Arzneimittel und Therapie

Mammakarzinom: Entwicklungen in der Therapie des Mammakarzinoms

Im Dezember 2002 fand in San Antonio (Mexiko) ein internationales Breast Cancer Symposium statt, bei dem rund 5000 Experten neue operative und chemotherapeutische Therapieansätze diskutierten. Neben einer neuen Bewertung von Anthrazyklinen, Tamoxifen und Anastrozol sowie der möglichen Bedeutung von Taxanen ist insbesondere die Rolle der primär systemischen Therapie hervorzuheben, welche die Rate brusterhaltender Operationen erhöht und in günstigen Fällen zu einer pathologischen Komplettremission führen kann.

Unter einer primär systemischen oder neoadjuvanten Therapie versteht man die chemotherapeutische Behandlung vor der Operation. Durch die Chemotherapie soll der Tumor so verkleinert werden, dass ein operativer Eingriff möglich wird. Dieses Vorgehen war bislang auf inoperable oder inflammatorische Mammakarzinome beschränkt. Nachdem nun nachgewiesen wurde, dass die primäre Therapie der adjuvanten Therapie ebenbürtig ist, und der Patientin keine Nachteile entstehen, wird dieses Vorgehen wahrscheinlich häufiger praktiziert werden, zumal sich dadurch die Rate an brusterhaltenden Operationen deutlich erhöht. So konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass bei großen Karzinomen (größer 3 cm) dank einer chemotherapeutischen Vorbehandlung die Rate brusterhaltender Operationen von 8% auf 22% erhöht werden konnte.

Bei kleineren Tumoren kann in den meisten Fällen brusterhaltend operiert werden. Bei den Studien zur primär systemischen Therapie hat sich auch gezeigt, dass das Erreichen einer pathologischen Komplettremission ein wichtiger Surrogatmarker für eine gute Prognose ist. In welchem Ausmaß sich eine Komplettremission auf das Gesamtüberleben auswirkt, müssen Langzeitstudien zeigen. Ferner wird zur Zeit in mehreren Studien untersucht, mit welchen Chemotherapeutika, in welchen Dosierungen und in welchen Dosisintervallen die besten Ergebnisse erzielt werden.

Hormontherapie neu gewichten

Neben der Amputation ist die Hormontherapie die älteste Behandlungsmöglichkeit eines Mammakarzinoms. Bereits 1896 wurde im Lancet von einer erfolgreichen Ovarialsuppression durch Kastration berichtet. Die Einführung wirksamer Chemotherapeutika stellte die Hormontherapie etwas in den Schatten, wobei sich zur Zeit ein Umdenken und ein differenziertes Vorgehen anbahnt. Es wird mehr Gewicht auf die Hormontherapie gelegt, und eine Chemotherapie erscheint nicht mehr generell als der Königsweg.

Hormonrezeptor-positive Patientinnen können in der adjuvanten Situation entweder chemotherapeutisch oder endokrin behandelt werden. Es gibt Untersuchungen, dass eine zeitlich begrenzte Ausschaltung der Ovarialfunktion durch GnRH-Analoga wie Goserelin (Zoladex®) mit oder ohne zusätzlicher Tamoxifengabe einer klassischen Chemotherapie ebenbürtig ist.

Eine Chemotherapie führt bei rund der Hälfte der Frauen zu einer bleibenden Amenorrhö, wohingegen nach Ende der endokrinen Therapie die Blutung wieder einsetzt. Dies ist bei der Therapieentscheidung zu berücksichtigen, denn – so Gerber – "es kann nicht das Ziel der adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms sein, die Patientinnen von dem Mammakarzinom zu heilen und sie gleichzeitig zu einer alten Frau mit einer Vielzahl von klimakterischen Syndromen zu machen". Unter der Prämisse, dass endokrine und zytostatische Therapie in ihrem Erfolg vergleichbar sind, muss die Therapieentscheidung individuell, d. h. unter Berücksichtigung des Menopausenstatus und des Alters getroffen werden. So zeigt sich z. B. bei Patientinnen über 60 Jahren kein Benefit für eine Chemotherapie und es braucht nur Tamoxifen gegeben werden. Bei Frauen zwischen 50 und 59 Jahren führt eine Kombination von Hormon- und Chemotherapie zu besseren Ergebnissen.

Adjuvante Therapie: Anthrazykline sind Standard

Über viele Jahre hinweg galt das CMF-Schema als Standard bei der adjuvanten Chemotherapie. Das heißt, nach erfolgter Operation erhielten die Patientinnen sechs Zyklen Cyclophosphamid, Methotrexat und 5-Fluorouracil, um eventuelle Mikrometastasen abzutöten und eine vollständige Eradikation zu erzielen. Mit anthrazyklinhaltigen Schemata werden bessere Ergebnisse erzielt, was insbesondere für die Dreierkombination aus Fluorouracil, Epirubicin und Cyclophosphamid (FEC-Schema) gilt.

Wichtig ist die Wahl der optimalen Dosierung, die für Epirubicin mit 30 mg/m²/Woche angegeben wird. Die anthrazyklinhaltige Dreierkombination wird über vier oder sechs Zyklen gegeben. Die Befürchtung, dass Anthrazykline aufgrund ihrer Kardiotoxizität zu Spätschäden führen, erwies sich als unbegründet. Nach fünf bis acht Jahren ist die Rate schwerwiegender kardialer Schäden sehr gering; dasselbe gilt für die Inzidenz hämatologischer Zweitneoplasien.

Rolle der Taxane ist noch unklar

Taxane spielen zur Zeit noch keine herausragende Rolle bei der adjuvanten Chemotherapie. Es hat sich aber gezeigt, dass bestimmte Patientengruppen von einer taxanhaltigen Therapie profitieren. Es sind dies Patientinnen mit ein bis drei befallenen Lymphknoten (unabhängig vom Hormonstatus), bei denen das TAC-Schema (Taxan, Anthrazyklin, Cyclophosphamid) zu signifikant besseren Ergebnissen führt als das FAC-Regime (Fluorouracil, Anthrazyklin, Cyclophosphamid).

Eine Auswertung einer anderen Studie deutet darauf hin, dass eine dosisdichte Therapie (Therapie alle zwei Wochen) zu besseren Ergebnissen führt als die herkömmliche Applikation alle drei Wochen. Zur genaueren Einschätzung der Taxane in der adjuvanten Situation werden zur Zeit einige klinische Studien durchgeführt.

Palliative Situation

Bei einem metastasierenden Mammakarzinom werden andere therapeutische Wege eingeschlagen. Das Ziel ist nicht mehr die Heilung, sondern eine Linderung der tumorbedingten Beschwerden, der Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit und das Ermöglichen einer guten Lebensqualität. Die Behandlungsmaxime lautet " so wenig wie möglich", und bei der Wahl der Therapie sollen die individuellen Erwartungen, Wertvorstellungen und Wünsche der Patientin im Vordergrund stehen.

Ist der Tumor hormonempfindlich, wird eine endokrine Therapie durchgeführt. Frauen nach der Menopause erhalten einen Aromatasehemmer (First-line) bzw. Tamoxifen (Second-line). Tritt die Erkrankung vor der Menopause auf, wird ein GnRH-Analoga mit Tamoxifen (First-line) bzw. mit einem Aromatasehemmer (Second-line) kombiniert. Spricht die Hormontherapie nicht an oder ist der Tumor hormonunempfindlich, wird eine Chemotherapie durchgeführt.

Die Entscheidung, ob eine Mono- oder Polychemotherapie angezeigt ist sowie die Auswahl der geeigneten Zytostatika erfordert onkologisches Fingerspitzengefühl. Meist wird man sich für eine Monotherapie entscheiden, die für die Patientin weniger belastend ist. Die wichtigsten Substanzen hierbei sind Taxane und Anthrazykline. Bei einer Überexpression von HER2 wird zusätzlich Trastuzumab (Herceptin®) gegeben.

Im Dezember 2002 fand in San Antonio (Mexiko) ein internationales Breast Cancer Symposium statt, bei dem neue operative und chemotherapeutische Therapieansätze diskutiert wurden. Neben einer neuen Bewertung von Anthrazyklinen, Tamoxifen und Anastrozol sowie der möglichen Bedeutung von Taxanen ist insbesondere die Rolle der primär systemischen Therapie hervorzuheben, welche die Rate brusterhaltender Operationen erhöht und in günstigen Fällen zu einer pathologischen Komplettremission führen kann.  

Follow-up Daten der ATAC-Studie

In der ATAC (Arimidex, Tamoxifen Alone or in Combination)-Studie wurden Tamoxifen und Anastrozol (Arimidex®) bei der adjuvanten Hormontherapie des Mammakarzinoms miteinander verglichen. An der Studie nahmen mehr als 9000 postmenopausale Brustkrebspatientinnen nach erfolgter Operation und eventueller Chemotherapie teil.

Sie erhielten während fünf Jahren entweder Anastrozol, Tamoxifen oder Anastrozol plus Tamoxifen. Im Bezug auf das krankheitsfreie Überleben war Anastrozol gegenüber Tamoxifen signifikant überlegen; die Kombination beider zeigte keinen Benefit. Das Nebenwirkungsprofil von Anastrozol war insgesamt günstiger als das von Tamoxifen.

Diese Aussagen konnten nach nunmehr 48 Monaten bestätigt werden und lassen folgende Schlussfolgerungen zu:

  • Anastrozol ist effektiver als Tamoxifen
  • Die absoluten Unterschiede werden größer.
  • Die Vorteile in der Verträglichkeit sprechen für Anastrozol.

Taxane

Taxane werden in allen Eibenarten, also auch in der bei uns heimischen Eibe Taxus baccata, in allen Pflanzenteilen mit Ausnahme des reifen Samenmantels gebildet. Therapeutisch genutzt werden Paclitaxel (Taxol®), das in der Rinde der pazifischen Eibe (Taxus brevifolia) vorkommt, und das durch Seitenketten-Modifikation hergestellte Docetaxel (Taxotere®).

Taxane sind Mitosehemmstoffe. Sie führen zur Bildung funktionsuntüchtiger Mikrotubuli und blockieren damit die Zellteilung in der späten G2-Phase, wodurch die Zellen schließlich absterben.

Glossar

Adjuvante Therapie: Anwendung zusätzlicher Therapieverfahren nach der Operation. Ziel ist die Elimination residualer Tumoranteile, maligner Zellen oder Metastasen. Die adjuvante Therapie erfolgt durch Strahlen (lokal wirksam) oder medikamentös (systemisch wirksam).

Neoadjuvante Therapie: Präoperative medikamentöse oder radiologische Maßnahmen vor der eigentlichen Basistherapie (z. B. Chemotherapie vor dem chirurgischen Eingriff)

Primäre systemische Therapie (Induktionstherapie): Vor einer geplanten Operation eingesetzte Chemotherapie zur Größenreduktion des Primärtumors.

Kurative Behandlung: Ziel ist die Heilung des Patienten. Bei einem kurativen Therapieansatz sind intensive Behandlungsverfahren (z. B. Hochdosistherapie) auch bei erhöhter Belastung des Patienten vertretbar. Die Therapie hat in enger Anlehnung an internationale Standards und Richtlinien zu erfolgen.

Palliative Behandlung: Ziele sind Verbesserung der Lebensqualität, Kontrolle von Erkrankungssymptomen und Schmerzen sowie Lebensverlängerung. Bei palliativem Ansatz sind intensive oder belastende Therapieverfahren in der Regel nicht zu rechtfertigen. Die Behandlung berücksichtigt insbesondere die individuelle Situation des Patienten.

Supportive Behandlung: Unterstützende Behandlungsverfahren. Ziel ist eine Verbesserung der Lebensqualität des Patienten.

First-line-Therapie: Erste chemotherapeutische Behandlung im metastasierenden Tumorstadium

Second-line-Therapie: Chemotherapie zur Behandlung eines Tumors, der sich während oder nach der ersten chemotherapeutischen Behandlung (der First-line-Therapie) therapieresistent oder progredient zeigt.

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