Arzneimittel und Therapie

Schizophrenie: Risperidon oder Haloperidol zur Rückfallprophylaxe?

Patienten mit stabiler Schizophrenie oder schizoaffektiver Störung hatten während einer einjährigen oralen Risperidon-Therapie ein weitaus geringeres Rückfallrisiko und schwächere Symptome als unter einer Haloperidol-Therapie.

Eine Schizophrenie hat meist einen chronischen Verlauf mit häufigen Rückfällen. Die Mehrheit der Patienten mit einer Schizophrenie oder schizoaffektiven Störung bekommt daher über das Abklingen der akuten Symptomatik hinaus Neuroleptika – als so genannte Erhaltungstherapie. Bislang enttäuschten die Langzeitresultate allerdings.

Konventionelle und atypische Neuroleptika im Vergleich

Konventionelle Neuroleptika, wie Chlorpromazin (Propaphenin®) oder Haloperidol (z. B. Haldol®-Janssen), binden überwiegend an Dopamin-Rezeptoren im Zentralnervensystem. Atypische Neuroleptika, wie Clozapin (z. B. Leponex®), Risperidon (Risperdal®), Olanzapin (Zyprexa®) und Quetiapin (in den USA: Seroquel®), greifen dagegen sowohl an Dopamin- als auch an Serotonin-Rezeptoren an.

Die atypischen Neuroleptika unterscheiden sich untereinander in ihrem Rezeptorbindungsprofil und ihren klinischen Wirkungen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie viel seltener als konventionelle Neuroleptika extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen haben.

Verschiedene atypische Neuroleptika waren im Hinblick auf die Negativsymptome der Schizophrenie (hierzu gehören Beeinträchtigungen des Denkens, der Gemütslage, des Antriebs und Willens sowie der Kommunikations- und Kontaktfähigkeit) in einigen Kurzzeitstudien wirksamer als Haloperidol. Bei den Positivsymptomen, wie Halluzinationen und Wahnvorstellungen, erwies sich Risperidon gegenüber Haloperidol als überlegen.

Erhaltungstherapie in flexibler Dosierung

In der Risperidon-USA-79-Studie wurde die Rückfallrate unter dem atypischen Neuroleptikum Risperidon und dem konventionellen Neuroleptikum Haloperidol verglichen. Teilnehmer waren erwachsene ambulante Patienten mit klinisch stabiler Schizophrenie oder schizoaffektiver Störung. Die Patienten sollten mindestens ein Jahr lang eine flexible Dosis Risperidon oder Haloperidol einmal täglich oral einnehmen.

Als Rezidiv galt:

  • Stationäre Aufnahme in eine psychiatrische Klinik
  • Zunahme des psychiatrischen Behandlungsgrads (z. B. von ambulanter Behandlung zur Behandlung in einer Tagesklinik)
  • Zunahme des Gesamtpunktwerts auf der Positiv-und-negativ-Syndrom-Skala um mindestens 25% (oder bei einem Ausgangspunktwert von höchstens 40 um mindestens 10 Punkte)
  • Absichtliche Selbstverletzung
  • Selbstmord- oder Mordabsichten, die dem Arzt klinisch signifikant erschienen
  • Gewalttätiges Verhalten, das zu Verletzungen anderer oder zu Sachbeschädigungen führte
  • 6 oder 7 Punkte auf der Clinical Global Impressions Scale (wesentliche klinische Verschlechterung)

Die randomisierte Doppelblindstudie wurde von der Janssen Research Foundation finanziert. Teilnehmer waren 397 Patienten an 40 US-amerikanischen Zentren. Alle 30 Patienten eines Zentrums wurden von der Analyse ausgeschlossen, weil sich der Studienleiter nicht an die Anweisungen der FDA gehalten hatte.

Zwei weitere Patienten hatten kein Studienmedikament erhalten und wurden deshalb ebenfalls nicht in der Auswertung berücksichtigt. Die Daten von 365 Patienten – 177 mit Risperidon und 188 mit Haloperidol – wurden ausgewertet.

Vier von fünf Patienten hatten Schizophrenie

Zu Beginn waren die Behandlungsgruppen vergleichbar. Die Patienten waren im Mittel etwa 40 Jahre alt. Rund 70% waren Männer. Mehr als 80% litten an einer Schizophrenie, die übrigen an einer schizoaffektiven Störung. Der Erkrankungsbeginn lag durchschnittlich über 15 Jahre zurück.

Im Mittel dauerte die Risperidon-Behandlung 364 Tage und die Haloperidol-Behandlung 238 Tage. Der Mittelwert der häufigsten Risperidon-Tagesdosen betrug 4,9 mg, der Mittelwert der häufigsten Haloperidol-Tagesdosen 11,7 mg. Die Compliance war mit 97% in der Risperidon-Gruppe und 96% in der Haloperidol-Gruppe hoch.

Geringeres Rückfallrisiko unter Risperidon

Am Ende der Studie hatten 45 Risperidon-Patienten (25%) und 75 Haloperidol-Patienten (40%) einen Rückfall erlitten. Das Rückfallrisiko lag nach Kaplan-Meier-Schätzung in der Risperidon-Gruppe bei 34% und in der Haloperidol-Gruppe bei 60%. Das relative Risiko für einen Rückfall betrug unter Haloperidol im Vergleich zu Risperidon 1,93.

Die Rückfallrate unterschied sich bei Schizophreniepatienten und bei Patienten mit schizoaffektiver Störung gleichermaßen zwischen den Behandlungsgruppen. Sie war auch unabhängig davon, ob die Patienten mit demselben oder einem anderen Neuroleptikum vorbehandelt waren.

Die Analyse der Zeitspanne bis zum Rückfall zeigte bereits sehr früh eine Überlegenheit des Risperidons, die sich während der Studie weiter ausprägte.

Insgesamt brachen mehr Haloperidol-Patienten die Therapie vorzeitig ab als Risperidon-Patienten (relatives Risiko 1,52). Dies hing mit der höheren Rückfallrate zusammen. Aus anderen Gründen als einem Rückfall beendeten 44% der Risperidon-Patienten und 53% der Haloperidol-Patienten die Behandlung vorzeitig (z. B. Entscheidung des Patienten, Nebenwirkungen, schlechte Compliance). Hier bestanden keine signifikanten Unterschiede.

Symptomverbesserungen

In der Risperidon-Gruppe besserten sich Erkrankungssymptome gegenüber dem Ausgangszustand: Sowohl der Gesamtpunktwert auf der Positiv-und-negativ-Syndrom-Skala als auch der Punktwert für vier von fünf Unterkategorien (Positivsymptome, Negativsymptome, Verwirrtheit und Angst/Depression) sanken signifikant. In der Haloperidol-Gruppe wurden keine Symptomverbesserungen beobachtet.

Der Schweregrad extrapyramidal-motorischer Symptome nahm in der Risperidon-Gruppe ab und in der Haloperidol-Gruppe zu. Ein Patient mit Risperidon und fünf mit Haloperidol entwickelten eine Spätdyskinesie.

Nebenwirkungspotenzial beider Neuroleptika beträchtlich

90% der Risperidon-Patienten und 91% der Haloperidol-Patienten litten an Nebenwirkungen. Besonders häufig traten Somnolenz (anomale Schläfrigkeit; 14% vs. 25%), Erregung (10% vs. 18%) und Hyperkinese (Bewegungsunruhe; 5% vs. 20%) auf. Patienten, die Risperidon einnahmen, legten durchschnittlich 2,3 kg an Körpergewicht zu. Patienten, die Haloperidol bekamen, nahmen durchschnittlich 0,7 kg ab.

Demnach haben erwachsene ambulante Patienten mit klinisch stabiler Schizophrenie oder schizoaffektiver Störung unter dem atyischen Neuroleptikum Risperidon ein niedrigeres Rückfallrisiko als unter dem konventionellen Neuroleptikum Haloperidol. Die Verringerung des Rückfallrisikos könnte sowohl auf einer überlegenen Wirksamkeit als auch auf einer besseren Verträglichkeit beruhen.

Die Ergebnisse beziehen sich nur auf Patienten mit klinisch stabiler Erkrankung, die ihr Neuroleptikum oral erhalten. Sie gelten nur für den Vergleich zwischen Risperidon und Haloperidol und sind wohl nicht auf andere atypische Neuroleptika übertragbar. Kritisch anzumerken ist an dieser Studie die sehr hohe Therapieabbruchrate.

Dosierung der Studienmedikation In der ersten Behandlungswoche wurden bisherige Neuroleptika allmählich abgesetzt. Die Risperidon-Dosis wurde in den ersten drei Tagen von 1 mg auf 4 mg, die Haloperidol-Dosis von 2 mg auf 10 mg erhöht. Ab der zweiten Behandlungswoche wurden die Dosierungen im Sinne eines maximalen klinischen Nutzens und minimaler Nebenwirkungen individuell angepasst. Der Dosierungsbereich lag für Risperidon zwischen 2 mg und 8 mg, für Haloperidol zwischen 5 mg und 20 mg täglich. Niedrigere Tagesdosierungen waren in seltenen Fällen möglich. Weitere Neuroleptika durften nicht eingenommen werden.

Schizophrenie Eine Gruppe psychischer Erkrankungen, denen eine vielschichtige Persönlichkeitsstörung mit charakteristischen Veränderungen des Denkens, Fühlens und der Beziehung zur Umwelt zugrunde liegt. Zwischen 0,4% und 1,4% aller Menschen erkranken daran.

Eine Schizophrenie beginnt meist in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter. Nach der ersten Erkrankungsepisode geht sie bei weniger als 20% der Patienten vollständig zurück. Zur Rückfallprophylaxe werden sowohl Arzneimittel als auch psychosoziale Interventionen, wie Familien- oder kognitive Therapie, eingesetzt.

Schizoaffektive Störungen Episodische Störungen, bei denen sowohl schizophrene als auch affektive (depressive und manische) Symptome auftreten.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.