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- AZ 27/2006
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Reform: GKV-Spitzenverbände fühlen sich übergangen
Warnung vor Systemwechsel
Wenige Tage vor den entscheidenden Beratungen der Koalitionsspitze über die Gesundheitsreform haben die GKV-Spitzenverbände vor einem Systemwechsel gewarnt. Mit den Vorschlägen für einen staatlichen Gesundheitsfonds, einer Regulierungsbehörde und eines Dachverbandes setze man auf "Staatsnähe statt auf Selbstverwaltung", kritisierte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes am 28. Juni in Berlin. Er beklagte, dass die Kommunikation mit der Politik derzeit still stehe und offenbar niemand auf die Warnungen höre. "Liegen die Eckpunkte erst einmal vor, so sind sie in Stein gemeißelt", sagte er. Auf das spätere Anhörungsverfahren gibt der AOK-Chef wenig: Dieses sei nur ein "Ritual, das nichts verändert, was schon feststeht".
Ahrens griff vor allem die im Fondsmodell vorgesehene "kleine Prämie" an, die Krankenkassen von ihren Versicherten erheben können sollen, wenn ihnen das aus dem Fonds zugewiesene Geld nicht ausreicht. Dies werde dazu führen, dass die Kassen in "archaische Zeiten" zurückfallen, als es darum ging "nur die Gesunden zu fischen". Zudem werde sich die "kleine Prämie" schon in wenigen Jahren zu einer "großen" entwickeln, prognostizierte der AOK-Chef. Notwendig seien vielmehr mehr Vertragsfreiheiten und Wettbewerbsanreize für eine gute Versorgung Kranker. Sollten die Kassen wirklich mehr Geld benötigen, sollte ihnen vielmehr die Möglichkeit eingeräumt werden, den Arbeitnehmerbeitrag anzupassen, als eine Prämie zu erheben, sagte Ahrens.
GKV: Risikostrukturausgleich als Fonds nutzen
Auch sonst halten die Kassen wenig von einem Gesundheitsfonds. Sie fürchten eine "Mammutbehörde", mit der völlig neue Geld- und Datenströme vereinbart werden müssten. Dies stehe im krassen Widerspruch zu dem Versprechen der Bundesregierung, bürokratische Hemmnisse abzubauen. Aus Sicht der Spitzenverbände ist zur Sanierung des Gesundheitswesens kein Systemwechsel nötig. Es reiche, einige Dinge am bestehenden System zu ändern, sagte Ahrens. Wolle man unbedingt einen Gesundheitsfonds einrichten, so sollte man hierzu das bereits heute zwischen den Kassen bestehende Finanzausgleichsverfahren beim Bundesversicherungsamt nutzen. Hier könnte die Verteilung der Finanzmittel über einen wettbewerbsorientierten Risikostrukturausgleich erfolgen.
Nur eine gesicherte Steuerfinanzierung trifft auf Zuspruch
Die Einrichtung eines Dachverbandes für die Krankenkassen stößt bei den Kassen ebenfalls auf Ablehnung. Da hier alle Krankenkassen Mitglied wären, würde es schwer, Entscheidungen zu treffen. In der Folge drohten staatliche Ersatzvornahmen. Auf "größte Skepsis" trifft auch der Vorschlag, Mindestgrößen für Kassen festzulegen. Dies sei ein "völlig verrücktes Wettbewerbsverständnis", hieß es bei den Spitzenverbänden. Weniger Kassen führten zu weniger Wahlmöglichkeit der Versicherten und seien damit das Gegenteil von Wettbewerb.
Eingeschränkt Positives können die Kassen lediglich dem Plan abgewinnen, Teile der GKV über Steuern zu finanzieren. Es mache Sinn, gesamtgesellschaftliche Aufgaben von der Allgemeinheit zahlen zu lassen, sagte Ahrens. Allerdings müsse die klare gesetzliche Vorgabe bestehen, dass die Gelder nicht den jeweiligen Haushaltsschwankungen unterworfen sind - dies zeige die Erfahrung mit dem erst 2004 eingeführten Bundeszuschuss, der ab 2007 wieder auf Null zurückgefahren werden soll.
Ungewohntes Einvernehmen
Der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), die Verbraucherzentrale, der Sozialverband VdK, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft unterstützten die Spitzenverbände in ihrer Kritik. Unbeschadet ihrer unterschiedlichen Akzente und Ziele sind alle Organisationen überzeugt, dass der Gesundheitsfonds vor allem für mehr Bürokratie sorgen und keines der aktuellen großen Probleme der GKV lösen wird. Auch den angedachten Veränderungen in den Verbandsstrukturen stehen sie skeptisch gegenüber. Volker Hansen vom BDA bezeichnete es als eine "Unverschämtheit", dass die Politik den Gesundheitsfonds offenbar "durchboxen" wolle, obwohl ihn alle großen Träger ablehnen.
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