- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 12/2005
- Hormontherapie für
Fortbildung
Hormontherapie für Frauen
Hormontherapie in den Wechseljahren
Wie Dr. med. Friederike Perl, niedergelassene Gynäkologin in Stuttgart, ausführte, haben männliche Ärzte zuerst behauptet, dass die nachlassende Hormonproduktion bei Frauen in der Menopause nicht gesund und daher therapiebedürftig sei. Der Hormontherapie wurde später nach den Ergebnissen der Nurses' Health Study, einer sehr großen Beobachtungsstudie, eine kardiovaskuläre Schutzwirkung unterstellt. In dieser Studie war auch die Gesamtmortalität unter der Hormontherapie geringer, doch traten Brustkrebs und Suizide häufiger auf, letzteres möglicherweise weil psychische Erkrankungen wie Depressionen ausschließlich hormonell behandelt wurden.
Im Gegensatz zu dieser Beobachtungsstudie ergaben 40 randomisierte kontrollierte klinische Studien teilweise ein anderes Bild der Hormontherapie. 28 dieser Studien mit insgesamt 38.500 Patientinnen wurden in einer aktuellen Metaanalyse zum Schlaganfallrisiko ausgewertet (Bath and Gray: Br Med J, 12. 2. 2005). Nur in zwei dieser Studien (n = 27.300) wurde ein erhöhtes relatives Risiko (Odds-Ratio 1,3) festgestellt. Das absolute Risiko, ausgedrückt als Number needed to harm, lag für eine Hormontherapie bei 147, das heißt, es tritt bei 147 behandelten Patientinnen ein zusätzlicher Schlaganfall auf. Ohne eine solche Therapie liegt die Häufigkeit bei drei Schlaganfällen pro 147 Patientinnen.
Damit besteht aus heutiger Evidenz-basierter Sicht kein Anlass, die Hormontherapie zur Behandlung von typischen Wechseljahrsbeschwerden zu verdammen. Doch sollten die Hormone nicht länger als drei bis fünf Jahre gegeben und so niedrig wie möglich dosiert werden. In der Praxis ist zur schnellen Linderung der Beschwerden eine absteigende Dosierung üblich. Raucherinnen sollten das Zigarettenrauchen aufgeben.
Eine gezielte, begrenzte und individuell abgestimmte Hormontherapie sei durchaus sinnvoll, die Entscheidung sollte nach einer Beratung in Abstimmung mit der Patientin getroffen werden, so Dr. Perl. Als Alternative bieten sich Phytopharmaka an. Sehr viele Patientinnen sind zu einem Therapieversuch mit pflanzlichen Wirkstoffen bereit oder wünschen diesen ausdrücklich.
Nicht sinnvoll ist dagegen die langjährige Einnahme von Hormonen, um sich vor kardiovaskulären Ereignissen oder Osteoporose zu schützen. Werden 10.000 Frauen zwischen 60 und 70 Jahren ein Jahr lang mit Hormonen behandelt, häufen sich Thromboembolien/Schlaganfälle (+ 5), Cholezystektomien (+ 25) und Mammakarzinome (0 bis + 6). Bei mehr als fünfjähriger Hormontherapie kommen 54 Cholezystektomien und 10 bis 15 Mammakarzinome hinzu; dagegen verringern sich Hüft-, Unterarm- und Wirbelfrakturen (– 9, – 38, – 57) und Darmkrebs (– 4).
Gesundheitsrisiken durch orale Kontrazeptiva
Die Leipziger Pharmakologin Prof. Dr. Karen Nieber befasste sich mit den Neben- und Wechselwirkungen von oralen Kontrazeptiva. Insgesamt verhüten etwa 9,1 Millionen Frauen in Deutschland, davon wenden 6,6 Millionen die orale Kontrazeption als nach wie vor sicherste Methode an. Generell sinken und steigen die gesundheitlichen Risiken der "Pille" mit der Östrogendosis:
- Das thromboembolische Risiko ist bei niedrigen Östrogen-Dosen (bis 35 µg) gering (2 bis 4 Fälle pro 10.000 Frauenjahren). Eine Risikogruppe bilden jedoch Frauen mit Blutgerinnungsstörungen.
- Ein kardiovaskuläres Risiko besteht für Frauen unter 35 Jahren ohne spezielle Risikofaktoren nicht (Ausnahme: Anwendung von Dreimonatsspritzen). Frauen über 35 sollten Präparate mit einem Östrogen-Gehalt von maximal 35 µg verwenden. Zigarettenrauchen in Kombination mit oralen Kontrazeptiva erhöht die kardiovaskuläre Sterblichkeit, bei mehr als 15 Zigaretten pro Tag sogar um 114%.
- Das Risiko für einen hämorrhagischen Schlaganfall ist bei Frauen unter 35 Jahren ebenfalls nicht erhöht, jedoch bei älteren Frauen.
- Das Brustkrebsrisiko ist nach einer Metaanalyse von 1996 leicht erhöht, wenn in den letzten zehn Jahren orale Kontrazeptiva eingenommen wurden. Dem widerspricht jedoch eine Studie aus dem Jahr 2002: Hier war das Risiko unabhängig von Einnahmedauer und Dosis unverändert.
- Auch das Osteoporoserisiko ist – entgegen anders lautenden Berichten in der Laienpresse – nicht erhöht; vermutet wird eine Abnahme der Knochendichte nur bei Dreimonatsspritzen. Dagegen können orale Kontrazeptiva bei stark schwankender natürlicher Hormonproduktion sogar die Knochendichte erhöhen.
- Ob orale Kontrazeptiva das Risiko für ein Zervixkarzinom erhöhen, ist umstritten.
Zwischen oralen Kontrazeptiva und verschiedenen Arzneimittelgruppen wie Antiepileptika, einigen Psychopharmaka, Analgetika, Antimykotika, Antibiotika und Antihistaminika treten Interaktionen auf. Während einer Antibiotika-Therapie sowie bis 14 Tage danach sind hormonelle Kontrazeptiva kontraindiziert. Johanniskraut-Präparate mit einem Hypericin-Gehalt über 0,3% beschleunigen den Abbau der Kontrazeptiva und verringern ihre Wirkung.
Notfallverhütung mit Levonorgestrel
Dr. med. Marion Janke, Stuttgart, sprach sich als Vertreterin von Pro Familia für die beratungspflichtige, aber rezeptfreie Abgabe der "Pille danach" für die Notfallverhütung aus. Die Präparate enthalten 750 µg Levonorgestrel (Levogynon®, duofem®). Sie hemmen oder verschieben die Ovulation; weitere Mechanismen wie eine Störung der Nidation und des Eitransports werden diskutiert. Jedenfalls handelt es sich nicht um einen medikamentösen (Mifegyne®) Schwangerschaftsabbruch.
Positive Erfahrungen im europäischen Ausland zeigen, dass es keine medizinischen Gründe gegen die Rezeptfreiheit der "Pille danach" gibt. Die unerwünschten Wirkungen sind generell leicht bis mäßig und vorübergehend. Beispielsweise sind in Frankreich in den vier Jahren seit der Freigabe weder unerwartete Nebenwirkungen aufgetreten, noch hat die reguläre Verhütung abgenommen.
Anwenderinnen der "Pille danach" sind – entgegen einiger Erwartungen – nicht nur junge Mädchen, sondern auch viele ältere Frauen. In einer Umfrage in Finnland nannten sie u.a. folgende Gründe: Versagen des Kondoms (34%), Einnahme der Pille vergessen (19%), Coitus interruptus misslungen (4%). Junge Mädchen zwischen 14 und 20 Jahren verhüteten zu etwa 80% regulär; am häufigsten fehlte ein Empfängnisschutz beim ersten Geschlechtsverkehr.
Den meisten Frauen ist die Möglichkeit der postkoitalen Verhütung bekannt, über das Zeitfenster für die Einnahme oder die praktische Beschaffung des Medikaments wissen jedoch nur wenige Bescheid. Bei einer Einnahme innerhalb von 24 h beträgt die Erfolgsrate schätzungsweise 95%, bei einer Einnahme nach 48 bis 72 h dagegen nur etwa 58%. Der Einnahmemodus ist wichtig: Die Tabletten dürfen nicht auf nüchternen Magen genommen werden; es sind zwei Tabletten im Abstand von 12 h oder 1 x 2 Tabletten zu nehmen. Die Anwendung sollte möglichst nur einmal während eines Menstruationszyklus erfolgen.
Die häufigste Nebenwirkung ist Übelkeit (23%), gefolgt von Unterleibschmerzen (18%), Müdigkeit (17%) und Kopfschmerzen (17%). Zu Erbrechen kommt es eher selten (6%), in diesem Fall sollte die Einnahme wiederholt werden. Stillende Mütter sollten kurz vor der Einnahme stillen und danach 6 h pausieren. Eine Verschiebung der Menstruation tritt bei etwa 40% der Anwenderinnen auf, meist später als üblich, bei 15% jedoch früher. Nach Anwendung der "Pille danach" ist im restlichen Menstruationszyklus weiterhin eine reguläre Verhütung notwendig, was nicht allen Frauen bewusst ist.
Quelle
Gemeinsame Veranstaltung des Deutschen Pharmazeutinnen Verbandes (dpv) und des Deutschen Ärztinnenbundes am 12. März 2005 im Diakonie-Klinikum in Stuttgart.
Weitere Informationen unter www.pharmazeutinnen.de
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.