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Bürgerversicherung: Grüne und SPD machen Tempo
Um 1,4 Prozentpunkte könnten die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sinken, wenn die Bürgerversicherung nach dem Modell der Grünen eingeführt wird, errechneten die IGES-Gutachter. Den Grünen zufolge soll ihr Konzept dem Gesundheitssystem vor allem zu mehr Solidarität und Wettbewerb verhelfen. Sie wollen, dass künftig alle Bevölkerungsgruppen – auch Beamte, Berufspolitiker, Selbstständige und Besserverdienende – in die GKV einbezogen und alle Einkommensarten zur Finanzierung herangezogen werden. Eine Bürgerversicherung verstärke zudem den Wettbewerb, da alle Krankenversicherer unter einheitlichen Wettbewerbsbedingungen um alle Bürger werben.
Bislang nur ein "Zwischenergebnis"
Sager kritisierte bei der Vorstellung des Gutachtens, dass es derzeit in der GKV "eine Menge Ungereimtheiten" gebe. "Es ist nicht nachvollziehbar, dass in einer alternden Gesellschaft die Gesündesten und Einkommensstärksten nicht an der solidarischen Krankenversicherung teilnehmen müssen", so Sager. Sie betonte, es gebe noch kein fertiges grünes Fraktionsmodell zur Bürgerversicherung, sondern lediglich ein "Zwischenergebnis". Gemäß eines Beschlusses der Basis wolle man aber zur Bundesdelegiertenkonferenz im Oktober ein Modell vorlegen.
Weitere strukturelle Reformen notwendig
Angesichts der im Vergleich zum Umstellungsaufwand relativ geringen Beitragssatzsenkung durch die Bürgerversicherung, legte Bender das Augenmerk auf die größere Gerechtigkeit, die das neue Finanzierungsmodell mit sich bringe. Sie betonte, eine Bürgerversicherung dürfe nicht dazu dienen, mehr Geld ins System zu pumpen. Es gehe vor allem darum, die GKV gerechter und von den Arbeitskosten unabhängig zu machen. Die entstehenden Mehreinnahmen müssten vollständig zur Beitragssatzsenkung verwendet werden.
Sager und Bender räumten ein, dass für die bislang privat Krankenversicherten eine Einbeziehung in die Bürgerversicherung zu einer höheren Beitragsbelastung führen werde. Sie erklärten auch, dass zusätzlich weitere strukturelle Reformen angegangen werden müssen, um mehr Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern zu schaffen.
Noch viele offene Fragen
Viele Fragen zur Bürgerversicherung sind auch nach Veröffentlichung des IGES-Gutachtens noch offen. So muss politisch entschieden werden, ob die Beiträge wie bisher einkommensabhängig oder als Pauschale erhoben werden sollen. Das Gutachten macht deutlich, dass beide Wege die ökonomische Leistungsfähigkeit berücksichtigen und es sich bei der üblichen Gegenüberstellung von Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie um eine "Scheinalternative" handelt. Parteiintern ist bei den Grünen jedoch eine Präferenz für einkommensabhängige Beiträge zu erkennen.
Noch ungeklärt ist zudem, ob der Beitrag auf Arbeitseinkommen in einer Bürgerversicherung paritätisch finanziert, oder ob der Arbeitgeberanteil ausgezahlt, eingefroren oder versteuert wird. Auch die Übergangsregelungen für privat Versicherte und Fragen der Familienversicherung bedürfen noch der weiteren Klärung.
SPD passt sich grünem Zeitplan an
Dass auch die SPD nun nicht länger als nötig mit ihrem Konzept zur Bürgerversicherung warten will, machte Parteipräsidiums-Mitglied Andrea Nahles zu Wochenbeginn deutlich: "Wir wollen so früh, wie das seriös möglich ist, fertig werden", sagte sie dem Handelsblatt (Ausgabe vom 10. Mai). Generalsekretär Benneter bestätigte dies im Anschluss an die Präsidiumssitzung. Er wies dabei Behauptungen zurück, die Arbeitsgruppe der SPD zur Bürgerversicherung, die von Nahles geleitet wird, erhöhe das Tempo auf Druck ihres Parteivorsitzenden Franz Müntefering.
"Es handelt sich um einen Vorschlag der Arbeitsgruppe selbst", betonte Benneter. Dass auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt den neuen Zeitplan mitträgt, machte ihr Sprecher Klaus Vater deutlich: "Die Ministerin ist bereit, jedes Tempo mitzugehen".
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