Arzneimittel und Therapie

Wachstumshormon-Rezeptorantagonist: Pegvisomant zur Behandlung der Akromegalie

Pegvisomant (Somavert®) ist ein Analogon des menschlichen Wachstumshormons und wurde gentechnologisch zu einem Wachstumshormon-Rezeptorantagonisten verändert. Es wird zur Behandlung der Akromegalie bei Patienten eingesetzt, bei denen Operation und/oder Strahlentherapie nicht den gewünschten Behandlungserfolg erzielten und bei denen eine adäquate medikamentöse Behandlung mit Somatostatin-Analoga die IGF-I-Konzentration nicht normalisierte bzw. nicht vertragen wurde.

Der Wachstumsfaktor(GH)-Rezeptorantagonist Pegvisomant (Somavert®) wird für die Behandlung der Akromegalie eingeführt. Er soll eingesetzt werden, wenn Operation, Strahlentherapie und herkömmliche medikamentöse Methoden nicht zum Erfolg geführt haben oder die Patienten nicht für eine entsprechende Therapie geeignet sind.

Zu viel Wachstumshormon: Akromegalie

Das native Wachstumshormon (growth hormone, GH oder Somatotropin, STM) entfaltet seine vielfältigen Wirkungen entweder direkt oder über Wachstumsfaktoren, die vor allem in der Leber gebildet werden. Zu den wichtigsten zählt der Insulin-like Growth Faktor 1 (IGF-1). Schüttet die Hypophyse – meist aufgrund eines Adenoms – zuviel GH aus, steigt auch der Serumspiegel für IGF-1 an.

IGF-1 wird nach einer Stimulation durch GH überwiegend aus Leberzellen, aber auch anderen Körpergeweben, beispielsweise Knorpel, freigesetzt. Folgen des GH- und IGF-1-Überschusses sind auffallende äußerliche Veränderungen, nämlich eine Vergrößerung der Akren (Hände, Füße, Kopf, Nase, Kinn und Jochbögen) mit einer Vergröberung der Gesichtszüge. Darüber hinaus leiden die Patienten unter starkem Schwitzen, Weichteilschwellungen, Gelenkbeschwerden und einer verminderten sexuellen Erregbarkeit.

Zu den gesundheitlichen Folgen zählen auch lebensbedrohliche Veränderungen an inneren Organen wie Herz oder Nieren, andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, respiratorische Erkrankungen und bestimmte Formen von Krebs. Die Lebenserwartung der Betroffenen ist durchschnittlich um 10 Jahre verringert, die Sterblichkeit gegenüber der Normalbevölkerung um das etwa 2- bis 4-fache erhöht. Da sich der Organismus in kleinen, anfangs kaum bemerkbaren Schritten verändert, vergehen bis zur Diagnose im Schnitt acht bis zehn Jahre.

Die Akromegalie ist eine seltene Erkrankung. In Deutschland sind 4000 bis 5000 Menschen davon betroffen, jährlich erkranken 300 Patienten neu. In den meisten Fällen tritt die Erkrankung im Erwachsenenalter zwischen dem 30. und dem 60. Lebensjahr auf.

In den seltenen Fällen, in denen bereits Kinder einen Wachstumshormon-produzierenden Tumor entwickeln, wirkt sich die Krankheit auf das Längenwachstum aus. Man spricht dann von Gigantismus (Riesenwuchs). Unbehandelt können diese Patienten Körpergrößen von weit mehr als zwei Metern erreichen.

Bei der Behandlung der Störung soll der Überschuss an Wachstumshormon verringert und der Serumspiegel für IGF-1 auf altersentsprechende Werte gesenkt werden. Dazu wird der Tumor chirurgisch oder strahlentherapeutisch entfernt, wenn dies möglich ist. Wenn das Adenom jedoch inoperabel ist, nicht vollständig entfernt werden kann oder die Patienten eine andere Art der Behandlung wünschen, bietet sich eine medikamentöse Intervention an.

Bisher eingesetzt: Dopamin-Agonisten und Somatostatin-Analoga

Bislang wurden für die pharmakologische Therapie Dopamin-Agonisten und Somatostatin-Analoga eingesetzt. Dopamin-Agonisten führen bei gesunden Probanden zu einer vermehrten GH-Ausschüttung, bei akromegalen Patienten tritt jedoch eine paradoxe Reaktion ein: Die Serumspiegel von GH und IGF-1 sinken. Normale Werte lassen sich allerdings nur bei maximal 30% der Patienten erzielen, zudem kann es zu zahlreichen Nebenwirkungen kommen.

Somatostatin-Analoga imitieren die Wirkung des nativen Somatostatins aus dem Hypothalamus und senken so die Produktion von Wachstumshormon in der Hypophyse. Aber auch diese Strategie führt nur in etwa 65% aller Fälle zum gewünschten Resultat.

Modifikation des nativen GH

Pegvisomant wirkt anders: Es hemmt nicht die Ausschüttung des Wachstumshormons, sondern konkurriert mit dem nativen GH und besetzt selektiv dessen Rezeptoren an den Zielzellen. Damit blockiert Pegvisomant dosisabhängig sowohl dessen direkte biologische Wirkungen als auch die Bildung von IGF-1. Pegvisomant wirkt unabhängig von der Größe des Tumors und dessen Somatostatin-Rezeptorendichte.

Pegvisomant entstand durch eine gezielte Modifikation des nativen Wachstumshormons. Die an der Molekül-Rezeptor-Interaktion beteiligten Abschnitte wurden so verändert, dass das entstandene Derivat mit hoher Affinität an den Rezeptor bindet, aber die nachfolgende spezifische Signalkette nicht in Gang setzt. Durch Anhängen eines Polyethylenglykol-Restes erhöhte sich zudem die Halbwertszeit auf 72 Stunden. Pegvisomant muss daher nur einmal täglich subkutan verabreicht werden.

Zur Therapie wird eine Startdosis von 80 mg Pegvisomant subkutan unter ärztlicher Aufsicht verabreicht. Nachfolgend werden täglich 10 mg Pegvisomant, gelöst in 1 ml Wasser für Injektionszwecke als subkutane Injektion gegeben. Dosisanpassungen sollten auf Serumspiegeln von Insulin-like-Growth-Factor-I (IGF-I) beruhen.

Alle vier bis sechs Wochen sind die Serum-Konzentrationen von IGF-I zu bestimmen. Dann muss die Dosis in Schritten von 5 mg/Tag entsprechend angepasst werden, um die IGF-I-Serum-Konzentrationen im altersgemäßen Normbereich zu halten und einen optimalen Therapieerfolg zu erzielen. Die Höchstdosis sollte 30 mg/Tag nicht überschreiten.

Pegvisomant ist momentan nur bei Patienten, die anders nicht erfolgreich behandelt werden können, zugelassen. Ob ein Einsatz auch als First-line-Medikament oder in Kombination mit einem Dopamin-Agonisten sinnvoll ist, müssen weitere Studien zeigen.

Gut wirksam und verträglich

Die bisherigen klinischen Erfahrungen zeigen, dass der Wirkstoff die IGF-1-Blutspiegel bei fast allen behandelten Patienten normalisiert und zudem gut verträglich ist. In einer 12-wöchigen plazebokontrollierten Studie mit 112 Patienten sank der IGF-1-Spiegel unter der Therapie mit 10, 15 oder 20 mg Pegvisomant pro Tag signifikant, und bis zu 89% der behandelten Patienten erreichten normale Werte.

Zudem zeigten Patienten, die 15 oder 20 mg pro Tag erhalten hatten, signifikante Verbesserungen bei typischen Symptomen, wie Schwitzen und Weichteilschwellungen. In einer 18-monatigen Langzeitstudie erreichten 87 von 90 Patienten, die länger als 12 Monate behandelt worden waren, normale IGF-1-Werte. Auch bei Patienten, die zuvor erfolglos mit hochdosierten Somatostatin-Analoga therapiert worden waren, normalisierten sich unter der Pegvisomant-Therapie in allen Fällen (n = 6) die IGF-1-Werte.

Die Nebenwirkungen unter der Therapie mit Pegvisomant waren meist gering bis mäßig ausgeprägt und unabhängig von der Dosis. Im Vordergrund stehen Reaktionen an der Injektionsstelle sowie Schwitzen, Kopfschmerzen, Asthenie. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten nur selten auf und erwiesen sich als reversibel. Das Tumorvolumen änderte sich unter der Therapie nicht.

Erhöhte Insulinempfindlichkeit

Weil Pegvisomant die GH-Wirkung antagonisiert, normalisiert sich der IGF-1-Spiegel, und der Glucosestoffwechsel bessert sich. Zu Beginn der Behandlung mit Pegvisomant kann die Insulinsensitivität ansteigen. Bei einigen Diabetes-Patienten, die mit Insulin oder oralen Antidiabetika behandelt wurden, fand sich ein erhöhtes Hypoglykämie-Risiko unter der Behandlung mit Somavert®. Daher kann es bei Patienten mit Diabetes mellitus erforderlich sein, die Dosis für Insulin oder orale Antidiabetika zu reduzieren.

Wachstumshormon sezernierende Hypophysen-Tumore können sich vergrößern und schwerwiegende Komplikationen verursachen (zum Beispiel Gesichtsfeldausfälle). Eine Behandlung mit Pegvisomant reduziert nicht die Tumorgröße. Alle Patienten mit diesen Tumoren sollten deshalb sorgfältig überwacht werden, um ein eventuelles Wachstum des Tumors zu vermeiden.

Pegvisomant ist ein potenter Antagonist des Wachstumshormons. Aus der Anwendung von Pegvisomant kann daher ein Wachstumshormon-Mangel-Status resultieren, obwohl erhöhte Serumspiegel an Wachstumshormon vorliegen. Die Konzentration von IGF-1 im Serum sollte überwacht werden und durch Anpassung der Dosis innerhalb des altersgemäßen Normalbereiches gehalten werden.

Während der ersten sechs Monate einer Behandlung mit Pegvisomant sollten die Serumkonzentrationen von Alanin-Aminotransferase (ALT) und Aspartat-Transaminase (AST) in Abständen von vier bis sechs Wochen überwacht werden oder immer dann, wenn ein Patient Symptome entwickelt, die auf eine Hepatitis hinweisen.

Bei Patienten mit ALT- und AST-Erhöhungen oder bei Patienten mit einer Behandlung mit einem Somatostatin-Analogon in der Vorgeschichte sollten Anzeichen einer obstruktiven Gallengangserkrankung ausgeschlossen sein. Wenn die Anzeichen für eine Lebererkrankung bestehen bleiben, ist die Behandlung mit Pegvisomant abzubrechen.

Durch die Reduktion der IGF-1-Konzentration kann möglicherweise die Fertilität bei weiblichen Patienten erhöht werden. Patientinnen sollten eine geeignete Kontrazeption anwenden.

Pegvisomant (Somavert) ist ein Analogon des menschlichen Wachstumshormons und wurde gentechnologisch zu einem Wachstumshormon-Rezeptorantagonisten verändert. Es wird zur Behandlung der Akromegalie bei Patienten eingesetzt, bei denen Operation und/oder Strahlentherapie nicht den gewünschten Behandlungserfolg erzielten und bei denen eine adäquate medikamentöse Behandlung mit Somatostatin-Analoga die IGF-I-Konzentration nicht normalisierte bzw. nicht vertragen wurde.

Steckbrief: Pegvisomant

Handelsname/Hersteller:

Somavert 10/ -15/ -20 mg (Pharmacia GmbH, Erlangen)

Einführungsdatum:

1. Dezember 2003

Zusammensetzung:

Jede Durchstechflasche enthält 10 mg/ 15 mg/20 mg Pegvisomant. Nach Rekonstitution enthält 1 ml Lösung 10 mg/15 mg/20 mg Pegvisomant. Pegvisomant wird durch rekombinante DNA-Technologie in einem E. coli-Expressionssystem hergestellt. Hilfsstoffe: Pulver: Glycin, Mannitol (E421), wasserfreies Natriummonohydrogenphosphat, Natriumdihydrogenphosphat 1 H2O; Lösungsmittel: Wasser für Injektionszwecke.

Packungsgrößen, Preise und PZN:

Somavert 10 mg: 30 Stück, Euro 3124,99, PZN 4103211. Somavert 15 mg: 30 Stück 4580,21 PZN 4103228. Somavert 20 mg: 30 Stück, Euro 6035,42, PZN 4103234.

Stoffklasse:

Hypophysen-, Hypothalamushormone, andere regulatorische Peptide und ihre Hemmstoffe; Wachstumshormon.

Indikation:

Zur Behandlung der Akromegalie

Dosierung:

Startdosis 80 mg, nachfolgend täglich 10 mg Pegvisomant als subkutane Injektion, Höchstdosis 30 mg pro Tag

Gegenanzeigen:

Überempfindlichkeit gegenüber Pegvisomant oder einen der Hilfsstoffe

Nebenwirkungen:

Reaktionen an der Injektionsstelle, Schwitzen, Kopfschmerzen, Asthenie; Diarrhö, Konstipation, Übelkeit, Erbrechen, aufgetriebenes Abdomen, Dyspepsie, Flatulenz, anormale Leberfunktionstests; grippeähnliche Erkrankung, Müdigkeit; Hämatom oder Blutung an der Injektionsstelle, Reaktionen oder Hypertrophie an der Injektionsstelle; Arthralgie, Myalgie, periphere Schwellungen; Kopfschmerzen, Schwindel, Somnolenz, Tremor; Schwitzen, Pruritus, Hautausschläge; anormale Träume, Schlafstörungen; Hypercholesterinämie, Gewichtszunahme, Hyperglykämie, Hungergefühl; Hypertonie

Wechselwirkungen:

Bei Patienten, die Insulin oder orale Antidiabetika erhalten, kann wegen der Auswirkung von Pegvisomant auf die Insulinsensitivität eine Dosisreduktion dieser therapeutischen Wirkstoffe erforderlich sein. Pegvisomant besitzt eine ausgeprägte strukturelle Ähnlichkeit mit Wachstumshormon, was zu Kreuzreaktionen mit kommerziell verfügbaren Wachstumshormon-Assays führt.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen:

Bei Patienten mit Diabetes mellitus kann es erforderlich sein, die Dosis für Insulin oder orale Antidiabetika zu reduzieren. Wachstumshormon sezernierende Hypophysen-Tumore können sich vergrößern und schwerwiegende Komplikationen verursachen (zum Beispiel Gesichtsfeldausfälle).

Während der ersten sechs Monate einer Behandlung mit Pegvisomant sollten die Serumkonzentrationen von Alanin-Aminotransferase (ALT) und Aspartat-Transaminase (AST) in Abständen von vier bis sechs Wochen überwacht werden oder jederzeit, falls ein Patient Symptome entwickelt, die auf eine Hepatitis hinweisen.

Die therapeutischen Vorteile einer Reduktion der IGF-1-Konzentration, die zu einer Verbesserung des klinischen Zustandes der Patienten führt, können möglicherweise die Fertilität bei weiblichen Patienten erhöhen.

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