Kommentar

Listenmedizin

Zack, ein klarer Schnitt sollte es sein. Die eiserne Gesundheitsministerin wollte klare Regeln: Keine OTC-Arzneimittel mehr auf Rezept zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung. Ganz einfach. Ob medizinisch sinnvoll oder nicht - das war der Politik egal. Ein Aufschrei ging durch die Fachwelt: Wie kann es möglich sein, die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels zulasten der GKV danach zu beurteilen, ob es verschreibungspflichtig ist oder nicht? Viele synthetische Arzneistoffe, die heute ohne Rezept verkauft werden dürfen, waren bei ihrer Markteinführung verschreibungspflichtig. So bestimmt es das Arzneimittelgesetz. Da sie sich im Laufe der Zeit bewährt haben, keine oder nur geringe Nebenwirkungen zeigten, wurden sie aus der Verschreibungspflicht entlassen - die Folge: sie dürfen heute nicht auf Rezept verordnet werden. Quasi willkürlich teilt das Reformgesetz den Markt ein in verschreibungspflichtig und verordnungsfähig bzw. nicht-verschreibungspflichtig und nicht-verordnungsfähig. So einfach ist das. Das nahm die Öffentlichkeit nicht ohne weiteres hin. Die Ministerin geriet unter Druck, sie beauftragte den Gemeinsamen Bundesausschuss, eine Ausnahmeliste aufzustellen mit OTC-Arzneimitteln, die bei bestimmten Indikationen dennoch verordnet werden dürfen.

Diese Liste liegt nun vor. Es sind Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, z. B. ASS als Aggregationshemmer bei Herzinfarkt oder Chinin zur Malaria-Behandlung. Selbst vier Phytos wurden aufgenommen, z. B. Johanniskraut zur Behandlung mittelschwerer Depressionen. Mit einer "Generalklausel" kamen sogar Arzneimittel der Homöopathie und Anthroposophie in die Liste, wenn sie bei bestimmten Indikationsgebieten zum Therapiestandard gehören. Rational ist das kaum erklärbar, allenfalls politisch: Druck von "Grün" und Zugeständnisse an bestimmte Gruppen.

Ob so eine Generalklausel hält? In aller Regel werden Homöopathika und Anthroposophika bei schweren Erkrankungen allenfalls als adjuvante Therapie eingesetzt. Wie lässt es sich rechtfertigen, dass z. B. ein Homöopathikum erstattet wird, ein Phytotherapeutikum mit ähnlichem Indikationsanspruch selbst bezahlt werden muss? Listenmedizin fragt nicht nach dem Sinn.

Peter Ditzel

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