Glossar

H. J. RothAzubimab und Amibib – Betrachtungen

Was waren das für kreative Zeiten, als ein hochwertiges Automobil nach einer jungen, attraktiven Frau namens Mercedes und der Prototyp hochwirksamer Schlafmittel romantisch verklärt nach einer Barbara benannt wurden! Später gab es immer wieder interessante Aspekte bei der Namengebung von Arzneimitteln, die aus den Bereichen der Mythologie, der Religion, der Geografie, der Dichtung, Musik und Bildenden Kunst bis hin zu Film und Fernsehen entnommen waren.

Betrachtungen zur Namengebung aktueller Arzneistoffe

Tabelle 1 enthält einige Belege für die Namengebung von Arzneimitteln in alphabetischer Reihenfolge. Dabei muss der Fantasie stets ein großer Freiraum gewährt werden, und es besteht auch kein Schutz vor Fehlinterpretationen. So haben beispielsweise die MAO-Hemmer nichts mit dem chinesischen Politiker zu tun, sondern mit der Monoaminoxidase, und der klangvolle Name Pyramidon stammt weder von der Cheops- noch von einer anderen Pyramide. Er stellt ein gekürztes Anagramm der systematischen Bezeichnung dar: Dimethylamino-phenyl-dimethyl-pyrazolon.

INN - generic names

In einer Zeit, in der die Fachfrau Ulla Schmidt versucht, das Gesundheitswesen in den Griff zu bekommen, und dem zementierten Irrglauben unterliegt, dass dabei die Arzneimittelpreise die wesentlichen Kosten verursachen - de facto sind es höchstens 15% -, gewinnen die Generika, die finanziell durch keine Entwicklungskosten belastet sind, wachsende Bedeutung. Sie haben oft keinen Spezialitätennamen (no names), sondern werden nur mit dem INN und dem Namen des Herstellers bezeichnet. Es bestehen somit keine Unterschiede mehr zwischen den Namen der Arzneistoffe und den Namen der Fertigarzneimittel. Apotheker und Ärzte müssen sich daher die INN zusätzlich zu den phonetisch meist leichter und angenehmer auszusprechenden Spezialitätennamen einprägen.

Was sind INN? International Nonproprietary Names, Internationale Freinamen, die seit über 50 Jahren von der WHO veröffentlicht werden. Eine synonyme Bezeichnung ist generic names, wovon sich der Begriff Generika für Arzneimittel ableitet, die nicht unter einem geschützten, registrierten Namen (Markenname, Warenzeichen, gekennzeichnet durch ® oder ™) gehandelt werden.

Wie kreiert man INN?

Für die Bildung der INN gelten einige Grundregeln:

  • Der Name soll in Schrift und Sprache unverwechselbar sein und auch nicht zu Verwechslungen mit anderen gebräuchlichen Namen führen.
  • Er soll so kurz wie möglich und nur so lang wie nötig sein.
  • Die Ähnlichkeit der pharmakologischen Wirkung der zu benennenden Stoffe soll durch einen gemeinsamen Wortstamm (stem, Kennsilbe), als Prä-, In- oder Suffix zum Ausdruck kommen.

In Tabelle 2 sind einige dieser Kennsilben aufgelistet.

Nun gelten die Grundregeln zur Bildung der internationalen Freinamen von Arzneistoffen nicht nur für niedermolekulare Wirkstoffe mit überschaubaren Strukturformeln, sondern auch für höhermolekulare Wirkstoffe wie regulatorische Peptide und Antikörper. So enden beispielsweise die INN von Enzymen auf ase, von Interleukinen auf kin, von vasokonstriktorischen Peptiden auf pressin, von kolonie-stimulierenden Faktoren auf stim, und schließlich werden die monoklonalen Antikörper durch das Suffix mab gekennzeichnet.

Die mab-Familie

Monoklonale Antikörper werden heute bei chronischen Entzündungen, zur Tumortherapie und zur Vermeidung von Abstoßungsreaktionen eingesetzt. Die WHO hat für Bildung ihrer INN einen gesonderten Anhang mit sub-stems publiziert (Annex 1, INN stems for monoclonal antibodies = mab). Danach werden die Namen aus vier Teilen komponiert (Tab. 3):

  • frei zu wählende Silbe oder Silbenkombination, die zur Unterscheidung von anderen mabs und zur Erzielung eines Wohlklangs dient (to contribute to a euphonius and distinctive name) (I. A,B);
  • Silbe aus zwei oder auch drei Buchstaben, die sich auf die Krankheitserreger, die Krankheit oder (bei Tumoren) auf das Zielgewebe im Körper bezieht (II. C,D);
  • ein oder zwei Buchstaben, welche die Herkunft des Antikörpers definieren (III);
  • Kennsilbe mab (IV).

Technisch darstellbar und in klinischer Testung sind derzeit circa 70 monoklonale Antikörper, wovon etwa ein Dutzend im aktuell anwendbaren Arzneischatz zu finden ist. Was sich sprachlich ergibt, ist ein die Ohren beleidigender Silbensalat. Sieht man ab von dem 6-silbigen A-to-ro-li-mu-mab und dem unzweckmäßig formulierten Vi-si-lu-zu-mab, so bleiben die in der Tabelle 4 aufgeführten Disphoniker.

Wir wollen zwei Beispiele interpretieren:

  • Abciximab ist ein chimärer (xi) monoklonaler Antikörper (mab) zur Behandlung einer kardiovaskulären Erkrankung (ci).
  • Alemtuzumab ist ein humanisierter (zu), zur Tumorbehandlung verwendeter (tu) monoklonaler Antikörper (mab).

Beim ersten Beispiel bleibt als euphonisches Modul die Silbe Ab und beim zweiten das Silbenpaar A-lem übrig.

Ein Verbesserungsvorschlag

Wenn schon zwei bis drei beliebige Präfixe erlaubt sind, so könnten diese doch für weitere Informationen Verwendung finden. Ich schlage vor, dass die erste Silbe den Hersteller und die zweite das Herstellungsland benennt. Der Produzent erhält von der WHO einen Buchstaben des Alphabets zugeteilt in Form der ersten beiden Buchstaben von Anton-Berta-Cäsar. Es wird ja wohl nicht mehr als 24 mab-Hersteller in einem Land geben! Die zweite Silbe ist die aus zwei Buchstaben bestehende Abkürzung des Ländernamens, ähnlich wie es bei der Bildung von E-Mail-Adressen geschieht.

Nehmen wir an, Abciximab würde vom Hersteller A in Deutschland produziert. Dann hieße es Andeciximab. Klingt doch auch nicht schlechter! Oder Alemtuzumab würde in Dänemark vom Hersteller B geliefert. Es hieße dann Bedatuzumab. Klingt besser!

-mib -nib -tid -xib

Zungenbrecherische Silbensalate sind auch für die Bezeichnung anderer regulatorischer Polypeptide in Mode gekommen (Tab. 5). Sogar bei den INN niedermolekularer neuer Wirkstoffe nimmt man eine Distorsion der Zunge in Kauf (Tab. 6).

Notabene

Der Begriff Amibib stand in den Badischen Neuesten Nachrichten vom 16. Juli 2004. Gemeint war die Amerikanische Bibliothek, Karlsruhe, Kanalweg 52. Der monoklonale Antikörper Azubimab muss noch, ebenso wie der aus Mexiko stammende Montezumab, erheblich weiter entwickelt werden, bevor beide die Hürden der klinischen Prüfungen nehmen können.

Wenn Sie, geneigter Leser, weitere Informationen über die Herkunft der Arzneimittelnamen oder der INN erhalten möchten, empfehle ich Ihnen die Lektüre der ausführlichen, kulturgeschichtlich interessanten, trotz ihrer Länge kurzweiligen Artikelserie Woher kommen die Namen für unsere Arzneimittel? von Heinrich P. Koch, die 1990 in der ÖAZ erschienen ist, oder den vorbildlichen Aufsatz Was internationale Freinamen aussagen von F. Bracher und F. Dombeck, erschienen in der PZ 45/2002, Seite 4290 4298.

Die Namen der meisten Arzneimittel wecken weder Assoziationen zum Wirkstoff noch zu den Krankheiten, für deren Therapie sie indiziert sind. Stattdessen beziehen sich einige auf mythologische oder historische Gestalten, auf Orte oder auf die Musik und andere Künste. Bei der Namengebung ist viel Fantasie im Spiel, doch sind bei den internationalen Freinamen (INN) einige Grundregeln zu beachten. So verweisen alle monoklonalen Antikörper mit zwei Silben auf ihre Herkunft und ihre Indikation und enden auf "mab". So entsteht mancher disphonische Silbensalat, meint Professor H. J. Roth.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.