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DAZ aktuell
Kammergericht und EuGH im Mittelpunkt
Zu diesem Ergebnis war im Dezember letzten Jahres das Kammergericht Berlin in einem fulminanten Urteil gekommen. Und so überraschte es auch nicht, dass die Berliner Entscheidung im Mittelpunkt der Frankfurter Verhandlung stand.
Zur Erinnerung: Die Berliner Richter hatten Ende letzten Jahres in einem Urteil gegen den DocMorris-Mitbegründer Jacques Waterval festgestellt, dass die Standards im niederländischen Apothekenrecht nicht dem deutschen Sicherheitsniveau entsprechen und der grenzüberschreitende Versandhandel nach Deutschland deshalb illegal sei. Wir hatten – mit einigen kritischen Anmerkungen zur ABDA-internen Kommunikation – ausführlich über das Urteil berichtet, da in ihm grundlegende Ausführungen zum neuen, seit 1. Januar 2004 geltenden Versandhandelsrecht enthalten sind.
Die Begründung des Kammergerichts kann, und darin lag und liegt die Sprengkraft der Berliner Entscheidung, ohne weiteres auf alle niederländischen Versandapotheken übertragen werden. In Frankfurt wurde deutlich: Dies wird nunmehr auch von ABDA und DAV so gesehen. Die Berufsvertretungen messen dem Berliner Urteil inzwischen – und völlig zu Recht – die zentrale Bedeutung bei, die es verdient.
(Nur am Rande: Noch Anfang Februar hatte der ABDA-Gesamtvorstand festgestellt, dass man nur "unter dem Eindruck der Pressekampagne der DAZ zum Kammergerichtsurteil und deren Wirkung in der Berufsöffentlichkeit nicht darauf verzichten wolle, die wesentlichen Argumente des Kammergerichts in das Verfahren beim Landgericht Frankfurt einzuführen"...).
Mit dem Verlauf der Frankfurter Verhandlung zeigte sich der Prozessvertreter des Deutschen Apothekerverbandes, Rechtsanwalt Dr. Claudius Dechamps, denn auch sehr zufrieden. Während der DocMorris-Vertreter die seit 1. Januar 2004 geltenden deutschen Versandhandelsregelungen im Arzneimittel- und Apothekengesetz in Fundi-Manier abwechselnd für nicht anwendbar, europarechtswidrig und/oder verfassungswidrig erklärte (obgleich er sie an anderer Stelle als "Lex-DocMorris" bezeichnet hatte!), konnte sich Dechamps darauf beschränken, unter Hinweis auf das Kammergerichturteil den gesetzgeberischen Sinn der bestehenden Regelungen (Arzneimittelsicherheit und Verbraucherschutz) zu betonen.
Dabei schien er bei der Vorsitzenden Richterin und ihren beiden ehrenamtlichen Beisitzern auf durchaus offene Ohren zu stoßen. Gewichtig dürfte in diesem Zusammenhang auch sein, dass der Europäische Gerichtshof in seinem DocMorris-Urteil bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sogar absolute nationale Versandverbote für europarechtskonform erklärt hatte. Im Vergleich zu einem Totalverbot stellen die Vorgaben des deutschen Versandhandelsrechts in § 11a ApoG und § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG jedoch ein "milderes Mittel" dar, das deshalb nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen kann.
Auch die Annahme einer europarechtswidrigen Diskriminierung erscheint ausgeschlossen, da ausländische und inländische Apotheken gleichermaßen und unter denselben Voraussetzungen in der Lage sind, eine deutsche Versandhandelserlaubnis zu erlangen. Gewisse europarechtliche Zweifel äußerte das Gericht lediglich hinsichtlich einzelner Vorgaben des § 11a ApoG beim Versand nichtverschreibungspflichtiger Arzneimittel. Sind diese Vorgaben tatsächlich allesamt zum Schutze der Arzneimittelsicherheit und des Verbraucherschutzes notwendig und erforderlich?
Andererseits: Sind diese Einzelbetrachtungen für das anhängige Verfahren überhaupt relevant? Und: Hat bei der Ausgestaltung versandhandelsrechtlicher Regelungen der deutsche Gesetzgeber nicht einen beachtlichen (sicherheits)politischen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum, der dem Zugriff von Gerichten entzogen ist?
Ihre Entscheidung will die 11. Handelskammer des Landgerichts Frankfurt/Main am 26. August verkünden. Man darf gespannt sein. Wir werden berichten.
Christian Rotta
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