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DAZ aktuell
20 Mio. Euro für Impfstoffentwicklung
Am 17. Oktober wurde erstmals in der EU ein Fall von Vogelgrippe bekannt. Auf einer griechischen Insel wurde ein Truthahn mit Antikörpern gegen den Typ H5 ausgemacht. Ob es sich dabei um den gefährlichen H5N1-Virus handelt, stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest. Am selben Tage befasste sich auch der Bundestagsausschuss für Verbraucherschutz mit der Ausbreitung der Vogelgrippe in Deutschland und Europa. Dabei wurden die Abgeordneten von den Leitern des Friedrich-Löffler-Instituts, des Robert Koch-Instituts (RKI) und des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) sowie den Staatssekretären des Verbraucher- und Gesundheitsministeriums über die jüngsten Entwicklungen informiert. Im Anschluss bemühten sich Schmidt, Staatsekretär Klaus Theo Schröder, RKI-Präsident Reinhard Kurth und PEI-Präsident Johannes Löwer auch um eine sachliche Information der Medien.
Noch handelt es sich um eine Tierseuche
Schmidt betonte, dass es sich bei dem Virus nach wie vor um ein Tiervirus handle, das nur bei sehr engem Kontakt mit Menschen auf diese übertragbar sei. Bislang sind weltweit erst 121 Fälle bekannt, in denen das Virus auf den Menschen überging – 61 dieser Personen starben an der Infektion. Schröder versicherte, dass man die Situation sorgfältig beobachte. Mit dem bereits aufgestellten Pandemie-Plan sieht er Deutschland auf einem guten Weg.
Arzneimittelbevorratung noch unzureichend
Als erste Maßnahme des Pandemie-Planes ist vorgesehen, dass die Länder für 20 Prozent der Bevölkerung die Neuraminidasehemmer Oseltamivir (Tamiflu) und Zanamivir (Relenza) beschaffen – primär für Gesundheitsberufe, Polizei und Grenzpersonal. Derzeit sind allerdings erst für zehn Prozent der Bevölkerung Vorräte angelegt. Kurth betonte, dass diese Grippemittel zwar nicht den Ausbruch der Krankheit verhindern könnten. In Tierversuchen habe sich aber gezeigt, dass die Arzneimittel die Symptome und die Sterblichkeit reduzieren können. In Vietnam sei Tamiflu bereits systematisch eingesetzt worden und habe sich als "hilfreich erwiesen", so Kurth.
PEI erwartet Zulassung im Frühjahr 2006
Darüber hinaus stellt der Bund 20 Mio. Euro für die Impfstoff-Entwicklung zur Verfügung. Das PEI hat bereits ein Konzept entwickelt und arbeitet an einem Impfstoff für einen Prototyp des Virus. PEI-Präsident Löwer erklärte, er erwarte, dass der Zulassungsantrag für diesen Impfstoff noch in diesem Jahr gestellt werde. Die Zulassung selbst könnte dann voraussichtlich im Frühjahr erteilt werden. Wenn das gefürchtete mutierte Virus tatsächlich entstanden ist, muss dieser Prototyp entsprechend angepasst werden, erklärte Löwer. Ziel sei es, drei Monate nach Ausbruch einer Pandemie einen wirksamen Impfschutz zur Verfügung zu haben. Sechs Wochen nach dem Ausbruch soll die erste Impfung möglich sein, weitere sechs Wochen später die zweite – erst dann sei ein Schutz gegeben. Löwer betonte, dass Pandemien – so etwa auch die Spanische Grippe, die 1918 ausbrach – in Wellen um die Welt gehen. Erst die bei der zweiten oder dritten Welle Infizierten könnten von dem neuen Impfstoff profitieren.
Arbeit an Antigen-sparendem Impfstoff
160 Millionen Impfdosen sollen die beiden Impfstoffhersteller in Deutschland produzieren. Löwer erläuterte, wie dieses geschafft werden kann. Dazu wird der in Hühnereiern gezüchtete Impfstoff mit einem Adjuvans angereichert. Ziel ist es, einen Antigen-sparenden Impfstoff zu erhalten. Während bislang aus einem Ei lediglich eine Impfstoffdosis gewonnen werden konnte, soll das Adjuvans dafür sorgen, dass der Virus-Bestandteil reduziert werden kann und ein Ei somit mehrere wirksame Dosen hervorbringen kann.
Erste Welle einer Pandemie könnte 30 Prozent der Bevölkerung treffen
Kurth wies zudem darauf hin, dass das mutierte Virus, das von Mensch zu Mensch übertragbar ist, "mit hoher Wahrscheinlichkeit an Letalität einbüßen wird". Während die Sterblichkeitsrate gegenwärtig noch bei 50 Prozent liegt, zeige die Erfahrung mit anderen Pandemien, dass zumeist nur noch weniger als zwei Prozent der Infizierten an der Viruserkrankung sterben. Zunächst ist Kurth zufolge jedoch damit zu rechnen, dass im Falle des Ausbruchs einer Pandemie in der ersten Welle rund 30 Prozent der Bevölkerung infiziert werden.
Schweizer hamstern Tamiflu
(ral). Nicht nur in Deutschland führt die Angst vor der Vogelgrippe zu Panikreaktionen. Seit in der Schweiz bekannt geworden ist, dass Tamiflu nicht nur bei einer herkömmlichen Grippe, sondern auch bei einer Ansteckung mit dem Vogelgrippe-Virus wirksam sein könnte, ist der Absatz an Tamiflu dort raketenartig in die Höhe geschossen.
Der Run auf den Neuraminidasehemmer hat mittlerweile dazu geführt, dass die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) und der Schweizerische Apothekerverband ihre Mitglieder aufgefordert haben, das Roche-Medikament nicht prophylaktisch oder als private Reserve abzugeben. In einem gemeinsamen Schreiben heißt es, die Bevölkerung habe immer größere Schwierigkeiten, die Informationen zur Vogelgrippe richtig einzuordnen. Daraus resultiere eine wachsende Nachfrage nach Tamiflu, die jedoch sachlich unbegründet sei. "Es gibt derzeit in der Schweiz keinerlei Anlass, Tamiflu prophylaktisch oder als private Reserve zu verschreiben oder abzugeben", steht in dem im Internet unter www.pharmagate.ch abrufbaren Rundschreiben. Der Generalsekretär des Apothekerverbandes, Marcel Mesnil, sagte am Sonntag auf Anfrage der "Baseler Zeitung", es gehe darum, für Ärzte und Apotheker Klarheit zu schaffen und ihnen auch argumentativ Hilfe zu leisten. Sie stünden oft unter dem Druck der Kunden, die Tamiflu verlangten und die sie ja nicht verlieren wollten. Verschiedene Schweizer Medien berichteten zudem am Sonntag, das eigentlich rezeptpflichtige Tamiflu sei in den vergangenen Tagen auch ohne Verschreibung verkauft worden.
In einem Informationsblatt, das die Ärzte und Apotheker in ihren Praxen bzw. Offizinen auflegen sollen, richten sich FMH und Apothekerverband direkt an die Bevölkerung. Es sei völlig nutzlos, sich einen privaten Vorrat an Tamiflu anzulegen, heißt es dort.
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