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- AZ 11/2005
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Kommentar
Die Kartenleger
Die weltgrößte Computermesse CeBIT, die derzeit in Hannover läuft, beflügelt nicht nur die Prognosen der IT-Wirtschaft, sondern auch die Zukunftspläne der eCard-Strategen der Bundesregierung. Sie setzen alles auf eine, genauer auf mehrere dieser kleinen Chip-Plastikkarten, die uns und der Verwaltung das Leben erleichtern und alles entbürokratisieren sollen, so die Versprechen. Flaggschiff ist die eCard fürs Gesundheitswesen, im Schlepptau sollen der elektronische Personalausweis, die Jobcard und die Elster-Karte fürs Finanzamt folgen. Vollmundige Versprechen, die uns da im eCard- und Elektronikrausch von der Berliner Regierung schmackhaft gemacht werden. Elektronische Dienstleistungen sollen auf einem hohen Datenschutzniveau kostengünstig, sicher und einfach zur Verfügung gestellt werden. Das sollte man erst einmal nicht unbesehen glauben. Nach den Erfahrungen bei der Einführung mit Toll Collect und den ersten Erlebnissen damit in diesem Jahr (z. B. ungenügende Kontrollen) dürfte noch einiges an elektronischen Pleiten, Pech und Pannen auf uns zukommen. Allein im Bereich der Gesundheitskarte, den wir bisher wohl am besten überblicken, zeigt sich, dass wir von einer bundesweit funktionierenden Karte und reibungslosen Abläufen einige Monate (Jahre?) entfernt sind. Nach wie vor zeigt sich die Bundesgesundheitsministerin, unsere Oberkartenlegerin, aber sicher, dass die Gesundheitskarte ab Januar 2006 an den Start gehen kann, mag sein in einer überschaubaren Mikro-Testregion, aber nie und nimmer bundesweit. Insider sprechen von zahlreichen ungeklärten Datenschutzaspekten, nach wie vor gibt's Gerangel, wer welchen Anspruch auf die gespeicherten Daten hat und überhaupt: Die Ausstattung aller Leistungserbringer mit Soft- und Hardware und der Patienten mit den Karten wird noch auf sich warten lassen. Und, da alles freiwillig ist, wird nicht jeder Bürger einwilligen, auf der Gesundheitskarte seine Daten abspeichern zu lassen. Massive Bedenken regen sich bereits von Seiten der Datenschützer auch gegen den digitalen Personalausweis, dessen Einführung ebenfalls mit Nachdruck von der Bundesregierung verfolgt wird. Mir kommen bei einem solchen Szenario der vernetzbaren eCards Erinnerungen an den Roman "1984" auf, an Begriffe wie Überwachungsstaat und den gläsernen Bürger und Patienten.
Peter Ditzel
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