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- AZ 16/2003
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Rürup-Kommission: Wie die GKV 24 Mrd. Euro einsparen könnte
"Mehrheitliche Zustimmung" fand lediglich eine Beschlussvorlage, die einige Maßnahmen zur kurzfristigen Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorsieht und es im Übrigen der Politik überlässt, ob sie dem einkommens-unabhängigen Gesundheitsprämienmodell des Kommissionsvorsitzenden Bert Rürup oder dem Konzept einer Erwerbstätigenversicherung von Schmidt-Berater Karl Lauterbach den Vorzug gibt. Dieses Arbeitspapier soll nun Grundlage für weitere Diskussionen innerhalb der Kommission sein.
Als "Ypsilon-Modell" präsentierten Rürup, Lauterbach und der Berliner Wirtschaftsforscher Gert Wagner ihre gemeinsam verfasste Beschlussvorlage: Zunächst ein mehr oder weniger fester Stamm zur Senkung der Lohnnebenkosten auf der ersten Stufe – ein "fulminantes Sparprogramm", wie Rürup meint. Dann eine Gabelung für die beiden Finanzierungsmodelle auf der zweiten Stufe – "es wäre auch ein Baum denkbar gewesen" rechtfertigte Lauterbach das Konzept. Aber es bestehe mehrheitlicher Konsens, dass die Wahl nur zwischen diesen beiden Modellen getroffen werden könne: "Jedes Mischmodell ist schlechter", so Lauterbach.
Vor allem aber sei das gegenwärtige, beschäftigungsfeindliche System nicht zukunftsfähig und müsse überwunden werden, betonte Rürup. Es sei jedoch eine Wertentscheidung, ob man das Gesundheitsprämiensystem oder das Modell einer Erwerbstätigenversicherung favorisiere. Ersteres Konzept basiert auf dem Äquivalenzprinzip und ist gänzlich von den Arbeitskosten losgelöst. Die zu zahlenden Pauschalen könnten, je nach Versicherung, zwischen 170 und 220 Euro im Monat liegen.
Der soziale Ausgleich erfolgt über das Steuersystem, für Kinder wird keine Prämie fällig. Bei diesem Modell dominiere die Idee der Wachstums- und Beschäftigungsfreundlichkeit, erklärte Rürup. Die Erwerbstätigenversicherung hebe hingegen auf die Leistungsfähigkeit des Einzelnen ab und knüpfe an sämtliche Einkommensarten an. Hinter ihr stehe der Gedanke der Verteilungsgerechtigkeit. Letztlich, so Rürup, sei also eine gesellschaftspolitische Entscheidung zu treffen, die nicht Aufgabe einer Kommission sein könne, sondern ins Parlament gehöre. Beide Varianten bekennen sich jedoch zum Solidarsystem. Details zu den beiden Modellen will die Kommission nun bis Mai ausarbeiten.
Wie kurzfristig gespart werden soll
Zunächst kann sich Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt Gedanken über die innerhalb der Kommission weniger umstrittenen Vorschläge machen. Mit diesen soll die GKV ab dem kommenden Jahr um insgesamt 24 Mrd. Euro entlastet werden. In einem Punkt besteht bereits Einigkeit: bei der Ausgliederung des Krankengeldes. Ebenso wie es die Ministerin ihrer Fraktion vorgeschlagen hat, will die Kommission das Krankengeld zwar in der GKV belassen, die paritätische Finanzierung jedoch aufheben – Einspareffekt für die Kassen: rund 7,5 Mrd. Euro. In einem weiteren Punkt sind sich die Ministerin, der Bundeskanzler und die Kommission ebenfalls einig: gesellschaftspolitisch relevante Leistungen wie Schwangerschaftsleistungen, Mutterschaftsgeld oder Sterbegeld sollen künftig steuerfinanziert werden – hiervon verspricht man sich Einsparungen von 4,5 Mrd. Euro für die GKV. Finanzminister Hans Eichel ist von der Idee allerdings noch nicht überzeugt.
Patienten sollen tiefer in die Tasche greifen
Abstimmungsbedarf – zumindest im Detail – könnte auch bei den weiteren Vorschlägen bestehen. So wollen Rürup & Co. die Zuzahlung erheblich ausweiten: Für Arztbesuche soll eine Praxisgebühr von 15 Euro fällig werden – mit Ausnahmen für Kinder sowie bei Untersuchungen zur Prävention oder im Rahmen von Disease-Management-Programmen oder infolge von Unfällen (Sparziel: 2 Mrd. Euro). Schmidt plädiert hingegen lediglich für Praxisgebühren bei Facharztbesuchen. Zudem schlägt die Kommission vor, die Zuzahlung im zahnärztlichen Bereich deutlich zu erhöhen, ohne die Leistung jedoch aus dem GKV-Katalog herauszunehmen. Erhofftes Einsparvolumen: 2,5 Mrd. Euro.
Auch bei Arzneimitteln soll die Zuzahlung "systematisch ausgeweitet" werden und Anreize für kostenbewusstes Verhalten gesetzt werden. Nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel sollen nach Auffassung der Kommission ganz aus dem Leistungskatalog der GKV verschwinden. Schon dies könne die GKV um weitere 6 Mrd. Euro entlasten. Für Generika soll zudem die Preisbindung aufgehoben werden. Zwar würden in Deutschland vergleichsweise viele Nachahmerpräparate verordnet – doch das preisliche Niveau sei zu hoch. Weitere 2 Mrd. Euro Einsparpotenzial sehen hier die Experten. Letztlich sollten auch Sonderregelungen in der Beihilfe abgebaut werden und Sozialhilfeempfänger in die GKV einbezogen werden.
Würden all diese Vorschläge umgesetzt, könnten die Kassen der Kommission zufolge ihre Beiträge um rund 2,4 Beitragssatzpunkte senken. Das Ziel des Bundeskanzlers, die Kassenbeiträge auf unter 13 Prozent zu drücken könnte somit selbst dann erfüllt werden, wenn die Beiträge in diesem Jahr noch in die Nähe der 15 Prozent-Marke steigen sollten.
Ministerin betont Gemeinsamkeiten
Die Ministerin reagierte mit verhaltener Zustimmung auf die Vorschläge. Sie betonte die Gemeinsamkeiten: einige Ideen seien bereits in die Debatte und den zur Zeit entstehenden Gesetzentwurf eingeflossen, so z.B. der Willen, die Preisbildung im Arzneimittelbereich kritisch zu überarbeiten. Richtig sei zudem, dass in einer älter werdenden Gesellschaft wie der unseren, die Beiträge nicht auf Dauer nur auf Lohn und Gehalt berechnet werden könnten, sagte Schmidt. Die weiteren Vorschläge will sie nun abwägen und schauen, ob mit ihnen die soziale Balance gewahrt werden kann. Zu den beiden Finanzierungsmodellen wollte sie sich noch nicht konkret äußern.
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