Bacillus anthracis (Milzbrand).

In der reisemedizinischen Vorsorge werden auch in Deutschland nicht zugelassene Impfstoffe angewendet. Dazu zählen die Impfstoffe gegen die Japanische Enzephalitis sowie die orale rekombinante Lebendvakzine bzw. die inaktivierte Vakzine gegen Cholera.

Auch für Beschäftigte der Landwirtschaft stehen in einigen Ländern bestimmte Vakzinen zur Verfügung, die jedoch meist nur regionale Bedeutung haben, so zum Beispiel Impfstoffe gegen Junin-Virus (Argentinisches hämorrhagisches Fieber), Rift-Valley-Fieber-Virus, Venezolanische Pferde-Enzephalitis, Kyasanur-Forest-Disease-Virus sowie Hantaan-/Seoul-Virus (hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom). Einige dieser Impfstoffe sind auch unter wehrmedizinischen Aspekten von Bedeutung (eventuelle zukünftige Einsätze der Bundeswehr; Milzbrand-Vakzine gegen "Bioterrorismus").

Die Datenlage hinsichtlich klinischer Studien zur Immunogenität und Reaktogenität dieser Impfstoffe ist sehr unterschiedlich. Teilweise basieren Zulassungen auf Daten aus den 60er- und 70er-Jahren, wie z. B. für Pest- und Milzbrand-Vakzine. Für andere Vakzinen liegen nur publizierte Studien an kleinen Probandenzahlen vor.

Da diese Impfungen nicht öffentlich empfohlen sind, entfällt der staatliche Aufopferungsanspruch. Daher trägt der Arzt allein das Risiko im Falle eines Impfschadens (Ausnahme: Bundeswehr). Gerade bei arbeitsmedizinischen Indikationen sollten Regelungen für mehr Rechtssicherheit angestrebt werden.

Thrombosegefährdung bei Fernreisen

Verlässliche epidemiologische Daten fehlen naturgemäß, da diese Erkrankungen nicht zentral erfasst werden können. Nach Untersuchungen am Flughafen Heathrow sind 18% der Todesfälle nach einem Langstreckenflug (über 4 Stunden Dauer) auf eine Lungenembolie zurückzuführen. Frauen und Personen höheren Alters waren bevorzugt betroffen.

In der "Münchner Venenstudie" waren 8% der postthrombotischen Symptome auf eine Fernreisenthrombose zurückzuführen. Daraus lässt sich grob eine Inzidenz von 1,6 pro 10 000 Personen pro Jahr für Deutschland hochrechnen.

Die individuelle Prophylaxe richtet sich nach der jeweiligen Risikosituation. Grundsätzlich sollte jeder auf

  • Bewegung (Fußgymnastik, Strecken und Beugen),
  • reichliche Zufuhr von Flüssigkeit (keine alkoholischen Getränke) und
  • nicht beengende Kleidung

achten. Auch das Tragen von Wadenstützstrümpfen ist empfehlenswert. Bei erhöhtem Risikoprofil sollten Kompressionsstrümpfe (bevorzugt Kompressionsklasse 2) getragen werden.

Bei hohem Risikoprofil ist immer die Gabe von niedermolekularem Heparin in prophylaktischer Dosierung zu empfehlen (auf jeden Fall bei bekannter thrombophiler Diathese und bei Venenthrombose in der Anamnese): ab 1 Tag vor Reiseantritt bis 1 bis 2 Tage oder länger nach Reiseende (Lungenembolien sind auch noch ein bis zwei Wochen nach Fernreisen beobachtet worden). Auch ist immer ein Fortbestehen des Thromboserisikos am Ziel-/Urlaubsort zu beachten (Busfahren usw.). Acetylsalicylsäure ist bestenfalls ein Prophylaktikum der zweiten Wahl bei niedrigem Thromboserisiko.

Praktische Tipps bei Reisen mit Kindern

Kinder unter fünf Jahren sollten nicht in ferne Länder mitgenommen werden. Für sie ist ein Urlaub am Meer, auf dem Bauernhof oder in den Mittelgebirgen viel besser. Vor allem sind bei Tropenreisen die Klimaverhältnisse, das ungewohnte Essen und die Infektionsgefahren zu bedenken. Sind Langzeitaufenthalte, z. B. wegen der beruflichen Tätigkeit der Eltern, notwendig, so sollte der Kinderarzt in die Planung mit einbezogen werden.

Flugreisen werden von Kindern im Allgemeinen gut vertragen, sodass vierstündige Flüge unproblematisch sind. Jedoch können rasche Druckveränderungen heftige Ohrenschmerzen auslösen. Abhilfe ist durch Trinken, Saugen, willkürliches Gähnen und Kaugummikauen zu erreichen.

Bei Erkältungen ist der Druckausgleich gestört, und starke Schmerzen sind die Folge. Die Gabe von Nasentropfen und -sprays eine halbe Stunde vor Start und Landung ist hilfreich. Da im Flugzeug eine niedrige Luftfeuchte besteht, ist angeraten genügend zu trinken. Es besteht sonst die Gefahr der Austrocknung mit Halsschmerzen. Bei Asthmatikern könnten sogar Anfälle ausgelöst werden.

Im Urlaubsdomizil bestehen im Prinzip die gleichen Gefahren wie zu Hause. Es empfiehlt sich bei kleinen Kindern ebenerdige Appartements ohne Treppen zu buchen. Nach Einzug sollte ein Rundgang durch die Umgebung unternommen werden, um die Gefahrenquellen wie Reinigungsmittel, morsche Bäume, giftige Pflanzen, Pools, Müllcontainer, herumstehende Maschinen usw. festzustellen.

Bereits vor der Reise sollte über das richtige Ess- und Trinkverhalten gesprochen werden. Man kann eben nicht immer essen und trinken, wann, wo und was man möchte. Heißer Tee und Kaffee sind keine geeigneten Getränke für Kinder. Hier ist die Mitnahme von Säften, Früchtetees oder in Flaschen abgefüllten kohlesäurehaltigen Getränken zu empfehlen.

Bei der Zubereitung von Nahrung muss bedacht werden, dass Wasser aus Brunnen zu viel Nitrat enthalten kann und für Säuglinge ungeeignet ist. Der Nitratgehalt sollte nicht über 20 mg/l betragen. Teststreifen sind in Apotheken erhältlich.

Die Sonneneinstrahlung kann für Kinderaugen negative Folgen haben, deshalb sollten an südlichen Meeresstränden und im Gebirge gute Sonnenbrillen von den Kindern getragen werden.

Der Schutz gegen Mückenstiche ist äußerst wichtig, zumal gegen eine Anzahl von durch Mücken übertragenen Infektionen keine Präventivmaßnahmen bestehen. Besondere Gefahr besteht für Kinder in warmen Ländern durch die Dehydratation (Wasserverlust). So sollten gerade Kinder immer reichlich saubere Trinkflüssigkeit zur Verfügung haben. Bei Durchfällen und Verlust des Körpergewichtes bis 5 Prozent liegt bereits eine leichte Dehydratation vor, bei der Cola mit Mineralwasser (1:1, besser 1:2) und Salzstangen gegeben werden sollten. Bei großzügiger Gabe von Cola besteht allerdings die Gefahr von zentralerregenden und herzwirksamen Effekten. Stärkere Dehydratation bedarf der ärztlichen Hilfe, da Lebensgefahr besteht.

Bei Tropenreisen ist die Blutgruppenbestimmung aller mitreisenden Familienangehörigen und weiterer Mitreisenden vor der Abreise sinnvoll, da bei Unfall oder schwerer Erkrankung Bluttransfusionen notwendig werden könnten. Dabei sollte auch eine HVB-, HVC- sowie eine HIV-Testung erfolgen.

Kastentext: Definition der Notfalltherapie

Ein Medikament wird während der ganzen Reise mitgeführt. Der Einsatz erfolgt beim Auftreten eines (plötzlichen) Fiebers mit oder ohne Zeichen einer Infektion, sofern innerhalb von 24 Stunden keine zuverlässige medizinische Institution erreicht werden kann, welche den Verdacht auf Malaria mittels einer Blutuntersuchung erhärten oder ausschließen kann. Die Notfalltherapie ist eine Maßnahme zur Lebensrettung. Dem Touristen wird dabei die Verantwortung zur Selbstbehandlung überlassen.

Kastentext: Kernpunkte zum Malariaschutz

  • Risikobewusstsein in endemischen Gebieten
  • Mückenstiche vermeiden oder verhindern
  • Einnahmedisziplin der Chemoprophylaxe
  • bei Fieber: Rasche Diagnose und Therapie

Kastentext: Prädisponierende Faktoren des thromboembolischen Geschehens

  • Übergewicht
  • Höheres Lebensalter
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Nicotin und hormonelle Kontrazeptiva
  • Varikose
  • Schwangerschaft/postpartale Phase
  • Immobilisation und Trauma
  • Hämatologische Erkrankungen (Polyglobulie, Faktor-XIII-Mangel)
  • Fortgeschrittene maligne Erkrankungen
  • Präoperativ bestehende Immobilisation
  • Früheres thromboembolisches Geschehen
  • Angeborene Thrombophilie, z. B. AT-III-Mangel

Quelle: Nach Vorträgen von Dr. Gerhard Dobler, München, Dr. Nikolaus Frühwein, München, Dr. Petra Graf, München, Prof. Dr. Lutz G. Gürtler, Greifswald, Prof. Dr. Jürgen Knobloch, Tübingen, Prof. Dr. Dr. Markward Marshall, Tegernsee, PD Dr. Hans Dieter Nothdurft, München, Dr. Eberhard Plassmann, München, und Prof. Dr. Tino F. Schwarz, Würzburg, auf dem 17. Kongress der Bayerischen Gesellschaft für Immun-, Tropenmedizin und Impfwesen am 29. September 2001 in München.

Etwa 1,5 Millionen Deutsche erkranken alljährlich auf ihrer Urlaubsreise oder kurz nach ihrer Heimkehr. Das Infektionsrisiko ist insbesondere in den Tropen und Subtropen groß. Der Apotheker kann durch Hinweise und Informationen viel zur Prophylaxe der Reisenden beitragen. Wir informieren über die aktuellen Empfehlungen zur Malariaprophylaxe in den endemischen Regionen, über neue STIKO-Empfehlungen für Kinder und Jugendliche, über die Therapiemöglichkeiten von Virushepatitis und anderen Viruserkrankungen

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.