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Arzneimittel und Therapie
Neue Risikogebiete hinzugekommen
Im Jahr 2004 wurden insgesamt 274 Erkrankungsfälle an der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) gemeldet, die der gültigen Falldefinition des RKI entsprachen (zum Vergleich: 2003: 276 FSME-Fälle). Bei 254 Fällen konnte der Infektionsort zugeordnet werden. Von diesen hatten sich in Baden-Württemberg 122 (48,0%) der Fälle infiziert, in Bayern 99 (39%) und in Hessen 22 (9%). Die restlichen 4% der Fälle infizierten sich in Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen (jeweils zwei Fälle) sowie in Niedersachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern (jeweils ein Fall).
Risikogebiete wurden aufgrund dieser Daten wie in den Vorjahren in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Thüringen und Rheinland-Pfalz definiert. Von 270 Erkrankungen mit Angaben zum Infektionsland wurden 9 (3%) vermutlich im Ausland erworben (drei Fälle in Österreich, zwei Fälle in der Tschechischen Republik, jeweils ein Fall in Dänemark, Polen, der Schweiz und Weißrussland).
Aktuelle Änderungen im Jahr 2004
Alle bisher als FSME-Risikogebiet ausgewiesenen Kreise bleiben weiterhin bestehen mit der Ausnahme des Landkreises (LK) Neuburg-Schrobenhausen. Dieser Landkreis war allein aufgrund von vier im Jahr 1984 aufgetretenen FSME-Fällen als Risikogebiet eingestuft worden.
Neue FSME-Risikogebiete sind in Bayern der LK Neu-Ulm, der LK Schweinfurt, der LK Wunsiedel im Fichtelgebirge, der Stadtkreis (SK) Amberg, der SK Schwabach und der SK Würzburg; in Baden-Württemberg der SK Heidelberg; in Hessen der LK Offenbach. Diese neu ausgewiesenen Kreise grenzen mit zwei Ausnahmen an bekannte FSME-Risikogebiete. Alle neuen Risikogebiete wurden auf der Grundlage des Auftretens von zwei oder mehr Fällen im Jahr 2004 definiert.
Insgesamt wurden im Jahr 2004 90 Kreise als FSME-Risikogebiete ausgewiesen:
- 31 Kreise in Baden-Württemberg (1 weiterer Kreis),
- 50 Kreise in Bayern (6 weitere Kreise, 1 Kreis entfällt),
- 5 Kreise in Hessen (1 weiterer Kreis),
- 3 Kreise in Thüringen (unverändert) und
- 1 Kreis in Rheinland-Pfalz (unverändert).
Die für das Jahr 2004 erhobenen Daten bestätigen erneut die Existenz größerer, weitgehend zusammenhängender FSME-Naturherde im Süden Deutschlands, vor allem in Baden-Württemberg und Bayern. Das dort bestehende erhöhte Infektionsrisiko erfordert somit entsprechende präventive Maßnahmen. Trotz einiger bestätigter Erkrankungsfälle in den angrenzenden Bundesländern Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen in den letzten Jahren, die auch zur Deklaration einzelner Risikogebiete führten, gibt es für eine in Fachkreisen teilweise vermutete stärkere Ausweitung der bekannten Endemiegebiete nach wie vor keine ausreichende Bestätigung.
Allerdings besteht Veranlassung, die Surveillance der FSME weiter aktiv zu betreiben, denn im Jahr 2004 traten erstmalig einzelne Fälle in Bundesländern auf, in denen autochthone Fälle bislang nicht beschrieben wurden: In Mecklenburg-Vorpommern ein Fall im LK Mecklenburg-Strelitz, in Brandenburg ein Fall im LK Uckermark, in Sachsen-Anhalt ein Fall im Ohre-Kreis und ein Fall im SK Halle (Saale). Daher sollte auch in Gebieten, in denen die FSME nicht als endemisch gilt, bei entsprechender Symptomatik an diese Diagnose gedacht werden.
Schutz nach Immunisierung zeitlich begrenzt
Eine spezifische Therapie ist nicht verfügbar, daher geht es um eine primäre Prävention. Die Maßnahmen bestehen in der allgemeinen und individuellen Information und Aufklärung sowie individuellen Empfehlungen zur FSME-Schutzimpfung und zur Expositionsprophylaxe (vorbeugendes Verhalten, Kleidung, Repellents, postexpositionelle "Zeckenkontrolle"). In der Beratungspraxis sollten immer Art, Ausmaß und Dauer der Gefährdung sowie auch die Mobilität der Bewohner und Besucher der Risikogebiete berücksichtigt werden.
Die STIKO empfiehlt die FSME-Schutzimpfung für Personen, die in Risikogebieten wohnen oder arbeiten und dabei ein Zeckenstichrisiko haben und für Personen, die sich aus anderen Gründen in Risikogebieten aufhalten und dabei gegenüber Zecken exponiert sind. Bürger, die sich in ihrer Freizeit in Risikogebieten aufhalten und dort verhaltensbedingt das Risiko eines Zeckenstiches tragen, müssen als gefährdet gelten und sollten sich deshalb gegen FSME impfen lassen.
Jüngste Beobachtungen von FSME-Erkrankungen nach länger zurückliegender oder unvollständiger Impfung erinnern daran, dass ein zeitlich begrenzter Impfschutz (etwa für Urlauber) mindestens zwei Gaben des Impfstoffs, ein länger bestehender Impfschutz aber drei Impfstoffgaben erfordert und dass der Schutz nach vollständiger Immunisierung auf drei bis fünf Jahre begrenzt ist, so dass bei fortbestehendem Infektionsrisiko Boosterimpfungen notwendig werden.
Zum aktuellen Auftreten der FSME in Europa
Die FSME ist in mehreren europäischen Ländern eine wichtige Infektionskrankheit. In Europa werden bei hoher Dunkelziffer jährlich etwa 10.000 bis 12.000 klinische Fälle beim Menschen registriert. In Russland, der Tschechischen Republik, Litauen, Estland und Lettland kann man die Auswirkungen der FSME als dramatisch bezeichnen, aber auch für Österreich (ungeimpfte Touristen!), Deutschland, Polen und Ungarn besitzt die FSME eine nicht unerhebliche Bedeutung. Besonders zu beachten ist die FSME außerdem in Kroatien, Schweden, Finnland und der Slowakischen Republik.
Eine nur geringe Bedeutung hat die FSME in Italien, Griechenland, Norwegen und Dänemark. Auf der Iberischen Halbinsel, in den Beneluxstaaten, dem Vereinten Königreich und Irland kommt das FSME-Virus autochthon nicht vor. Zwischen 1974 und 2003 ist die FSME-Inzidenz in den meisten europäischen Ländern mit einem FSME-Vorkommen ganz unabhängig vom jeweiligen Risikoniveau deutlich angestiegen (in zehn europäischen Ländern durchschnittlich um das Vierfache). Eine Erhöhung der Inzidenz wurde speziell in der Tschechischen und in der Slowakischen Republik, in Polen, Litauen, aber auch in Deutschland berechnet. Diese Entwicklung ist aber nur zu einem Teil das Resultat einer echten Zunahme der FSME-Inzidenz.
Viele Faktoren, Klimaveränderung, biologische (ökologische) und nichtbiologische, beeinflussen das FSME-Vorkommen. Auch höhere Aufmerksamkeit und verbessertes Wissen, verbesserte Diagnostik, Reisetätigkeit, politische und damit einhergehende soziale Umwälzungen beeinflussen die Quantität und Qualität der epidemiologischen Daten. Einzig Österreich zeigt einen völlig entgegengesetzten Trend: Da die Bevölkerung zu durchschnittlich 90% gegen FSME geimpft ist, erkrankten in den letzten fünf Jahren (2000 bis 2004) pro Jahr im Durchschnitt lediglich noch 62 (ungeimpfte) Personen, während es von 1976 bis 1980 im jährlichen Durchschnitt 426 waren.
Die Grenzen der FSME-Risikogebiete sind einerseits in bestimmten Regionen über große Zeiträume stabil, andererseits aber auch kleineren und größeren Veränderungen unterworfen. Es sind neue FSME-Risikogebiete an der Küste der Südspitze Norwegens entstanden, eventuell auch in Mittel- und Südschweden bzw. es sind solche erst entdeckt worden. Besonders bemerkenswert sind aber die Schwankungen in der Inzidenz der FSME. In Schweden ist z. B. 2004 mit 160 Erkrankungsfällen die höchste jemals registrierte Anzahl erfasst worden, ebenso in der Schweiz (2004: 138 Fälle). Das höchste Risiko, in Europa an einer FSME zu erkranken, hat man in den baltischen Ländern. Hier scheint gegenwärtig Litauen Lettland den Rang des Landes mit den meisten registrierten Erkrankungsfällen abzulaufen.
Quelle:Epidemiologisches Bulletin Nr. 16, vom 22. April 2005, herausgegeben vom Robert Koch-Institut, Berlin. ck
Was ist ein FSME-Risikogebiet? Als FSME-Risikogebiete werden Endemiegebiete der FSME deklariert, in denen für Personen mit Zeckenexposition ein Erkrankungsrisiko besteht, das nach einer Übereinkunft der Experten präventive Maßnahmen für gegenüber Zecken exponierte Einwohner, Berufstätige oder Touristen begründet. Es gelten die Kreise als FSME-Risikogebiete, aus denen zwischen 1985 und 2004 innerhalb eines Jahres mindestens zwei oder innerhalb einer Fünf-Jahresperiode mindestens fünf FSME-Erkrankungen übermittelt wurden, die im Zusammenhang mit einer Zeckenexposition in dem betreffenden Kreis stehen (autochthone Fälle).
Als FSME-Hochrisikogebiete gelten diejenigen als Risikogebiete eingestuften Kreise, in denen in einer Fünf-Jahresperiode zwischen 1985 und 2004 mindestens 25 autochthon entstandene FSME-Erkrankungen beobachtet wurden. Für diese Kreise wird die Notwendigkeit präventiver Maßnahmen zusätzlich bekräftigt.
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