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- DAZ 19/2004
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Rechtsprechung aktuell
Heimversorgung: Keine "Pflicht zur Entgegennahme" oder zum Vertragsabschluss
Ein Apothekenleiter belieferte bereits seit Jahren mehrere Bewohner eines Alten- und Pflegeheims. Nachdem der Betreiber des Heims in der Zwischenzeit mit einer anderen Apotheke einen Versorgungsvertrag geschlossen hatte, weigerte er sich, Medikamente für Bewohner anzunehmen, die nicht die Versorgungsapotheke anlieferte.
Das Landgericht Memmingen lehnte einen Anspruch des Apothekenleiters gegen den Heimträger auf Entgegennahme und bewohnerbezogene Aufbewahrung der durch den Apothekenleiter angelieferten Medikamente ab. Auch einen Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages konnte das Gericht nicht erkennen.
Heimgesetz schützt nicht die Apotheker
Ein Anspruch auf Entgegennahme von Arzneimitteln ergibt sich nach Auffassung des Gerichts nicht aus § 11 Abs. 1 Nr. 10 Heimgesetz. Diese Norm postuliert zwar die Pflicht des Trägers zur bewohnerbezogenen und ordnungsgemäßen Aufbewahrung, regelt jedoch – wie § 2 Heimgesetz zeigt – nur die Belange der Heimbewohner und der Heimträger. Apotheker sind danach vom Schutzbereich des Heimgesetzes nicht erfasst und könnten daher auch keine Ansprüche aus diesem Gesetz herleiten.
Es liege jedoch, so das Gericht, auch deshalb kein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Nr. 10 Heimgesetz vor, weil die Heimleiterin nicht die Aufbewahrung der Medikamente, sondern nur deren Entgegennahme verweigere. Den Heimbewohnern sei es unbenommen, sich selbst mit Medikamenten bei einer Apotheke ihrer Wahl zu versorgen oder ihre Betreuer bzw. Angehörigen dorthin zu schicken, um Medikamente zu holen.
Des weiteren hole auch Heimpersonal Medikamente aus der Apotheke für die Heimbewohner ab, die – sobald sie vom Heimbewohner, dem Betreuer, dem Angehörigen oder auch dem Heimangestellten abgeholt und übergeben werden – bewohnerbezogen und ordnungsgemäß aufbewahrt würden.
Fürsorgepflicht beinhaltet nicht die Aufgabe, Medikamente entgegenzunehmen
Auch aus der Fürsorgepflicht des Beklagten für seine Heimbewohner lässt sich nach Auffassung der Memminger Richter keine Pflicht zur Entgegennahme von Arzneimitteln ableiten, sondern nur die Pflicht zur bewohnerbezogenen Aufbewahrung.
Die Fürsorgepflicht eines Heims erfasst nämlich nicht solche Arzneimittelvorräte, die der Heimbewohner in Eigenregie erwirbt und aufbewahrt, die mithin außerhalb der Fürsorgepflicht des Heimträgers und dessen Beschaffung in das Heim gelangt sind. Dem Heimträger könne auch nicht ohne ausdrückliche Einwilligung des betroffenen Heimbewohners bzw. dessen Betreuers aufgegeben werden, vom Apotheker angelieferte Arzneimittel entgegenzunehmen.
Er kann sich nämlich nicht über den Willen seiner Bewohner informieren, welche selbst bestimmen müssten, welche Arzneimittel ihnen ausgehändigt werden sollen und welche nicht. Der Heimträger könne schließlich nicht überprüfen, welche Medikamente tatsächlich vom Heimbewohner bestellt wurden und brauche die Verantwortung für Falschlieferungen oder Versehen des Apothekers nicht zu übernehmen.
Für den Heimbewohner hingegen bestehe die Möglichkeit, die Medikamente selbst entgegenzunehmen bzw. durch seine Angehörigen, Betreuer oder auch durch bevollmächtigtes Personal abholen und entgegennehmen zu lassen.
Recht auf freie Apothekenwahl begründet keine Entgegennahmepflicht
Auch § 12 a Abs. 3 Apothekengesetz umfasst nicht die Pflicht zur Entgegennahme von Arzneimitteln durch den Heimträger. Nach dieser Norm ist jeder Heimbewohner dazu berechtigt, sich selbst mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten aus öffentlichen Apotheken zu versorgen. Wenn sich der Heimbewohner "selbst" versorgen dürfe, so folge daraus, dass der Heimbewohner die Medikamente auch selbst abholen bzw. entgegennehmen müsse.
Kein Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages
Einen Anspruch der Apotheker auf Abschluss eines Versorgungsvertrages verneinte das Gericht ebenfalls. § 12 a Abs. 1 Satz 1 Apothekengesetz begründe auch nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung die Pflicht des Heimträgers zum Abschluss eines solchen Vertrages.
Das Landgericht weist zunächst darauf hin, dass das gemäß Artikel 2 Abs. 1 GG geschützte Recht der Heimbewohner auf freie Apothekenwahl durch § 12 a Apothekengesetz nicht eingeschränkt werde. Den Heimbewohnern stehe es vielmehr frei, sich aus der Apotheke ihrer Wahl mit Arzneimitteln selbst zu versorgen oder durch Angehörige, Betreuer oder beauftragtes Heimpersonal versorgen zu lassen. Eine Ausschließlichkeitsbindung zur Arzneimittelversorgung durch die Versorgungsapotheke bestehe gerade nicht.
Die Berufsfreiheit des klagenden Apothekers gemäß Art. 12 Abs. 1 GG ist danach ebenfalls nicht beeinträchtigt. § 12 a Abs. 3 Apothekengesetz verdeutliche, dass ein Versorgungsvertrag nicht erforderlich sei, soweit Bewohner von Heimen sich selbst mit Arzneimitteln und Medizinprodukten aus öffentlichen Apotheken versorgten.
Allen Heimbewohnern sei die Möglichkeit eröffnet, bei der Apotheke ihrer Wahl Arzneimittel einzukaufen oder zu bestellen. Aus § 12 a Abs. 1 Apothekengesetz könne nicht gefolgert werden, dass eine Belieferung von Heimbewohnern im Wege des Versandhandels nur mittels eines Versorgungsvertrages möglich sei. Vielmehr ist danach auch im Versandhandel davon auszugehen, dass der Heimbewohner sich aus der Nichtvertragsapotheke selbst versorgt.
Doch selbst wenn eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit vorliege, sei diese gerechtfertigt im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, weil sie von vernünftigen Erwägungen des Allgemeinwohls getragen sei: Sinn und Zweck des Gesetzgebers bei Schaffung von § 12 a Abs. 1 Satz 1 Apothekengesetz lag in der Steigerung des Schutzes der Heimbewohner bei der Arzneimittelversorgung durch Eindämmung der "wilden" Belieferung von Heimen.
Im Interesse der Qualitätssicherung sollten nur besonders ausgewählte Apotheken weiterhin beliefern dürfen. Des weiteren sollten die berechtigten Belange der Heime, wie deren ungestörter Arbeitsablauf gewahrt werden. Schließlich folge auch aus der in § 12 a Abs. 1 vorgesehenen Möglichkeit, mehrere Apotheker an der Versorgung durch Versorgungsverträge zu beteiligen, kein Recht des Apothekenleiters auf Abschluss eines Versorgungsvertrages auch mit ihm.
Es unterliege der freien Entscheidung des Heimträgers, mit wie vielen Apotheken er Versorgungsverträge abschließen wolle. Eine gerichtliche Kontrolle finde nur im Hinblick auf das sog. Willkürverbot und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz statt.
(2) Die Selbstständigkeit der Träger der Heime in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben bleibt unberührt.
Wortlaut des § 12a Apothekengesetz
(1) Der Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke ist verpflichtet, zur Ver. der Vertrag die freie Apothekenwahl von Heimbewohnern nicht einschränkt und 5. der Vertrag keine Ausschließlichkeitsbindung zugunsten einer Apotheke enthält und die Zuständigkeitsbereiche mehrerer an der Versorgung beteiligter Apotheken klar abgrenzt. Š
(3) Soweit Bewohner von Heimen sich selbst mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten aus öffentlichen Apotheken versorgen, bedarf es keines Vertrages nach Absatz 1.
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