Arzneimittel und Therapie

Osteoporose: Teriparatid restrukturiert Knochensubstanz

Mit dem Wirkstoff Teriparatid (Forsteo®) steht bis Ende des Jahres ein neues therapeutisches Prinzip zur Verfügung, das sich vor allem bei schwerer Osteoporose als wirksam erwiesen hat. Das biotechnologisch hergestellte Parathormon-Fragment (PTH 1-34) Teriparatid wurde in Deutschland zur Behandlung der manifesten Osteoporose bei postmenopausalen Frauen zugelassen. Durch Osteoblastenstimulation bildet sich neue Knochensubstanz, verloren gegangene Mikrostrukturen werden rekonstruiert. Die tägliche Autoinjektion mit Hilfe eines leicht zu bedienenden Pen bietet Patientinnen mit schwerer Osteoporose einen besseren Schutz vor Frakturen.

Niedrige Knochendichte ist noch keine Osteoporose

Frauen sind einerseits durch ihr zierlicheres Knochengerüst, andererseits durch die niedrigere osteoanabole Potenz des Estrogens gegenüber dem Testosteron stärker von Osteoporose betroffen. Lässt die schützende Wirkung der Estrogene im Verlauf der Wechseljahre nach, steigt das Risiko exponentiell.

Manifest wird die Erkrankung häufig erst im höheren Lebensalter, wenn bereits geringe mechanische Kräfte zu Knochenbrüchen führen. Da sich die Problematik durch die demographische Entwicklung in Zukunft verschärfen wird, wäre es wünschenswert, das individuelle Osteoporoserisiko frühzeitig zu ermitteln und durch eine effektive Sekundärprävention Frakturen zu vermeiden.

Ein solches Screening gestaltet sich jedoch schwierig, da die Knochendichte nicht zwingend mit dem Risiko für eine manifeste Osteoporose korreliert. Als Surrogatparameter ist sie nur ein Prädiktor für spätere Frakturen; weitere Faktoren spielen eine Rolle.

Parathormon "klaut" nicht nur Knochen

Das in der Nebenschilddrüse gebildete Parathormon (PTH), ein aus 84 Aminosäuren bestehendes Peptidhormon, reguliert Knochenresorption und Calciumspiegel. Mit seinem N-terminalen Ende bindet PTH an spezifische Rezeptoren. Da für die Entfaltung der biologischen Aktivität die C-terminalen 34 Aminosäuren ausreichend sind, wird das gentechnologisch hergestellte PTH-Fragment 1-34 eingesetzt.

Unter physiologischen Bedingungen dient PTH vor allem der Calcium-Homöostase im Blut. Die PTH-Sekretion wird direkt durch die Calciumkonzentration gesteuert. Ein Abfall des Serumspiegels bewirkt einen rasch einsetzenden exponentiellen Anstieg der Konzentration von PTH im Blut.

In der Niere wird die Calciumrückresorption aus dem Primärurin gesteigert. Außerdem wird durch PTH die Bildung von Calcitriol stimuliert und die Aufnahme von Calcium aus dem Darm gesteigert. Um den Calciumspiegel im Blut wieder anzuheben, kommt es im zu einer erhöhten Knochenresorption.

Am Skelett entfaltet das Parathormon jedoch nicht nur eine den Knochen abbauende (katabole) sondern auch eine den Knochen aufbauende (anabole) Wirkung.

Vermittelt über den RANK (Receptor for activation of nuclear factor kappa B)-Liganden reguliert PTH die Osteoklasten-Aktivität. Einerseits stimuliert PTH die Bildung von Interleukin-6 und hemmt die Bildung von Osteoprotegerin, wodurch es zu einer Aktivierung und Vermehrung der Osteoklasten und damit zu gesteigertem Knochenabbau kommt.

Auf der anderen Seite stimuliert PTH die Proliferation und Differenzierung von Osteoblasten sowie die Sekretion von osteoanabolen insulinähnlichen Wachstumsfaktoren wie IGF-I. Darüber hinaus wird unter dem Einfluss von Parathormon die Apoptose von Osteoblasten verhindert. Durch diese Effekte wird der Knochenstoffwechsel in Richtung Knochenaufbau gelenkt, zusätzlich unterstützt durch die Stimulation der Kollagenbildung.

"Puls-Therapie" stimuliert anabole Prozesse

Wie auch bei anderen endokrinen Systemen, spielt bei der hormonellen Wirkung von Parathormon die zeitliche Dimension der Anwesenheit des Hormons am Rezeptor eine entscheidende Rolle. Katabole Abbauprozesse werden nur bei kontinuierlicher PTH-Einwirkung ausgelöst.

Nach einer subkutanen Einzelinjektion kommt es dagegen zu einem raschen peakförmigen Anstieg der PTH-Konzentration in der Zirkulation, der nur über ca. 30 Minuten anhält. In verschiedenen Tiermodellen wurde gezeigt, dass eine solche "Puls-Therapie" mit einmal täglicher subkutaner Injektion zu einer Zunahme des trabekulären Knochenvolumens und zu einer Erhöhung des Mineralgehaltes führt.

Während also die tägliche subkutane Injektion von Parathormon zu einer sehr rasch einsetzenden Zunahme der Osteoblasten-Anzahl und -Aktivität führt, aktiviert die kontinuierliche Infusion von PTH vorzugsweise die Osteoklasten-Tätigkeit.

Teriparatid wirkt osteoanabol

Alle bisher verfügbaren Osteoporose-Medikamente mit ausreichend belegter Frakturwirksamkeit wirken antiresorptiv. Hierzu zählen die Bisphonate Etidronat, Alendronat und Risedronat sowie der selektive Estrogen-Rezeptor-Modulator Raloxifen. Die durch Antiresorptiva erreichbare Zunahme der Knochenmineraldichte besteht vor allem in einer Auffüllung vorhandener Lücken mit Knochensubstanz sowie in einer sekundären Mineralisierung des noch vorhandenen Knochens

Mit Teriparatid besteht nun die Möglichkeit einer osteoanabolen Therapie, durch die sich neues Knochengewebe bilden und die Mikroarchitektur des Knochens wiederhergestellt werden kann. In der Zulassungsstudie, einer prospektiven, plazebokontrollierten Doppelblindstudie an 1637 postmenopausalen Frauen mit einer bereits fortgeschrittenen manifesten Osteoporose, wurde die Wirksamkeit von Teriparatid überprüft. Sie erhielten täglich 20 µg bzw. 40 µg Teriparatid oder Plazebo und zusätzlich eine Basistherapie mit Calcium und Vitamin D.

Unter der Behandlung nahm die Knochenmineraldichte im Bereich der Lendenwirbelsäule bei täglicher Gabe von 20 µg Teriparatid über durchschnittlich 20 Monate um 9,7% zu. Gleichzeitig wurden gegenüber der mit Calcium und Vitamin D behandelten Vergleichsgruppe eine Senkungen der osteoporosebedingten Frakturraten um 68% für Wirbelfrakturen und 53% für extravertebrale Frakturen beobachtet.

Vorliegende Nachuntersuchungen der Patientinnen aus dieser Studie weisen inzwischen auf eine anhaltende Absenkung der Neufrakturrate auch nach Beendigung der Therapie mit Teriparatid hin, und zwar sowohl mit als auch ohne Weiterbehandlung mit einem antiresorptiv wirkendem Medikament. So war 50 Monate nach Beginn der über 18 Monate durchgeführten Behandlung mit Teriparatid die Inzidenz für das Auftreten nichtvertebraler osteoporotischer Frakturen weiterhin signifikant erniedrigt.

Wiederhergestellte Knochenarchitektur

Die Verbesserung der Knochenmikroarchitektur durch Teriparatid konnte anhand von Mikro-CT-Aufnahmen nachgewiesen werden. Die dreidimensionale Ausmessung trabekulärer und kortikaler Parameter zeigte, dass das trabekuläre Volumen unter der Therapie im Vergleich zu Plazebo um 60% zunahm. Die trabekuläre Vernetzung nahm um 40% zu, während in der Plazebo-Gruppe eine Abnahme der Vernetzung um 5% registriert wurde.

Weitere Untersuchungen zeigten mittels Infrarotspektralanalyse, dass die unter Teriparatid neu gebildete Knochensubstanz in ihrer Zusammensetzung, dem Verhältnis von Kollagen- zu Mineralsubstanz, normal aufgebaut ist.

Verträglichkeit und Kontraindikationen

Teriparatid ist gut verträglich. Nebenwirkungen sind Dosis-korreliert, selten und in der Regel von geringem Schweregrad. Unerwünschte Wirkungen, die unter 20 µg Teriparatid signifikant häufiger als unter Plazebo auftraten, waren Wadenkrämpfe (3% versus 1% unter Plazebo) und Schwindel (9% versus 6%).

In einer Langzeitstudie an Ratten wurde das Risiko für die Entwicklung von Knochentumoren untersucht. Diese Ergebnisse ließen den Schluss zu, dass für den humanen Einsatz mit größter Wahrscheinlichkeit für die auf 18 Monate begrenzte und die niedriger dosierte humane Teriparatid-Therapie kein Risiko besteht.

Kontraindiziert ist die Anwendung bei vorbestehender Hypercalcämie, schwerer Niereninsuffizienz, bestimmten metabolischen Knochenkrankheiten wie Hyperparathyreiodismus oder Morbus Paget, ungeklärter Erhöhung des Osteoklastenmarkers alkalische Phosphatase und nach vorausgegangener Strahlentherapie des Skeletts.

Auto-Injektor und Patienten-Starter-Kit

In den USA ist Teriparatid unter dem Namen Forteo® bereits seit Dezember 2002 erhältlich und kann sowohl bei Osteoporose der Frau als auch des Mannes eingesetzt werden. In Deutschland wurde Teriparatid (Forsteo®) nur zur Behandlung der manifesten Osteoporose bei postmenopausalen Frauen zugelassen, da sich der Großteil des bisherigen Erkenntnismaterials auf diese größte Patientengruppe bezieht.

Die maximale Therapie-Dauer sollte gemäß der vorliegenden Erfahrung aus klinischen Studien 18 Monate nicht überschreiten. Auf eine ausreichende Versorgung mit Calcium und Vitamin D ist zu achten. Die empfohlene Dosis liegt bei 20 µg pro Tag, die durch eine einmal tägliche subkutane Injektion in den Oberschenkel oder Bauchraum verabreicht wird. Teriparatid muss kühl gelagert werden.

Die Applikation erfolgt mit Hilfe eines Auto-Injektors, der baugleich mit einem Humalog-Insulin-Pen ist. Der Einweg-Pen enthält die Dosen für 28 Behandlungstage und lässt sich nach einer kurzen Schulung leicht handhaben. Da es sich bei den Teriparatid-Anwenderinnen im Durchschnitt um betagtere Patientinnen als in der Insulin-Therapie handelt, wurde ein umfangreiches Starter-Set zusammengestellt, das die Anwendungssicherheit zusätzlich erhöhen soll.

Quellen

Prof. Dr. Dieter Felsenberg, Freie Universität & Humboldt Universität Berlin; Priv.-Doz. Dr. Stephan H. Scharla, Bad Reichenhall; Prof. Dr. Johann D. Ringe, Leverkusen: Pressekonferenz "Forsteo® – osteoanabol gegen schwere Osteoporose", Berlin, 12. September 2003, veranstaltet von der Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg. Arzneiverordnungen in der Praxis. Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft: Osteoporose. In AVP-Sonderheft, Februar 2003. Bell N. H.: Advances in the Treatment of Osteoporosis. www.bentham.org/ cdtiemd1-1/bell/bellms.htm

Frakturen mit schweren Folgen In Deutschland leben jede dritte Frau und jeder sechste Mann über 50 Jahren mit dem Risiko, einmal im Leben einen Osteoporosebruch zu erleiden. Die Zahl der Schenkelhalsfrakturen jenseits des 75. Lebensjahres wird auf 100000 pro Jahr geschätzt. Ein Jahr nach einer osteoporosebedingten Fraktur verbleiben 18% aller Patientinnen in der Pflegebedürftigkeit.

Hier schlagen vor allem Schenkelhalsfrakturen zu Buche, die außerdem zu einem zehnfach erhöhten Todesrisiko in den ersten sechs Monaten führen. Während Frakturen im peripheren Skelettsystem komplett ausheilen können, verbleiben in der Wirbelsäule immer Residuen. Die Folgen für die Betroffenen sind starke Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und ein Risiko von 20% für einen erneuten Osteoporosebruch innerhalb eines Jahres.

Die direkten und indirekten Kosten der Osteoporose in Deutschland beziffern sich auf schätzungsweise drei Milliarden Euro jährlich. Hauptkostenfaktoren sind Krankenhausbehandlung und spätere Pflegebedürftigkeit. Trotz Einführung mehrerer innovativer Wirkstoffe fallen die Aufwendungen für die Arzneitherapie dagegen mit ca. 143 Millionen Euro vergleichsweise niedrig aus.

Methode der Knochendichtebestimmung Die Osteodensitometrie durch Dual X-Ray Absorptiometry-Bestimmung (DXA) ist die am besten evaluierte Methode der Knochendichtebestimmung und wird in der Regel im Bereich des Schenkelhalses und des zweiten bis vierten Wirbelkörpers durchgeführt. Erstattungsfähig ist die radiologische Knochendichtemessung erst nach einem Frakturereignis.

Verfahren der Osteodensitometrie mittels Ultraschall zeigen eine schlechtere Korrelation zwischen Messwert und theoretischem Frakturrisiko und sind generell nicht erstattungsfähig.

Der Wert für die Knochendichte wird in Standardabweichungen angegeben. Von einer Osteoporose spricht man, wenn die Knochendichte unterhalb von 2,5 Standardabweichungen unter dem Mittelwert der Knochendichte junger Erwachsener liegt.

1 Kommentar

wenn man einen wirbelkörperbruch, L3, nicht beachtet, bekommt man dann verfälschte werte bei der knochendichtemessung

von richter-niemann am 04.11.2019 um 11:43 Uhr

was soll man glauben? Je nach Messung 0steoporose oder Osteopenie und damit die Therapieoption

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