Kommentar

Wahnsinn mit Methode

Der Arzt hat sich zurecht aufgeregt. Seine Kassenärztliche Vereinigung auch. Und dennoch: es ist doch nur der ganz alltägliche Wahnsinn. Der Fall ist schnell erzählt: Internist verordnet seinem Patienten 100 Tabl. Allopurinol 300 AL (9,71 Euro), 100 Tabl. Godamed 100 mg (3,57 Euro), 100 Tabl. Ibuhexal 400 (19,85 Euro) und 100 ml Crataegutt (19,50 Euro); Patient erinnert sich an die Empfehlung vieler Krankenkassen, der mitdenkende Versicherte möge seine Arzneimittel doch – günstig, günstig – zukünftig bei Versandapotheken im Ausland bestellen; Patient ist brav und schickt sein Rezept frohgemut sofort nach seinem Arztbesuch am 17.Januar 2003 an DocMorris; einen Monat (!) später – das Schreiben ist datiert auf den 14. Februar 2002 – bekommt er sein Rezept mit einem freundlichen Briefchen zurück: "Vielen Dank für die Bestellung. Manchmal ist die Nachfrage nach Arzneimitteln bei 0800DocMorris sehr hoch. So gibt es Tage, an denen wir viel mehr Bestellungen und Rezepte bekommen, als wir in einem für unsere Kunden vertretbaren Zeitraum bedienen können. Aus diesem Grund entscheiden wir uns dann dafür, die Bestellungen, die wir in solchen - nicht vorhersehbaren - Stoßzeiten tagesaktuell nicht bedienen können, zurück zu reichen".

Tagesaktuell? Hätte es da nicht "monatsaktuell" heißen müssen? Nach einem Monat erhält der Patient sein Rezept zurück mit der Bemerkung, man finde es fairer, "ein Rezept zurück zu reichen, als zu lange Wartezeiten abzuverlangen". Zu lange? Nun, vielleicht hatte der Patient ja für einen Monat keine Gichtprobleme mehr, Thrombozytenaggregationshemmung war nicht mehr nötig, Schmerz und Entzündung waren für einen Monat weggeblasen, genauso wie die leichte Herzsuffizienz. Und wenn nicht?

Merkt unsere Gesundheitsministerin, merken unsere Krankenkassen immer noch nicht, dass der Wahnsinn Methode hat? DocMorris behauptet vollmundig, "fast alle ärztlichen Verordnungen" beliefern zu können. Aber: Mit dem Argument, in Stoßzeiten überlastet zu sein, werden Verschreibungen abgewimmelt, die betriebswirtschaftlich uninteressant oder sogar ein Zuschussgeschäft sind. Mit solchen Verschreibungen darf der werte Kunde weiter die "Präsenzapotheken" in Deutschland schädigen. Dort gilt der Kontrahierungszwang – cito et iucunde; der Patient ist sofort, ohne vermeidbare Verzögerung zu beliefern. Komisch: Hat man schon einmal gehört, dass bei DocMorris für "satte" Rezepte mit attraktiven Deckungsbeiträgen in "Stoßzeiten" die Zeit nicht reicht? Honni soit, qui mal y pense.

Klaus G. Brauer

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