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Arzneimittel und Therapie
Johanniskrautextrakt: Mögliche Wechselwirkungen beachten
Als Hauptursache für diese Interaktion wird vor allem die Induktion des Cytochrom P450-Isoenzyms CYP3A4 sowie des membranständigen Transportproteins P-Glykoprotein betrachtet. Nach derzeitigem Erkenntnisstand sind dafür (wie auch für die antidepressive Wirkung) verschiedene Johanniskraut-Inhaltsstoffe (Hyperforin, Hypericin, Biapigenin, Flavonoide) verantwortlich.
Interaktionspotenzial bestätigt
Über CYP3A4 werden ca. 50% aller oxidativ metabolisierten Arzneistoffe verstoffwechselt. Die klinische Relevanz theoretisch möglicher Interaktionen ist jedoch noch nicht hinreichend gesichert. Mehr Klarheit diesbezüglich erhofften sich die Autoren eines systematischen Reviews über 22 bis April 2004 abgeschlossene prospektive klinische Studien, die pharmakokinetische Effekte von Johanniskraut auf den Metabolismus verschiedener Arzneistoffe untersucht hatten.
Das Ausmaß der Interaktion wurde angegeben durch die prozentuale Änderung der AUC des jeweiligen Arzneistoffs vor und nach der Einnahme von Johannikrautextrakt. Bei den meisten Arzneistoffen lag die mittlere Reduktion der Bioverfügbarkeit über 20%, bei drei Studien unter 20%, in einer Studie zeigte sich im Mittel keine Reduktion der Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve (AUC) des Arzneistoffs nach der Einnahme von Johanniskraut (siehe Tabelle).
Tab. 1: Arzneistoffe, die bezüglich ihres Interaktionspotenzials mit Johanniskrautextrakt untersucht wurden.
Arzneistoffe mit > 20%iger Reduktion der AUC bei gleichzeitiger Johanniskraut-Einnahme |
Alprazolam Amitriptylin Cyclosporin A Dextromethorphan Digoxin Indinavir Irinotecan 3-Ketodesogestrel Midazolam Omeprazol Simvastatin Tacrolimus Warfarin |
Arzneistoffe mit < 20%iger Reduktion der AUC bei gleichzeitiger Johanniskraut-Einnahme |
Fexofenadin Pravastatin Theophyllin |
Arzneistoffe ohne signifikante Reduktion der AUC bei gleichzeitiger Johanniskraut-Einnahme |
Carbamazepin |
Studiendesign in der Kritik
Im Vergleich zu früheren derartigen Reviews wurde hier erstmalig auch die methodologische Qualität der Studien ausgewertet, welche sehr inhomogen war. Die Autoren kritisierten vor allem, dass anerkannte Standards für wissenschaftliche Studien (Randomisierung, Verblindung, Mitführen einer Kontrollgruppe) in den meisten Fällen nicht berücksichtigt wurden: in 18 Studien war keine Kontrollgruppe vorhanden, nur drei Studien waren randomisiert, eine Plazebogruppe gab es nur in drei Untersuchungen. Die Studien hatten eine geringe Teilnehmerzahl von durchschnittlich 12 Probanden.
Auszug aus der Fachinformation Crixivan®
"Die gemeinsame Anwendung von Indinavir und pflanzlichen Präparaten, die Johanniskraut (Hypericum perforatum) enthalten, führte dazu, dass der Plasmaspiegel von Indinavir erheblich, nämlich auf 20% im Vergleich zu der Plasmakonzentration bei Einnahme von Indinavir allein verringert wurde. Dieser Effekt beruht auf einer von Johanniskraut verursachten Induktion der Arzneimittel-metabolisierenden Enzyme und/oder der Transportproteine. Daher dürfen pflanzliche Präparate, die Johanniskraut enthalten, nicht gleichzeitig mit Crixivan® angewendet werden. ... Die Induktionswirkung von Johanniskraut kann bis zu 2 Wochen nach Absetzen der Behandlung mit Johanniskraut anhalten."
Quelle
Fachinformation Crixivan® Hartkapseln, MSD Sharp & Dohme GmbH, Stand Januar 2004.
Die Mehrzahl der Studien wurde mit gesunden Freiwilligen durchgeführt, in fünf Studien wurden jedoch Patienten aufgenommen, denen die Medikamente aus gesundheitlichen Gründen verabreicht worden waren. Negativ fiel außerdem auf, dass das Johanniskraut-Präparat jeweils nur über eine relativ kurze Zeit (durchschnittlich 17 Tage, Range 3 bis 56 Tage) eingenommen worden war. Nur 15 von 22 Studien enthielten Aussagen zum Gehalt der Johanniskraut-Präparate, der sich demnach nicht vergleichen lässt.
Weitere Studien gefordert
Die Ergebnisse des Reviews bekräftigen erneut, dass Johanniskraut die Bioverfügbarkeit vieler gleichzeitig eingenommener Arzneistoffe beeinträchtigen kann. Für quantitative Aussagen, die tatsächlich in der klinischen Praxis (z. B. für Dosisanpassungen) hilfreich sein könnten, sind nach Ansicht der Autoren weitere Untersuchungen dringend notwendig.
Beratung in der Apotheke
- Vor Abgabe eines Johanniskraut-Präparats sollte die sonstige Medikation des Patienten, falls nicht bekannt, unbedingt erfragt werden.
- Bei vielen Kontrazeptiva ist in der Gebrauchs- oder Fachinformation bereits der Hinweis enthalten, dass die gleichzeitige Einnahme von Johanniskraut die empfängnisverhütende Wirkung beeinträchtigen kann.
- Bei einigen Arzneistoffen (z. B. Cyclosporin A, Indinavir) besteht bereits eine klare Kontraindikation (siehe Fach- bzw. Gebrauchsinformation).
Dr. Claudia Bruhn, Berlin
Quelle
Mills, E., et al.: Interaction of St. John’s wort with conventional drugs: systematic review of clinical trials. Brit. Med. J., 329, 27–30 (2004).
Wurglics, M., et al.: Aktuelle Johanniskrautforschung: Vom Wirkungsmechanismus bis zur pharmazeutischen Qualität der Präparate. Dtsch. Apoth. Ztg., 10, 67–95 (2002).
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