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Bundestag: Ministerin gibt Detailprobleme zu
Ministerin Schmidt warnte davor, Krankheitsschicksale schamlos auszunützen und forderte stattdessen Redlichkeit in der Debatte. Die Selbstverwaltung, konkret der Bundesausschuss (in dem seit Jahresbeginn neben Ärzten und Kassen zusätzlich Patientenvertreter sitzen), werde die Detailprobleme lösen. Schmidt wies den Vorwurf der Untätigkeit zurück, bereits im Oktober 2003 habe sie die zuständigen Personen auf die Umsetzung ihrer Reform hingewiesen. Die Ministerin spielte den Ball an die Ärzte zurück, deren Funktionäre hätten vieles verzögert.
Ähnlich äußerte sich die grüne Gesundheitsexpertin Birgit Bender, für die Definition, wer chronisch krank sei, sei die Selbstverwaltung zuständig, nicht die Politik. Ärzte und Kassen hätten bei der Umsetzung die Politik hängen lassen, weil sie es nicht geschafft hätten, rechtzeitig zum Inkrafttreten des Gesetzes die Details zu lösen, obwohl das Gesetz bereits im Oktober vom Bundesrat angenommen worden war, meinte Bender übereinstimmend mit anderen Abgeordneten von SPD und Grünen. Da der alte Bundesausschuss Ende 2003 zu enge Vorschriften für die Chroniker erlassen wollte, die "auf Zuzahlungsmaximierung" hinausgelaufen wären, so Bender, sei das Veto der Ministerin richtig gewesen.
Ministerin Schmidt forderte die FDP auf, die Selbstverwaltung von Ärzten und Kassen daran zu erinnern, dass zur "Freiheit Verantwortung gehört". Wer gegen "Staatsmedizin" sei und Aufgaben an die Selbstverwaltung delegieren wolle, müsse die Funktionäre an deren Pflicht zum Handeln erinnern. Schmidt trat für die Erweiterung der engen Definition des alten Bundesausschusses zu chronisch Kranken ein und sprach von dauerhaften Erkrankungen, die eine dauerhafte Behandlung bedürfen. Dafür ist seit Jahresbeginn der aufgewertete gemeinsame Bundesausschuss zuständig. Bei der kritisierten Belastung der Heimbewohner bei den Zuzahlungen gab sie die Vorwürfe an die Union zurück, die in den Konsensgesprächen Ausnahmen abgelehnt habe, da dies weitere Ausnahmen nach sich zöge. Zur Belastung von Sozialhilfeempfängern in Heimen, die monatlich 3 Euro (chronisch Kranke) oder 6 Euro zahlten, hieß es, andere Alternativen wären unsozialer gewesen. Schmidt lobte die Arbeiterwohlfahrt und Heime, die für die Heimbewohner bei Zuzahlungen in Vorleistung gingen.
Schaich-Walch: Zuzahlung überfordert niemanden
Gudrun Schaich-Walch (SPD) warnte die Vertreter von Ärzten und Kassen, untätig zu bleiben, es sei deren letzte Chance auf Mitwirkung. Wie andere SPD-Abgeordnete sah sie keinen Änderungsbedarf am Gesetz, die Zuzahlungen überforderten niemanden.
Erika Lotz, neue Sprecherin der Arbeitsgruppe Gesundheit in der SPD-Fraktion, warnte davor, das Gesetz wegen einiger Probleme in Bausch und Bogen zu verdammen.
Andreas Storm (CDU) konstatierte zwar, die Umsetzung des Gesetzes funktioniere nicht, er sprach sich jedoch gegen Schnellschüsse zur Änderung aus. Beispielsweise bei Wiederholungsrezepten sollte grundsätzlich die Praxisgebühr erörtert werden und nicht einzelne Ausnahmen geschaffen werden.
Wolfgang Zöller (CSU) meinte, die Regierung hätte eher Druck auf Ärzte und Kassen mit Zeitvorgaben ausüben müssen. Die Chronikerregelung und die ausnahmsweise Erstattung von OTC-Präparaten müssten vordringlich gelöst werden. Kassen und Mediziner sollten in der Übergangszeit im Sinne des Gesetzes den Bedürfnisse der Patienten gerecht werden.
Apotheker Karl Hermann Haack (SPD), der auch Behindertenbeauftragter ist, verwies auf das problemlose Einziehen von Selbstbehalten in den Apotheken. Die Ärzte seien bei der Praxisgebühr "entweder zu blöde oder zu vornehm". Seiner Ansicht nach sind die Schwierigkeiten hier nur vorgeschoben, um das Gesetz scheitern zu lassen.
Detlef Parr (FDP) sprach von Millionen empörter, aber auch resignierter Bürger wegen der Reform, die "ein Riesenmurks" sei.
Dieter Thomae (FDP) zeigte sich skeptisch, dass die Ausnahmeregelung für diejenigen OTC-Präparate, die die Kassen ab April indikationsbezogen weiter bezahlen sollen, schnell formuliert werden kann. Eine "vernünftige Abgrenzung" sei in so kurzer Zeit nicht machbar.
Horst Seehofer (CSU) nannte es nicht verantwortungsvoll, dass 1997 die damalige Opposition von SPD und Grünen nicht zu Kompromissen mit der Union/FDP-Regierung bereit gewesen sei. Anschließend sei es falsch gewesen, dass die neue rot/grüne Regierung nach dem Wahlsieg 1998 die Zuzahlungen wieder heruntergefahren habe, was ein Grund für die Finanzmisere der Kassen sei.
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