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- AZ 32/2004
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GKV:Verfassungsbeschwerde gegen OTC-Hinauswurf
Darüber hinaus greife das Gesetz in verfassungswidriger Weise in die grundrechtlich verbürgte ärztliche Berufsfreiheit ein, so die Mediziner aus dem Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin (ZÄN), der nach eigenen Angaben rund 10 000 Ärzte vertritt. Sie sehen sich durch das GMG besonders betroffen, da die Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen fast ausnahmslos rezeptfrei sind, so ZÄN-Vizepräsident Adler. Der Leistungsausschluss führe dazu, dass Patienten nicht mehr nach dem Sachleistungsprinzip adäquat versorgt werden könnten. Die Therapievielfalt sei nicht mehr gegeben, individuelle Behandlung kaum mehr möglich. Das Wissen um vermehrte unerwünschte Wirkungen (UAW) beim Ausweichen auf chemisch definierte Arzneimittel führt zu Gewissenskonflikten, sagte Adler. Er nannte als Beispiel Teufelskralle-Präparate, die dem gegen Arthrose eingesetzt Diclofenac ebenbürtig seien, aber geringere UAW aufwiesen. Daneben erwähnte er den Rückgang beiden Antivertiginosa von mehr als 14 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2003. Das sei problematisch, da bis zu 25 Prozent der über 65-jährigen Menschen unter Schwindel litten. Zwar gebe es verschreibungspflichtige Medikamente gegen Schwindel, die jedoch häufig wegen unerwünschter Wirkungen nicht eingesetzt werden dürften. Der ZÄN-Vizepräsident kritisierte zudem die zu enge Ausnahmeliste durch den Bundesausschuss, dieser habe Material des ZÄN nicht berücksichtigt.
Rechtliche Argumente gegen OTC-Hinauswurf
Von einer groben Diskriminierung sprach Rechtsanwalt Ulf Doepner. Während die Schulmediziner über die gesamte Palette rezeptpflichtiger Arzneimittel verfügen könnten, stehe den naturheilkundlichen Ärzten nur ein Minimalpensum an erstattungsfähigen Medikamenten zur Verfügung. Dies verletze den Gleichheitsgrundsatz nach dem Grundgesetz, der es dem Gesetzgeber verbiete, Regelungen zu erlassen, die eine Gruppe im Vergleich zu anderen stärker belaste. Aus diesem Grund und wegen der Verletzung der ärztlichen Berufsfreiheit (Art. 12 Grundgesetz) räumt Doepner der Beschwerde insgesamt gute Chancen auf Erfolg ein.
Entscheidung in ein bis zwei Jahren
Wie er ausführte, ist der Wegfall der Erstattung von OTC-Präparaten sachwidrig, da gesetzlich Krankenversicherte einen Anspruch auf die Versorgung mit Arzneimitteln nach dem Sachleistungsprinzip hätten. Kriterien dafür seien Wirksamkeit, Arzneimittelsicherheit und Wirtschaftlichkeit eines Präparats. Im Gegensatz dazu handele es sich bei der Verschreibungspflicht um die Festlegung eines Vertriebswegs, da es den Arzt als Verordner vorsehe. Die Rezeptpflicht eines Präparates habe nichts mit den Kriterien für die Erstattung durch Kassen zu tun. Dagegen erkennen sowohl Arzneimittelgesetz als auch Sozialgesetzbuch V das Nebeneinander unterschiedlicher Therapierichtungen an, was sich aus dem durch das Grundgesetz geschützten Wissenschaftspluralismus ergebe. Der Rechtsanwalt kritisierte, dass als Begründung für die Ausgrenzung lediglich die angestrebte eine Milliarde Euro Einsparungen angegeben werde. Die finanzielle Stabilität der Krankenversicherung habe aber keinen Verfassungsrang - anders als Berufsfreiheit und Gleicheitsgrundsatz. Seinen Worten zufolge ist mit einer Entscheidung der Richter frühestens in ein bis zwei Jahren zu rechnen.
Weitere Klage
Wenige Tage zuvor hatten am 22. Juli bereits Mitglieder des deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte Verfassungsbeschwerde gegen den Hinauswurf homöopathischer Mittel aus der Kassenerstattung vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt und das mit der Verletzung der Therapiefreiheit begründet.
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