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DAZ aktuell
Arzneimittelfälschungen: Bessere Kontrolle der Vertriebswege gefordert
In Deutschland gab es bisher bei Arzneimitteln in der legalen Verteilerkette noch keine Qualitätsmängel. Durch die immer schwerer kontrollierbare Herkunft der Ausgangsstoffe, verschlungene Handelswege und immer mehr kriminelle Fälschungen steigen jedoch auch bei uns die Gefahren von Arzneimitteln schlechter Qualität, welche die Gesundheit gefährden können.
Ausgangsstoffe unterschiedlicher Qualität
Ein Problem des internationalen Handels ist die Qualität der Ausgangsstoffe. Globalisierung und zunehmender Kostendruck zwingen die Arzneimittelhersteller zum Einkauf möglichst billiger Grundstoffe. Aus schlechten Ausgangsstoffen hergestellte Arzneimittel können aber mehr als die im Arzneibuch zugelassene Menge an bekannten Verunreinigungen oder auch andere, bisher unkbekannte Verunreinigungen enthalten.
Ein Beispiel für schwerwiegende Konsequenzen scheinbar geringfügiger Verunreinigungen ist die Tryptophan-Affäre aus dem Jahr 1990. Hier entstanden durch die Änderung des Produktionsprozesses zusätzliche Verunreinigungen, die in den USA 1500 Erkrankte und etwa 30 Todesfälle zur Folge hatten (s. a. DAZ 26/03, S. 57 – 64).
Theoretisch kann sich ein solcher Fall immer wieder ereignen, da die damals aufgetretenen Verunreinigungen mengenmäßig sehr gering waren und im Voraus nur schwer kontrolliert werden kann, ob derartige Veränderungen gefährlich sind oder nicht. Um diese Gefahr zu verringern, sollten alle älteren Monographien bekannter Arzneistoffe entsprechend überarbeitet werden. Bisher nicht bekannte Verunreinigungen dürfen nicht vorkommen oder müssen identifiziert und qualifiziert werden.
Ein weiteres Beispiel ist das Antibiotikum Gentamicin. Gentamicin ist ein Gemisch von verschiedenen Substanzen, die aus Micromonospora purpurea gewonnen werden. Der Grundstoff stammt, wie 80% aller Antibiotika, aus dem asiatischen Raum. Die Substanzen, die in den Handel gelangen, können von verschiedenen Herstellern stammen.
Das Verarbeiten derartiger Gemische ist aufgrund der Zulassung zwar nicht erlaubt, kann aber nur durch regelmäßige strenge Qualitätskontrollen verhindert werden.
Gefälscht wird alles
Fehlende oder zu geringe Arzneimittelkontrollen eröffnen kriminellen Fälschern zahlreiche Möglichkeiten. Gefälscht wird alles: Wirkstoffe, Dosierungen, Beipackzettel, Verpackungen, Herstellernamen, Chargennummern, Verfalldaten und Dokumente über angebliche Qualitätskontrollen.
Dabei lassen sich unterschiedliche Arten von Fälschungen unterscheiden:
- Die Imitation eines Präparates mit denselben Wirkstoffen und identischer Verpackung. In Deutschland ist bisher meist Originalware in gefälschter Verpackung aufgetreten, zum Beispiel illegale Reimporte. Dabei gelangen Arzneimittel, die in landessprachlichen Packungen oder in deutschsprachiger Aufmachung mit entsprechendem Aufdruck exportiert werden, in gefälschter deutscher Verpackung wieder zurück. In der Regel werden sie mit einem gefälschten Beipackzettel versehen. Hier ist das gesundheitliche Risiko eher gering.
- Eine weitere Möglichkeit der Fälscher ist das Verpacken von illegal erworbener Ware in gefälschte Verpackungen oder gar das Verpacken von illegal erworbenen Kapseln oder Tabletten in gefälschte Blister und Umkartons. Hierbei werden nicht immer die Hygienestandards der Originalhersteller eingehalten.
- Total gefälschte Arzneimittel können weniger oder qualitativ schlechteren Wirkstoff enthalten. Der enthaltene Wirkstoff stammt nicht vom Hersteller des Originalproduktes, befindet sich aber in der gefälschten Verpackung dieses Produktes. Hier kann es zu gravierenden Qualitätsmängeln mit gesundheitlichen Konsequenzen kommen.
- Fälschungen, die keinen Wirkstoff enthalten wurden bisher nur auf dem Schwarzmarkt beobachtet, zum Beispiel Anabolika oder Viagra ohne Wirkstoff. Solche Fälschungen sind in Deutschland bisher noch selten.
- Fälschungen, die gesundheitsschädliche oder giftige Stoffe enthalten.
Schutz vor Fälschungen
In Deutschland gibt es seit langem ein umfassendes Qualitätssicherungssystem. Die gemeinsamen Anstrengungen von Behörden und Arzneimittelherstellern haben bisher dazu beigetragen, dass Arzneimittelfälschungen noch kein gravierendes Problem geworden sind.
Die Hersteller müssen sich jetzt jedoch mit verschiedenen Methoden vor den immer raffinierteren Fälschungen schützen. Dazu gehören für Arzneimittel und deren Verpackung eine Vielzahl von sichtbaren und verdeckten Markern, mit denen sich nachweisen lässt, ob es sich bei einem Arzneimittel um ein Original oder eine Fälschung handelt.
Vor Fälschungen schützen können außerdem effiziente Kontrollen der Vertriebswege, vor allem des Zwischenhandels, ein Informationsnetz und die engen Zusammenarbeit von Herstellern, pharmazeutischem Großhandel, Apotheken und Behörden.
Vor diesem Hintergrund muss auch der Internethandel mit Arzneimitteln kontrolliert und lizensiert werden. Auch muss durch entsprechende Regelungen die Basis für einen nachvollziehbaren Arzneimittelverkehr und für eine effektive Verfolgung von Fälschungen geschaffen werden. Dazu gehören auch härtere Strafen für kriminelle Fälscher.
Nach neuesten Schätzungen sind rund sieben Prozent der weltweit vertriebenen Arzneimittel Fälschungen. Bisher war dies vor allem ein Problem in Ländern der Dritten Welt. Heute gelangen solche Mittel über das Internet aber auch zum europäischen Verbraucher. Eine weitere Gefahr für die Gesundheit sind Arzneimittel geringer Qualität. Experten diskutierten darüber auf einem Forum des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL).
- Arzneimittel (Originalware) mit gefälschter Packungsbeilage und/oder gefälschter Umverpackung
- Illegal erworbene Arzneimittel (Originalware) in gefälschten Primärverpackungen (z. B. Blister) und Umverpackungen sowie mit gefälschter Packungsbeilage
- Totalfälschungen, die nur Teilmengen des Wirkstoffs oder einen anderen als den angegebenen Wirkstoff oder gar keinen Wirkstoff enthalten, und bei dem alle Packmittel gefälscht sind
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