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Sozialministerium: Wirbel um Reform der Pflegeversicherung
Die Ankündigung des Kanzlers, die Reformpläne von Bundessozialministerin Ulla Schmidt einzukassieren, hatte für einigen Wirbel gesorgt. Schmidt hatte geplant, die Beiträge zur Pflegeversicherung für all jene um 2,50 Euro zu erhöhen, die keine oder keine Kinder mehr erziehen. Damit sollte die Forderung des Bundesverfassungsgerichts erfüllt werden, Erziehende in der Pflegeversicherung zu entlasten. Doch Schröder will den Bundesbürgern offenbar nicht mehr allzu viel zumuten – die Grenze der Belastbarkeit sei erreicht, wurde der Kanzler zitiert. Er möchte die Vorgaben aus Karlsruhe anders umgesetzt wissen.
Die jetzt noch bestehende gesetzliche Regelung ist mit den Grundrechten nicht vereinbar und muss bis Ende 2004 durch eine neue ersetzt werden. Wie die erforderliche relative Entlastung der kindererziehenden Beitragszahler vorgenommen werde, könne der Gesetzgeber im Rahmen seines Spielraums selbst entscheiden, so die Karlsruher Richter in ihrem Urteil aus dem April 2001. Die Entlastung müsse aber den Eltern während der Zeit zugute kommen, in der sie Kinder betreuen und erziehen.
Koalition: Reformen noch in dieser Legislaturperiode
Nachdem die Opposition, der kleine Koalitionspartner und auch SPD-Politiker irritiert auf den Rückzug des Kanzler reagierten, wurde am 30. Januar ein Treffen Schröders mit den Fraktionsspitzen der Koalition anberaumt. In diesem wurde eine schrittweise Vorgehensweise vereinbart. Zunächst – das heißt noch in diesem Jahr – gehe es um die Entlastung der aktiv Erziehenden bei den Beiträgen.
Anschließend stünden – noch in dieser Legislaturperiode – Verbesserungen für Demenzkranke, die Stärkung der ambulanten häuslichen Pflege und die Dynamisierung der Leistungen sowie Veränderungen bei den Pflegestufen auf dem Plan, erläuterte im Anschluss des Gesprächs Regierungssprecher Bela Anda. Weitere Fragen und Einzelheiten sollen nun in Gesprächen mit Verbänden, der zuständigen Gruppe aus den Fraktionen und Finanzexperten erörtert werden. Anda betonte jedoch, es gehe "Gründlichkeit vor Schnelligkeit". Konkrete Terminpläne für das Vorhaben gebe es noch nicht.
Aktuelle Stunde auf Antrag der Union
Auf Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion fand am 30. Januar im Bundestag eine aktuelle Stunde zum Thema Pflegeversicherung statt. Der Fraktionsvize der Unions-Bundestagsfraktion Horst Seehofer sagte, ein Stopp der Pflegereform sei ein "fatales Signal". Deutschland könne im Moment alles vertragen, nur keinen politischen Stillstand, so der CSU-Politiker. Er warf der Bundesregierung vor, schon drei Jahre mit der Umsetzung der Vorgaben aus Karlsruhe zu warten – aus wahltaktischen Gründen.
Auch jetzt seien es offenbar die anstehenden Landtagswahlen, die Schröder zu seinem Rückzug bewegten. Seehofer mahnte an, eine Besserstellung von Kindererziehenden schnell zu beschließen. Zudem seien leistungsrechtliche Verbesserungen für Demenzkranke zu schaffen und die Pflegesätze für die ambulanten Stationen zu erhöhen.
Schmidt ist zuversichtlich ...
Schmidt bestätigte anschließend, dass die Reform noch in dieser Legislaturperiode erfolgen werde. Sie sagte, über die konkrete Umsetzung des Urteils könne man reden. Sie zeigte sich überzeugt, dass man im Dialog miteinander einen gangbaren Weg finden könne. Deshalb sollen Gespräche mit Verbänden der Beteiligten und Akteuren im Bereich der Pflege sowie Experten geführt werden.
An Seehofers Adresse gerichtet, sagte sie, es wäre redlich gewesen, wenn man schon bei der Einführung der Pflegeversicherung an eine nötig werdende Dynamisierung der Beiträge gedacht hätte. Spätestens jetzt sei die Zeit gekommen, eine Dynamisierung des auf 1,7 Prozent gedeckelten Beitragssatzes vorzunehmen, so die Ministerin.
... doch noch ist eine Lösung nicht in Sicht
Noch gibt es keine einheitliche Meinung, wie das Bundesverfassungsurteil umzusetzen ist: Im Gespräch ist ein monatlicher Freibetrag von 50 Euro für Erziehende – das würde die Betroffenen allerdings nur um 43 Cent entlasten. "Das wäre eine Lachnummer" sagte die SPD-Fraktionsvize Gudrun Schaich-Walch.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering schlug hingegen vor, einen Beitragszuschuss für Eltern aus den Rücklagen der Pflegeversicherung zu finanzieren. Der Sozialexperte der Union, Andreas Storm, fordert dagegen einen monatlichen Bonus von zehn Euro pro Kind. Die dafür notwendigen zusätzlichen 1,6 Mrd. Euro sollten aus dem Bundeshaushalt kommen – woher genau ließ Storm offen.
650 Mio. Euro Defizit in der Pflegekasse
Bei allem Streit scheint eine Reform, die für mehr Geld in der Pflegekasse sorgt, kaum noch aufschiebbar: Wie der Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) am 2. Februar mitteilte, wird das Defizit der Pflegeversicherung 2003 voraussichtlich auf etwa 650 Mio. Euro gestiegen sein. Im Jahr 2002 hatte die Pflegekasse noch mit einem Minus von 380 Millionen Euro abgeschlossen. Die endgültigen Zahlen für das vergangene Jahr sollen aber erst Ende März vorgelegt werden.
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