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Pillen-Panik (Kommentar)
Die Panik ist mit Händen zu greifen, sie steht in den Gesichtern der Menschen geschrieben und lässt sie unglaubliche Dinge tun: Mehr als 150 Euro wollten Bieter im Internet jüngst für eine Zehnerpackung Tamiflu bezahlen – das Fünffache des normalen Apothekenabgabepreises. Weil die Panik zu Hysterie geworden ist und Angst den Leuten den Verstand raubt. Die Angst vor der Vogelgrippe – sie hat unser Land im Griff. Das Vogelgrippe-Virus ist in unseren Apotheken angekommen, wütet in Arztpraxen, vergiftet Zeitungsschlagzeilen und benebelt die Sinne. Meine Apothekerin um die Ecke berichtet von Hamsterkäufen und befürchtet bei Ausbruch der ersten herbstlichen Erkältungswelle einen Schwarzmarkt für Virustatika. Hersteller Roche zieht die Notbremse – Tamiflu gibt’s vorerst nur noch auf Anforderung, zu viele Hysteriker haben sich bereits mit dem Präparat eingedeckt. Im Falle einer Grippeepidemie gäbe es zu wenige Tabletten für die, die sie wirklich brauchen. Der bayerische Umweltminister sieht sich genötigt, eindringlich vor der sinnlosen und resistenzfördernden Einnahme des Mittels zu warnen. Ja haben die Deutschen denn alle einen Vogel?!
"Ausverkauft" steht aber z. B. auch an den Apotheken in Tschechien – auch dort Pillen-Panik wegen einer Berufskrankheit von Hühnerzüchtern und Entenschlachtern. Dass allenthalben auch Grippeimpfstoff knapp geworden ist, lässt sich noch auf der Habenseite registrieren: Je weniger Grippekranke im Lande, desto geringer die Chance für das Vogelgrippevirus, sich mit seinem menschlichen Pendant zu einem möglichen Supervirus zusammen zu tun. Die Pillen-Panik in Deutschland ist aber darüber hinaus eine Chance für uns Pharmazeuten. Nein, nicht zum Geld verdienen. Sondern eine Chance, uns einer hysterischen, halbwissenden Öffentlichkeit als besonnene Fachleute zu präsentieren. Wir können jetzt zeigen, wie man mit Kompetenz Panik vermeiden und Angst verringern kann. Nutzen wir diese Chance, es ist unsere Zeit!
Lutz Bäucker
Lutz Bäucker ist Apotheker und Redakteur beim Bayerischen Rundfunk, darüber hinaus freier Mitarbeiter der DAZ
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