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Gesundheitsreform
G. GaßApotheken als Partner in der integrierten Ver
Strukturelemente der Reform
Die Überwindung sektoraler Grenzen bei der medizinischen Versorgung war ein wesentliches Ziel der Gesundheitsreform. Brüche in den Behandlungsverläufen, Doppeluntersuchungen und Doppelverordnungen sollen reduziert und die Kooperation der verschiedenen Heilberufe verbessert werden. Das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) versucht deshalb, die Strukturen so aufzubrechen, dass die verschiedenen Bereiche im Gesundheitswesen besser zusammenarbeiten können. Unter anderem wird die integrierte Versorgung weiterentwickelt und durch Hausarztsysteme gestärkt.
Durch eine zielgenaue Teilöffnung der Krankenhäuser bekommen vor allem chronisch Kranke stationäre und ambulante Versorgung aus einer Hand. Die therapeutische Zusammenarbeit unterschiedlicher ambulanter Leistungserbringer wird durch die Zulassung Medizinischer Versorgungszentren gezielt gefördert. Ärzte, Therapeuten und Angehörige anderer Heilberufe sollen in diesen "Gesundheitszentren" im Interesse der Patienten eng zusammenarbeiten und sich abstimmen. In diesen Instrumenten liegt ein großes Potential zur Umstrukturierung und Flexibilisierung der Versorgung.
Integrierte Versorgung im Verlauf der Reformgesetze
Trotz großer Beachtung konnte sich die zum 1. Januar 2000 erstmalig durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz (§ 140a ff SGB V) eingeführte integrierte Versorgung nicht durchsetzen. Das Verfahren galt als zu verwaltungsaufwändig. Konkrete Vereinbarungen waren von der Zustimmung der Kassenärztlichen Vereinigungen abhängig. Im Ergebnis wurden nur sehr wenige Integrationsversorgungsverträge abgeschlossen. Dies ist Vergangenheit. Die Gesundheitsreform hat auch die integrierte Versorgung weiterentwickelt.
Juristische und ökonomische Hemmnisse wurden beseitigt. Der Gesetzgeber hat vor allem einen Fehler aus der Vergangenheit nicht weiter fortgeschrieben. Die Kassenärztlichen Vereinigungen als "Hüter" des Kollektivvertrages sind als Vertragspartner bei den Einzelverträgen zur integrierten Versorgung nicht zugelassen. Damit wird ein unauflösbarer Interessenskonflikt zwischen Einzel- und Kollektivvertrag vermieden, der in der Vergangenheit viele gute Ansätze unmöglich gemacht hat. Die Anbindung an das Kollektivvertragssystem war ein wesentliches Hindernis für den Abschluss von Verträgen zur integrierten Versorgung.
Sinn der "neuen" integrierten Versorgung ist, die bisherige Abschottung der einzelnen Leistungsbereiche zu überwinden, Substitutionsmöglichkeiten über verschiedene Leistungssektoren hinweg zu nutzen und Schnittstellenprobleme so besser in den Griff zu bekommen. Patientinnen und Patienten sollen jeweils dort behandelt werden, wo unter medizinischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Versorgung am effektivsten ist. Kern der neuen Regelung ist, dass Krankenkassen und Leistungserbringer autonom und außerhalb des Sicherstellungsauftrages der Kassenärztlichen Vereinigungen Verträge schließen dürfen.
Wichtig ist auch die mit der integrierten Versorgung verbundene "Verpflichtung" für die Versicherten. So verpflichten sich Patientinnen und Patienten per Einschreibung für eine Mindestdauer von zwölf Monaten, die am Vertrag beteiligten Leistungserbringer (z. B. auch beteiligte Apotheken) aufzusuchen. Dies schafft auch für die Vertragspartner die notwendige Kalkulationsbasis, um in ein integriertes Versorgungsnetz zu investieren.
Die Teilnahme an der integrierten Versorgung ist für die Versicherten grundsätzlich freiwillig. Zur Förderung der Akzeptanz werden die Krankenkassen mit der Qualität und dem Service der dort erbrachten Leistungen werben müssen. Daneben haben sie auch noch die Möglichkeit, finanzielle Boni in Form von zum Beispiel ermäßigten Tarifen oder reduzierten Zuzahlungen auszuloben.
Finanzierung der integrierten Versorgung
Um den Vertragspartnern zusätzliche Anreize zur Vereinbarung integrierter Versorgungsverträge zu geben, stehen zwischen 2004 und 2006 bis zu einem Prozent der jeweiligen ambulanten Gesamtvergütung und der Krankenhausvergütungen als Anschubfinanzierung zur Verfügung. Die Finanzierung der erbrachten Leistungen selbst erfolgt durch eine Bereinigung der ambulanten Vergütung an die Kassenärztlichen Vereinigungen und der Budgets der Krankenhäuser.
Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität gilt für Verträge, die in der Startphase der integrierten Versorgung bis zum 31. Dezember 2006 abgeschlossen werden, nicht. Damit trägt der Gesetzgeber der Situation Rechnung, dass zum Aufbau integrierter Versorgungsstrukturen Investitionen erforderlich sind. Bedeutsam für die potenziellen Vertragspartner sind vor allem auch die finanziellen Gestaltungsspielräume, die mit den Einzelverträgen zur integrierten Versorgung verbunden sind.
Die Vertragspartner der Krankenkassen sind frei in der Frage der Verteilung der Vergütung auf die am integrierten Netz beteiligten Leistungserbringer. Dies erlaubt auch Pauschalierungen, die weniger verwaltungsaufwändig sind und den Leistungserbringern mehr Spielräume eröffnen. Nicht EBM, HVM und DRG's bestimmen den Behandlungsprozess, sondern die individuellen medizinischen Notwendigkeiten. Bezogen auf die Arzneimittelversorgung gilt allerdings auch hier die Arzneimittelpreisverordnung mit dem neu eingeführten fixen Beratungsanteil für die Apotheken. Eine Abweichung davon lässt der Gesetzgeber nicht zu.
Um den Akteuren im Gesundheitswesen einen Überblick über das Vertragsgeschehen zu ermöglichen, wurde eine zentrale Registerstelle eingerichtet, bei der alle Vertragsabschlüsse der integrierten Versorgung dokumentiert und veröffentlicht werden.
Apotheken als Partner der integrierten Versorgung
Das GMG sieht vor, dass der Kreis der potenziellen Vertragspartner erweitert wird. Die Krankenkassen können auch mit Trägern von medizinischen Versorgungszentren und mit Trägern, die nicht selbst Versorger sind, sondern eine Versorgung durch dazu berechtigte Leistungserbringer anbieten (Managementgesellschaften), Verträge zur integrierten Versorgung abschließen. Die Ausdehnung des Kreises der Vertragspartner der Krankenkassen dient dazu, in Berücksichtigung der vielfältigen Interessen der Beteiligten, die Möglichkeiten für eine spezifizierte integrierte Versorgung zu erweitern.
Wie schon bisher stehen den Krankenkassen alle sonstigen zur Versorgung im System des SGB V zugelassenen Leistungserbringer – also auch Apotheken und Versandapotheken – und deren Gemeinschaften als potenzielle Vertragspartner zur Verfügung. Neu ist in diesem Zusammenhang auch der § 129 Abs. 5b SGB V als Spezialvorschrift für die Apotheken. Er regelt nicht nur ausdrücklich, dass Apotheken und Versandapotheken an Integrationsverträgen teilnehmen dürfen, sondern enthält auch konkrete Regelungen zu einer Beteiligung der Apotheken.
So regelt dieser Paragraph, dass die Angebote der Krankenkassen öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Dies gewährleistet eine Gleichbehandlung der Apotheken beim Abschluss von Einzelverträgen. Zur Verbesserung der Qualität der Versorgung können beispielsweise Vereinbarungen zur pharmazeutischen Betreuung durch Vertrags-, insbesondere Hausapotheken, getroffen werden. Die Gesetzesbegründung erwähnt auch, dass zur Struktur der Arzneimittelversorgung interne Regelungen zur Auswahl preisgünstiger vergleichbarer Arzneimittel (Positivlisten) vereinbart werden können.
Den Apotheken kommt dann neben der besonders qualifizierten Beratung der Patientinnen und Patienten auch die Aufgabe zu, die wirtschaftliche Arzneimittelbeschaffung für das integrierte Versorgungsnetz zu organisieren. Zu diesem Zweck wurde im Zuge der Reform auch das Gesetz über das Apothekenwesen geändert. Gemäß § 11 Abs. 1 sind demnach Absprachen und Rechtsgeschäfte mit den Vertragspartnern der integrierten Versorgung ausdrücklich zugelassen. Der Gesetzgeber erwartet dadurch eine effizientere Arzneimittelversorgung.
Fazit: Mehr Wettbewerb und erweiterte Gestaltungsspielräume
Bei den Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen, die das GMG eröffnet, wird die Entwicklung integrierter Versorgungsangebote für die Krankenkassen und viele Leistungsanbieter höchste Priorität haben. Angesichts der heutigen Herausforderungen – veränderte Altersstruktur mit einer Zunahme chronischer Erkrankungen und Mehrfacherkrankungen, bestehende Fehl-, Über- und Unterversorgung, Notwendigkeit, mit begrenzten Mitteln das bestmögliche Ergebnis zu erzielen - müssen Abschottung und Abgrenzung zwischen den einzelnen Sektoren überwunden werden.
Wenn man sich vor Augen hält, dass gerade die chronischen Krankheiten (z. B. Diabetes, Brustkrebs oder Bluthochdruck) ein ideales Feld für die integrierte Versorgung sind, wird eindrucksvoll deutlich, welches finanzielle Volumen auch bezogen auf die Arzneimittelverordnungen in diesen integrierten Verträgen abgebildet werden kann. Es ist zu erwarten, dass integrierte Versorgungsangebote bei Versicherten, Patientinnen und Patienten und bei den Leistungsanbietern – unter Beteiligung der Apotheken – auf eine große Akzeptanz stoßen und auch die Patientenversorgung deutlich verbessern werden.
Alles in allem bietet das GKV-Modernisierungsgesetz die Chance für Apothekerinnen und Apotheker, ihren spezifischen Sachverstand in neue Versorgungsformen einzubringen. Auch finanziell kann eine solche Beteiligung lohnend sein, wenn über ein entsprechendes Umsatzvolumen und günstige Einkaufspreise zusätzliche Erträge erwirtschaftet werden können.
Die Gesundheitsreform ist mehr als ein kurzfristig wirkendes Stabilisierungsgesetz, das durch veränderte Zuzahlungen und Leistungsbegrenzungen die Beitragssätze in den Griff bekommen möchte. Es war vielmehr Ziel der Politik, mit dem Gesetz den Grundstein für veränderte Vertrags- und Versorgungsstrukturen zu legen. Es eröffnet deshalb den Leistungserbringern und Krankenkassen neue Gestaltungsmöglichkeiten und den Versicherten und Patienten neue Wahlmöglichkeiten. Welche das sind, erläutert Gerald Gaß, Abteilungsleiter im Gesundheitsministerium Rheinland-Pfalz.
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